Eine Gruppe Medizinstudenten beim Sezieren eines Gehirns
Forschen am echten Körper: Eine Gruppe Medizinstudenten beim Sezieren eines Gehirns. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Oliver Killig

Anatomie Für die Wissenschaft: Würden Sie Ihren Körper spenden?

15. April 2024, 11:42 Uhr

Früher undenkbar, gehört die Arbeit an Verstorbenen für alle Medizinstudenten heute zum Lehrplan. Dank der sogenannten Körperspende stehen den Universitäten deutschlandweit menschliche Präparate zur Verfügung. Wer seinen Körper spenden darf, wie das funktioniert und was mit einem nach dem Tod passiert - Christiane Grüneberg hat sich dazu in Leipzig umgehört.

4.000 Leipziger sind derzeit als Körperspender in der Anatomie der Universität Leipzig angemeldet. Das bedeutet etwa zehn Prozent der über 70-Jährigen der Messestadt möchten ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft spenden. Das Sezieren der Leiche ist ein wesentlicher Bestandteil des Medizinstudiums.

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Körperspende 3 min
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Wer kommt als Körperspender infrage?

Wer als Körperspender infrage kommt, erklärt der Facharzt für Anatomie der Universität Leipzig, Ingo Bechmann: "Wir haben keine Ausschlusskriterien. Wir brauchen den Wohnort in Leipzig und dann schließen wir den Vertrag ab. Dem geht ein langes Gespräch voraus und jeder schläft dann noch mal drüber, damit wir alle sicher sind, dass das wirklich der letzte Wille sein soll. Und man sollte schon die 60 überschritten haben."

Wir haben keine Ausschlusskriterien. Jeder kann seinen Körper spenden.

Ingo Bechmann Facharzt für Anatomie der Universität Leipzig

Was geschieht mit der Leiche?

Das Institut bekommt pro Jahr etwa 130 Spenden. Für den anatomischen Unterricht werden 40 Leichen für 400 Studenten pro Studienjahr benötigt. Der Zustand der Leiche entscheidet, was mit ihr geschieht.

Es gibt Besonderheiten, wann der tote Körper nicht für klassische Studien infrage kommt, verrät der Dekan der Medizinischen Fakultät, Ingo Bechmann: "Wenn Bauch und Thorax mit Metastasen besetzt sind, so dass wesentliche Strukturen nicht mehr erkennbar sind, dann kann ich das den Studierenden natürlich auch nicht zeigen. Aber dann gibt es natürlich immer noch die Möglichkeit, zum Beispiel Kniegelenk-, Sprunggelenk- oder Schultergelenk-Operationen zu üben. Oder wir können die Gehirne untersuchen."

Der Zustand der Leiche entscheidet, was mit ihr geschieht.

Christiane Grüneberg Redakteurin bei MDR SACHSEN

Vom Anatomie-Saal in den OP. Fachärztinnen und Fachärzte lassen sich von Gynäkologe Prof. Michael Höckel an einer Körperspende schulen. Er stellt seine neue Krebs-Behandlung vor.
Vom Anatomie-Saal in den OP. Auch Fachärztinnen und Fachärzte lassen sich an einer Körperspende schulen. Hier stellt der Gynäkologe Prof. Michael Höckel eine neue Krebs-Behandlung vor. (Archivbild) Bildrechte: MDR/werkblende/Jan Siegmeier

Müssen die Angehörigen über den Wunsch der Körperspende informiert sein?

An jeder Körperspende wird intensiv geforscht, gelehrt und studiert. Damit die Überführung in die Anatomie reibungslos geschieht, sollten zu Lebzeiten die engsten Vertrauten, Familienangehörigen und der Hausarzt informiert sein. Der Bestatter überführt den Leichnam in die Anatomie. Dort wird der Körper mit einer Fixationsflüssigkeit konserviert, die über die Beinvene eingeleitet wird.

Die Einstellung bezüglich der Spende darf sich selbstverständlich verändern und der jeweiligen Lebenssituation anpassen, betont Ingo Bechmann. "Sie können jederzeit zurücktreten. Sie rufen uns an oder schicken sie uns eine E-Mail und sagen, sie haben es sich anders überlegt und dann zerreißen wir den Vertrag. Und dann ist gut."

Sie können jederzeit ganz formlos von der Körperspende zurücktreten.

Ingo Bechmann Dekan der Medizinischen Fakultät Leipzig

Unbekannte Strukturen im Blick. Doktorandin Dina Wiersbicki und PD Dr. Hanno Steinke untersuchen Wirbelsäulen-Präparate, die von Körperspenden stammen. Sie erforschen daran Rückenschmerzen.
Diese beiden Mediziner untersuchen Wirbelsäulen-Präparate, die von Körperspenden stammen. Sie forschen daran zu Rückenschmerzen. (Archivbild) Bildrechte: MDR/werkblende/Rita Kundtzen.

Für den Spender entstehen Kosten - warum?

Obwohl es sich laut Definition um eine Spende handelt, müssen zu Lebzeiten 1.200 Euro an das Institut gezahlt werden. Ingo Bechmann erklärt die Gründe: "Körperspenderinnen und -spender bezahlen bei uns. In dem Preis enthalten ist der Transport des Toten ins Institut, das rechtsmedizinische Gutachten, das in Sachsen für alle Körper, die kremiert werden, vorgeschrieben ist, und dann natürlich die Bestattungskosten. Also ein Sarg, eine Urne. Die Kremierung selbst kostet auch. Das sind die Gründe."

Wie können die Angehörigen von ihren Lieben Abschied nehmen?

Damit die Angehörigen würdevoll von ihren Liebsten Abschied nehmen können, organisieren die Studenten als Dankeschön an die Hinterbliebenen eine große Abschiedsfeier am Südfriedhof. Die angehenden Mediziner kämen dadurch auf sehr einfühlsame und dankbare Art und Weise mit dem Familien ins Gespräch. Denn ohne Anatomie wäre der medizinische Fortschritt undenkbar.

Viele Blumen und Kerzen werden vor einem Altar drapiert.
Würdevoller Abschied: Die Studenten organisieren als Dankeschön eine Abschiedsfeier für die Angehörigen des Toten. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (cgr/ino)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Tag | 15. April 2024 | 12:50 Uhr