Preisträger arbeitet in Leipzig Medizin-Nobelpreis für Evolutionsforscher Svante Pääbo

04. Oktober 2022, 15:09 Uhr

Der Schwede Svante Pääbo hat als erster Wissenschaftler das Genom des Neandertalers sequenziert. Für seine Erfolge auf dem Gebiet der Evolutionsforschung erhält der Wahl-Leipziger nun den Medizin-Nobelpreis. Zahlreiche Wissenschaftler und Politiker gratulierten Pääbo.

Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Pääbo wird für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution geehrt. Er sequenzierte unter anderem als erster Forscher das Neandertaler-Genom. Damit widerlegte er die in der Wissenschaft lange Zeit verbreitete Überzeugung, es gebe keine Verbindung zwischen dem modernen Menschen und dem Neandertaler.

Jury: Pääbo legte Grundlagen für Forschung

Das Nobel-Institut erklärte, durch die Enthüllung "der genetischen Unterschiede" zwischen heute lebenden Menschen und ausgestorbenen Vorfahren, "haben seine Entdeckungen die Grundlage für die Erforschung dessen geschaffen, was uns Menschen so einzigartig macht". Pääbo hatte festgestellt, dass ein Gentransfer von inzwischen ausgestorbenen Homininen auf den Homo sapiens stattgefunden hat. Dieser Gentransfer habe "heute physiologische Bedeutung, zum Beispiel für die Art und Weise, wie unser Immunsystem auf Infektionen reagiert", betonte die Jury.

Der 67-jährige Pääbo leitet am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie die Abteilung für evolutionäre Genetik. Er gilt als Begründer der Paläogenetik, einer Forschungsdisziplin, die sich mit der Analyse genetischer Proben aus Fossilien und prähistorischen Funden befasst. Bereits als Doktorand war es ihm als erstem Wissenschaftler gelungen, das Erbgut aus Zellen einer Mumie zu isolieren.

Leopoldina bescheinigt Pääbo "wegweisende Forschung"

Die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, hat Pääbo zum Nobelpreis gratuliert. Präsident Gerald Haug erklärte: "Es ist uns eine besondere Freude, dass in diesem Jahr ein Mitglied der Leopoldina für seine wegweisende Forschung mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet wird. Diese Ehrung würdigt bahnbrechende Erkenntnisse im Bereich der Paläogenetik, die zu einem neuen Bild der frühen Menschen beigetragen haben."

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann, sagte über Pääbo: "Seine Arbeiten haben unser Verständnis der Evolutionsgeschichte der modernen Menschen revolutioniert".

Pääbo: Meine Forschung ist von Neugier getrieben

Auf einer Pressekonferenz des Max-Planck-Instituts sagte Pääbo, seine Tätigkeit als Forscher sei von Neugier getrieben. Allerdings habe man etwa in der Corona-Pandemie auch praktische Bezüge entdeckt, da der größte Risikofaktor für einen schweren Covid-Verlauf auch im Genom der Neanderthaler zu finden sei.

Pääbo betonte, er arbeite gern in Mitteldeutschland, da hier eine Aufbruchsstimmung herrsche: "Es ist sehr stimulierend, in einem Gebiet Europas zu leben, wo es aufwärts geht." Dass seine Forschung langjährig finanziell gefördert werde, sei ein Privileg.

Die Verleihung des Nobelpreises an ihn habe er zunächst für einen Scherz seiner Kollegen gehalten: "Aber dann klang es ein bisschen zu ernst und ich habe akzeptiert, dass es wahr ist", so Pääbo. Was er mit dem Preisgeld von knapp 920.000 Euro machen werde, wisse er noch nicht: "Vielleicht werde ich davon mein Sommerhaus in Schweden renovieren."

Sachsens Ministerpräsident gratuliert

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer würdigte den neuen Medizin-Nobelpreisträger. Die Auszeichnung gehe "an einen großartigen Wissenschaftler und Forscher der Max-Planck-Gesellschaft". Pääbos Arbeit zur menschlichen Evolution "hat uns sehr viel Wissen über die Entwicklung der Menschheit gebracht".

Zugleich betonte Kretschmer, der Osten Deutschlands sei längst ein Ort internationaler Exzellenz. Bahnbrechende Erkenntnisse entstünden durch Exzellenz, Internationalität und interdisziplinäre Wissenschaft. Leipzig sei ein Ort, an dem das alles zusammenkomme.

Wissenschaftsminister Gemkow und OB Jung würdigen Pääbo

Auch Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow gratulierte Pääbo. Er sei froh und dankbar, "dass Sachsen das wissenschaftliche Umfeld für einen so außergewöhnlichen Forscher bieten kann", sagte Gemkow laut Mitteilung in Dresden.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung betonte, seine Stadt dürfe "stolz sein", ein wenig zur Krönung von Pääbos Arbeit beigetragen zu haben. Jung würdigte den Schweden in einer Mitteilung als "begnadeten Wissenschaftler, der über Jahrzehnte akribisch und zielstrebig gearbeitet hat".

Weitere Nobelpreise werden in nächsten Tagen vergeben

Der Nobelpreis für Mediziner ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen dotiert. Das entspricht rund 920.000 Euro. In den nächsten Tagen werden die weiteren Nobelpreisträger bekanntgegeben – und zwar in den Bereichen Physik, Chemie, Literatur und Frieden.

In der kommenden Woche wird dann noch der Träger des sogenannten Wirtschafts-Nobelpreises verkündet. Diese Auszeichnung geht nicht direkt auf Alfred Nobel zurück, sondern wird von der schwedischen Reichsbank gestiftet. Die feierliche Vergabe aller Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des von Alfred Nobel.

dpa(aju,jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Oktober 2022 | 12:00 Uhr

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