Ein Wolf durchstreift eine winterliche Landschaft.
Fast 100 Jahre lang war der Wolf in Sachsen verschwunden. Nun leben wieder Duzende Tiere im Freistaat. Bildrechte: picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Hintergrund Der Wolf und die Jagd in Sachsen

19. September 2018, 18:11 Uhr

Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Wolf in Sachsen als ausgerottet galt, ist das Wildtier zurückgekehrt. Gerade für Tierhalter kann die Rückkehr des Wolfes eine Herausforderung sein, denn immer wieder kommt es zu Angriffen auf Nutztiere. Es herrscht teilweise Verunsicherung: Wie jagt ein Wolf? Was frisst er gern? Und warum gibt es bei Angriffen auf Nutztiere oft so viele Opfer? Diese und weitere Fragen beantworten wir zusammen mit dem Kontaktbüro Wolf.

Wie jagen Wölfe?

Wenn Wölfe auf die Jagd gehen, sind sie häufig alleine oder in kleinen Gruppen von zwei bis drei Tieren unterwegs. Bei der Jagd auf größere Beutetiere ist es vorteilhaft, wenn die Wölfe im Rudel sind. Doch auch ein einzelner Wolf kann beispielsweise einen Rothirsch erlegen.

Innerhalb eines Rudels müssen sich alle Familienmitglieder an der Jagd beteiligen. Die Eltern-Tiere sind die Haupternährer, werden aber von ihrem zwei bis drei Jahre alten Nachwuchs unterstützt - entweder bei der Jagd oder bei der "Betreuung" der jüngeren Geschwister.

Bereits im Alter von etwa einem halben Jahr begleiten die Jungtiere ihre Eltern bei der Jagd, um zu lernen. Mit Einbruch des Winters sind die Wölfe dann rund neun Monate alt und müssen selbstständig jagen können.

Was jagen Wölfe?

Auf dem "Speisezettel" der Wölfe stehen vor allem wildlebende Huftiere. Laut einer Untersuchung des Senckenberg-Museums für Naturkunde in Görlitz jagen die Wölfe in Sachsen vorrangig Rehwild, Rotwild, Wildschweine, Damwild und Mufflons.

Das Verhältnis der gejagten Beutetiere ist abhängig vom Lebensraum der unterschiedlichen Rudel. Wenn es beispielsweise wenig Rotwild gibt, fressen die Wölfe häufiger Rehwild und Wildschweine. Auffällig ist, dass immer mehr Wildschweine gejagt werden und gleichzeitig der Anteil des Rotwilds zurückgeht.

"Speiseplan" der sächsischen Wölfe Rehwild: 52,0 Prozent
Rotwild: 19,8 Prozent
Wildschweine: 19,4 Prozent
Hasen/Kaninchen: ca. 4 Prozent
Damwild: 1,8 Prozent
Mufflons: 0,7 Prozent
Kleintiere/Fische/Vögel/... : ca. 1 Prozent
Nutztiere: ca. 1 Prozent

Warum kommt es manchmal zu Mehrfachtötungen?

Das Phänomen der Mehrfachtötung - auch surplus killing genannt - tritt meist unter "künstlichen" Bedingungen auf. Das heißt, wenn die Beutetiere eingezäunt sind. Bei den freilebenden Beutetieren erlegen die Wölfe in der Regel nur ein Tier, da die übrigen Tiere flüchten.

Anders ist es bei Übergriffen auf Nutztiere: Sie weisen oft ein abgeschwächtes Fluchtverhalten auf und können zudem nicht fliehen. Die Wölfe finden in diesen Fällen ein Überangebot an Nahrung vor. Sie nutzen die Gelegenheit und töten mehr Tiere, als sie in dem Moment fressen können. Die Wölfe schaffen sich einen "Vorrat", zu dem sie später zurückkommen oder den sie vergraben. Da die Kadaver nach den Angriffen entsorgt werden, wird dieses Verhalten allerdings unterbunden.

Auch bei anderen Beutegreifern, wie Mardern oder Füchsen, gibt es Mehrfachtötungen. Dieses Phänomen hat aber nichts mit einem "Blutrausch" zu tun.

Besteht für Hunde eine Gefahr durch Wolfsangriffe?

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen, dass sich Wolf und Hund sehr ähnlich sind. Daher kann es bei Begegnungen, wie auch bei Hunden untereinander, zu unterschiedlichen Reaktionen kommen: Die Tiere ignorieren einander, sie sehen im Gegenüber eine Konkurrenz oder gar einen Paarungspartner. Die Wahrscheinlichkeit für einen Kontakt ist aber auch in Wolfsgebieten sehr gering.

Was sollten Hundebesitzer grundsätzlich beachten?

Hundebesitzer in Wolfsgebieten sollten sich an bestimmte Regeln halten. Wichtig ist, dass der Hund angeleint ist oder bei Fuß läuft. Denn die Nähe des Menschen bietet dem Haustier den besten Schutz.

Wenn sich ein Wolf in der unmittelbaren Umgebung aufhält, ist es wahrscheinlich, dass sein Interesse an dem Artgenossen geweckt wird. Das Markieren der Hunde kann von den Wölfen als Eindringen in ihr Territorium gewertet werden. Wenn ein Aufeinandertreffen der Tiere möglich scheint, müssen Hundebesitzer zunächst Ruhe bewahren, ihr Tier zu sich rufen, es anleinen und sich ruhig zurückziehen. Wenn der Wolf weiterhin an dem Hund interessiert ist, kann er mit Rufen oder notfalls durch das Werfen von Gegenständen vertrieben werden. Diese Situationen stellen für den Hundebesitzer grundsätzlich keine Gefahr dar.

Sobald sich Hunde alleine im Gelände bewegen, kann es zu Konflikten kommen. Wenn der Wolf im Hund einen Konkurrenten sieht, wird er versuchen, ihn zu vertreiben. Ein (tödlicher) Angriff ist eher unwahrscheinlich. Möglich ist aber auch, dass die Tiere sich paaren. Die Hybrid-Nachkommen stellen wiederum eine Gefahr für den Artenschutz der wilden Wölfe dar.

Was sollten Besitzer von Jagdhunden beachten?

Für Jagdhunde besteht bei der "Arbeit" generell ein erhöhtes Risiko, verletzt oder getötet zu werden. Durch die Anwesenheit von Wölfen steigt die Gefahr aber nicht. Sie wurden bei der jährlich im Herbst stattfindenden Drückjagd schon öfter beobachtet, doch es ist nie etwas passiert. Um ungewollte Begegnungen der Tiere zu vermeiden, wird Jägern beispielsweise empfohlen, den Hunden Glocken oder Schellen anzuhängen. Durch die Geräusche haben die Wölfe die Gelegenheit, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Zudem sollten die Hunde bei Treibjagden erst rund 20 Minuten nach Beginn von der Leine gelassen werden.

Im Gegensatz zu Fällen in Skandinavien sind in Deutschland seit der Rückkehr der Wölfe noch keine tödlichen Zwischenfälle bekannt. In Schweden kommen beispielsweise jährlich 20 bis 40 Hunde durch Wölfe zu Tode. In den meisten Fällen haben die Hunde im Rahmen der Elchjagd Kontakt zu ihren Artgenossen gesucht und ihre Spur verfolgt.

Sind Herdenschutzhunde besonders gefährdet?

Herdenschutzhunde haben im Wesentlichen drei Aufgaben: das Bewachen, Schützen und Verteidigen einer Herde. Während der Hund auf die Herde aufpasst, muss er jede Situation neu bewerten. Wittert er eine Gefahr, wird er versuchen, den Störfaktor zu vertreiben. Dabei wird der Hund jedoch nicht aggressiv, sondern zeigt indirektes Verteidigungsverhalten in Form von Bellen.

Wölfe lassen sich durch dieses Dominanzverhalten der Hunde in der Regel schon vertreiben. Sie müssen zudem auch abwägen, ob sich ein Kampf lohnt. Denn er kostet sie viel Kraft. Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, besteht für Hund und Wolf das gleiche Risiko, verletzt oder getötet zu werden.

Gibt es eine Entschädigung, wenn Hunde verletzt oder getötet werden?

Ja, genau wie bei verletzten oder getöteten Nutztieren könnten auch betroffene Hundebesitzer Schadenersatz geltend machen. Meldungen über Angriffe nimmt das Landratsamt entgegen. Bei Verletzungen ist wichtig, dass diese vom Besitzer oder Tierarzt möglichst noch vor der Behandlung dokumentiert werden.

Quellen: MDR (cb/kp)

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