Verschwunden 66 Kinder in Sachsen gelten derzeit als vermisst

21. Juni 2023, 17:00 Uhr

Werden Kinder vermisst, lassen sich die Fälle in der Regel schnell lösen. Zum Beispiel, weil Ausreißer von selbst wieder nach Hause kommen. Doch einige wenige Schicksale bleiben ungeklärt und das über viele Jahre.

In Sachsen sind derzeit 66 Kinder unter 14 Jahren als vermisst gemeldet. Das teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit, das sich auf Daten aus dem polizeilichen Fahndungssystem Inpol (Stichtag 1.6.2023) beruft. Demnach wird in ganz Mitteldeutschland nach 139 verschwundenen Kindern gefahndet. In Thüringen gelten 21 und in Sachsen-Anhalt 52 Mädchen und Jungen als vermisst. Deutschlandweit waren am 1. Juni 1.594 Kinder zur Fahndung ausgeschrieben.

In den Fällen sind nach Auskunft der Polizei neben Ausreißern auch Kindesentziehungen und unbegleitete Flüchtlingskinder erfasst. So handelt es sich in der aktuellen Vermisstenstatistik bei 22 Fällen in Sachsen um minderjährige Geflüchtete sowie in Thüringen und Sachsen-Anhalt jeweils um sieben minderjährige Geflüchtete. Die häufigste Ursache für das Verschwinden ist hier laut BKA das freiwillige Verlassen zugewiesener Unterkünfte, um beispielsweise Familienangehörige oder Bekannte im Ausland aufzusuchen oder zurück ins Herkunftsland zu reisen. "Überprüfungen in den unterschiedlichen Ländern gestalten sich häufig schwierig und führen nicht zum Ergebnis", so eine BKA-Sprecherin.

Vermisste Kinder in Mitteldeutschland (Stichtag 1. Juni)
JAHR SACHSEN THÜRINGEN SACHSEN-ANHALT
2023 66 21 52
2022 49 20 44
2021 56 20 35
      Quelle: Bundeskriminalamt

Die Dynamik bei Vermisstenmeldungen sei hoch, da die Kinder meist schnell wieder auftauchten oder gefunden würden, erklärt der Sprecher des Landeskriminalamtes in Sachsen, Tom Bernhardt. Einige unaufgeklärte Fälle befänden sich wiederum seit Jahren in der Statistik. Eine einfache Interpretation nur anhand von Zahlen sei deshalb schwierig.

Hohe Aufklärungsquote

Die Aufklärungsquote bei der Suche nach den Kindern liegt laut BKA in allen drei Bundesländern zwischen 95 und 98 Prozent. Dabei hatte die Polizei in Sachsen die meisten Fälle zu bearbeiten. So waren dort im vergangenen Jahr insgesamt 1.069 Kinder als vermisst zur Fahndung ausgeschrieben worden. Davon konnten 1.028 Fälle bis zum Jahresende aufgeklärt werden.

Verlassenes Dreirad auf einem Feldweg
Auch Babys und Kleinkinder stehen auf der Fahndungsliste der Polizei. Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Auch Babys auf der Fahndungsliste

Das jüngste Kind in der sächsischen Vermisstenstatistik war zum Zeitpunkt des Verschwindens am 1. Februar 2019 in Görlitz drei Monate alt gewesen. "Es ist gemeinsam mit dem Bruder Opfer einer Kindesentziehung durch beide Eltern", so eine BKA-Sprecherin. Die Kinder sollen nach Polen verbracht worden sein.

Das Jugendamt hatte damals den polnischen Eltern das Sorgerecht entzogen und die Vormundschaft übernommen, wie die Polizeidirektion Görlitz konkretisierte. Daraufhin verschwanden die Kinder und das Jugendamt meldete sie als vermisst. Polnische Beamte hätten den Säugling dann im Februar 2019 in der Wohnung der Eltern gefunden. "Was diese unternahmen, entzieht sich leider unserer Kenntnis", so ein Sprecher der Görlitzer Polizeidirektion. "Ein Familiengericht löste im Dezember 2019 die Vormundschaft des Jugendamtes auf. Dementsprechend werden die Kindseltern aufgrund des Sachverhaltes polizeilich nicht gesucht."

In Sachsen-Anhalt waren im gesamten vergangenen Jahr 367 Kinder zur Fahndung ausgeschrieben und 347 Fälle klärten sich. Das jüngste Kind auf der Fahndungsliste war am 22. August in Magdeburg verschwunden und war zwei Jahre alt. Nähere Umstände sind dem BKA zu diesem Fall nicht bekannt. Auf Nachfrage bei der Polizeiinspektion Magdeburg, erklärt die Sprecherin Tracy Hering nach längerer Recherche, dass das Kind nur kurzzeitig als vermisst galt. Dass der Fall immer noch in der Statistik stehe, sei ein Übermittlungsfehler.

In Thüringen wurden in demselben Zeitraum 213 Kinder als vermisst gemeldet und 204 wieder gefunden. Bei dem jüngsten laut BKA in Thüringen verschwundenen Kind im Alter von einem Monat, das am 11. Dezember 2022 in Erfurt als vermisst gemeldet wurde, handelt es sich um einen fehlerhaften Eintrag, korrigierte das zuständige LKA auf Nachfrage. "Auf Grund einer falschen Erfassung des Geburtsdatums der vermissten Person im polizeilichen INPOL-System wurde ein Alter von einem Monat registriert. Das tatsächliche Alter des Vermissten war bereits zum Zeitpunkt des Verschwindens 17 Jahre", so Sandra Frankenhäuser vom LKA Thüringen. Der Fall sei aufgeklärt worden und eine Datenbereinigung erfolgt.

Vergleicht man aktuelle Vermisstenzahlen mit den Fällen aus den beiden Vorjahren (ebenfalls Stichtag 1. Juni), dann waren es in Sachsen und Sachsen-Anhalt deutlich weniger. Auch gab es insgesamt im Jahr 2022 mehr Vermisstenanzeigen als im Jahr 2021. Laut BKA könnte das mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen zu tun haben.

Redaktionshinweis: Die erste Fassung des Berichts ist mit weiteren Informationen aus den regionalen Polizeidirektionen ergänzt worden.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 21. Juni 2023 | 14:00 Uhr

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