Interview Franziska Weisz

Sie spielen Hauptkommissarin Catrin Kogan, wie lässt sich die Rolle beschreiben und was macht sie aus?

Wer wir sind - Episode 1 "Red Flags"
Catrin Kogan (Franziska Weisz) besucht ihre Tochter Luise Kogan (Lea Drinda) im Gefängnis. Bildrechte: MDR/VIAFILM/Felix Abraham

Mich erinnert Catrin an ein galoppierendes Pferd, das mit sehr viel Energie und (fast) ohne Rücksicht auf Verluste ihren Instinkten folgt und sich für Ihre Ziele einsetzt. Die größte Gemeinsamkeit zwischen Mutter und Tochter ist auf jeden Fall die Bereitschaft, bedingungslos für ihre Ideale einzustehen. Im Kern kämpfen beide Frauen um Gerechtigkeit, haben da aber einen unterschiedlichen Fokus und driften auseinander.

Inwieweit belastet Catrin der Spagat zwischen ihrem Job, der an Recht und Gesetz gebunden ist und ihrer Liebe zur eigenen Tochter?

Das ist ihr Hauptkonflikt. Catrin bricht mit ihren Prinzipien, mit der Loyalität in ihrem Beruf und wird korrupt, um ihre Tochter zu schützen. Diese dankt ihr das aber keineswegs, sondern verurteilt sie dafür. Catrin hat das Gefühl, weder ihrem Beruf, noch ihrer Familie gerecht zu werden. Ein Höllenritt für sie.

Intensivtäter Dennis stellt die Polizei vor echte Herausforderungen. Inwieweit spitzt sich die Situation hier zu?

Dennis … schon beim Lesen des Drehbuches war er meine Lieblingsfigur und durch die Darstellung von Florian Geißelmann rührt mich Dennis umso mehr. Er ist verstoßen und alleine, die Polizei weiß, dass er nichts für das Chaos, in dem er groß wird, kann. Und dass das Chaos, das er veranstaltet, ein schriller Schrei nach Liebe und Geborgenheit ist. Dennoch begeht er damit Straftaten, die - wie der Name schon sagt – bestraft werden müssen. Und wir wissen: Mit Strafen macht man aus dem jungen Intensivtäter einen erwachsenen Intensivtäter. Die Hoffnungslosigkeit und Ungerechtigkeit könnte nicht größer sein.

Wie wichtig ist es, die Thematik der Serie im Fernsehen zu behandeln?

Arbeitsfoto "Wer wir sind"
Dreharbeiten zur sechsteiligen Serie "Wer wir sind" Bildrechte: MDR/viafilm/Felix Abraham

Während der Dreharbeiten musste ich manchmal mehr Zeit einplanen, um an den Drehort zu gelangen, weil Klimaproteste vor meinen Augen den Verkehr lahmgelegt haben und die Polizei sehr vorsichtig und fast schon eingespielt die Aktionen aufgelöst hat. Ich dachte mir ‚eine größere Aktualität kann ich mir nicht vorstellen‘. Zudem geht es im öffentlichen Diskurs häufig um die Jugend, die ‚man nicht mehr erreicht‘. Ich halte es für wichtig, die Aktivisten, die allerdings allen Alters sind, in ihrer Verzweiflung, mit ihren Ängsten nachempfindbar zu machen. Ihnen Namen und Schicksale zu geben, wie ja auch im echten Leben. Es gibt nicht die ‚liebe Greta‘, die ‚blöden Kleber‘, die ‚faule Politik‘ und die ‚böse Polizei‘. Es ist leider komplizierter als das und gerade oben genannte sehen sich alle im Dienste der Gesellschaft.

Welche Denkanstöße, Impulse, Botschaften kann man aus der Serie mitnehmen?

Veränderungen kommen nicht von alleine, man muss sie wollen und dafür kämpfen. Ohne Protest würden die AKWs noch ewig laufen und dürften Frauen heute noch nicht wählen gehen. Die, denen das System dient, werden es nicht freiwillig ändern. Wieso auch!? Umweltschutz wurde vom Sommerloch-Thema in den letzten Jahren zum Wahlkampf-Thema. Worthülsen und Versprechungen werden um sich geworfen und das gießt – vollkommen verständlich – Öl ins Feuer bei den Aktivisten. Das Klima-Thema wird wortwörtlich verheizt. Vielleicht ist es unser politisches System per se, das Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit lähmt. Vielleicht helfen längere Legislaturperioden und ein Wiederwahlverbot, das mutigere und unpopuläre Entscheidungen getroffen werden. Eine Politikerkarriere ist kurz gemessen an Klimaveränderungen, und die gehen schon viel zu schnell. Außerdem braucht es eine drastische Einschränkung der Einflussnahme durch Lobbys. Die Kritiker haben recht, wenn sie sagen, Politik und Wirtschaft sind zwei Seiten einer Medaille.

Wie würden Sie die Frage beantworten: In welcher Welt will ich leben und wie weit bin ich bereit, dafür zu gehen?

Ich möchte in einer Welt leben, die über effektive Strukturen verfügt, die es Ländern unmöglich machen, andere Länder zu überfallen; die es unmöglich machen, Kriege zu führen und damit Menschen zu töten und Familien zu zerstören. Tatsächlich wurden genau aus diesem Grund einmal die Vorläufer der heutigen EU gegründet – erfolgreich! Ich möchte in einer Welt leben, in der es verboten ist, aus Profitgier und Egoismus, Tiere zu massakrieren und Lebensräume zu zerstören. Ich will in einer Welt leben, in der es noch Gorillas und Tiger in freier Wildbahn gibt. Zurzeit sieht es so aus, als würden unsere Kinder eben diese Tiere als genauso ausgestorben wahrnehmen wie Dinosaurier. Zu diesen Idealen stehe ich, verhalte ich mich im täglichen Leben und gehe auf die Straße, da, wo es mir zielführend scheint.

 "Wer wir sind" KeyVisual  „Wer wir sind“ sechsteilige Serie mit Lea Drinda und Franziska Weisz in den Hauptrollen.
„Wer wir sind“ sechsteilige Serie mit Lea Drinda und Franziska Weisz in den Hauptrollen. Bildrechte: MDR/viafilm/Felix Abraham