Kommentar Gestern noch AfD - heute schon Bürger für Thüringen

22. Juni 2022, 19:40 Uhr

Ja, früher... als alles noch aus Holz war, Kinder auf ihre Eltern hörten und der Landtag schön übersichtlich war. Das waren Zeiten! Bis 2009 kannte das Parlament nur drei Farben: Schwarz, Rot und Dunkelrot. Heute ist das anders - die letzte Landtagswahl 2019 brachte sechs Parteien ins Parlament; und durch die Irrungen und Wirrungen der vergangenen zwei Corona-Jahre werden dort bald sogar sieben vertreten sein - die "Bürger für Thüringer" kommen als sogenannte "Parlamentarische Gruppe" dazu.

Manchmal geht alles ganz schnell. Eben noch in der AfD, auf einmal "Bürger für Thüringen", wie das? Lars Schütze, Birger Gröning und Tosca Kniese hatten offenbar wenig Lust, die Zeit bis zur Landtagswahl als fraktionslose Abgeordnete mehr oder weniger nutzlos im Parlament zu verbringen. Ute Bergner, ehemals FDP, ging es ähnlich.

Als "Parlamentarische Gruppe" gibt es mehr Geld und mehr Mitarbeiter

Als "Parlamentarische Gruppe" gibt es Zuschüsse vom Landtag, mehr Mitarbeiter und die Möglichkeit, in den Fachausschüssen mitzuarbeiten. Eventuell muss der Landtag da sogar noch ein bisschen nachlegen, denn die Klage der FDP-Gruppe für eine bessere Ausstattung vor dem Verfassungsgericht läuft noch.

Zentrale Figur: Ute Bergner

Und so kommt es, dass mit den "Bürgern für Thüringen" bald eine politische Kraft im Landtag vertreten sein wird, die es bei der letzten Wahl noch gar nicht gab - als Partei gründeten sich die "Bürger" erst ein Jahr nach der Wahl, es war ein nebliger Novemberabend in Suhl, im Hotel auf dem Ringberg. Die zentrale Figur war von Anfang an Ute Bergner.

Dass die Unternehmerin ursprünglich für die FDP in den Landtag eingezogen war und ein paar Monate sogar politisch zweigleisig als Liberale und Frontfrau der neuen Kraft fuhr, war zwar gerade noch legal, kratzte aber hart an der Grenze der politischen Glaubwürdigkeit. Im Landtag fällt Bergner vor allem wegen kruder Thesen zum Thema Corona auf - ihre "Bürger für Thüringen" gelten mittlerweile als Teil der Querdenker-Szene.

Keine Distanzierung von der AfD

Und die übrigen Neu-"Bürger"? Von Lars Schütze ist noch nicht einmal offiziell bekannt, warum ihn die AfD-Fraktion im Oktober 2021 eigentlich ausgeschlossen hat. Birger Gröning habe nach Jahren in der AfD genug von Hass und Hetze, heißt es. Tosca Kniese kann als Unternehmerin dem als "patriotischen Sozialismus" verbrämten Rassismus in der AfD nichts mehr abgewinnen. Eine öffentliche und deutliche Distanzierung von der Politik der AfD gibt es bislang von keinem der Drei.

Landtagsverwaltung trifft Entscheidung

Und so wird der Landtag in seiner nächsten Sitzung im Juli aller Voraussicht nach auf Antrag von Ute Bergner und Co. beschließen, eine weitere Parlamentarische Gruppe einzurichten. Das sei ein mehr oder weniger formeller Akt, sagen Insider - die Entscheidung, ob die Vier die nötigen Bedingungen erfüllen, trifft die Landtagsverwaltung.

Politische Richtung klar

Viel verlangt wird nicht: Die Gruppenmitglieder müssen entweder einer Partei angehören oder zumindest ihre politischen Überzeugungen teilen. Damit ist die Angelegenheit verfassungsrechtlich klar. Dass die "Bürger für Thüringen" die drei ehemaligen AfD-Politiker kommentarlos schlucken, zeigt aber, wohin die "Bürger" künftig politisch reisen werden.

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. Juni 2022 | 14:00 Uhr

32 Kommentare

Harka2 am 24.06.2022

@Tpass
Bitte etwas auberer differenzieren. "Die Linke" ist nicht extremistisch und hat nicht vor, die Demokratie abzuschaffen. Sich gibt es auch in dieser Partei einige Hitzköpfe, aber die haben dort nichts zu sagen. Bei den rechten sieht das ganz anders aus. Deren thüringer Chef ist der anerkannte Faschist Höcke und er ist nicht der einzige in dieser Partei, der an führende Stelle Hetze, Ausländerfeindlichkeit und Lügen propagiert.

martin am 24.06.2022

Biegsam nach allen Richtungen? Das wage ich zu bezweifeln.

Aber wenn Frau B. über '... statt spalten' schwadroniert, finde ich das fast schon wieder lustig ....

martin am 23.06.2022

Das Verhältniswahlrecht durch ein Mehrheitswahlrecht ablösen zu wollen ist für eine Demokratie ein ganz schlechter Vorschlag. Ungefähr so schlecht wie die Auflösung des Landtags.

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