Chronik Die Dresdner Dixieland-Geschichte

19. April 2010, 10:18 Uhr

Im Radioprogramm des klassenkämpferischen Deutschlandsenders der DDR sollte an der Schwelle der siebziger Jahre eine neue unterhaltende Programmfarbe für junge Leute gesetzt werden. Warum nicht endlich auch mal Jazz, der in osteuropäischen sozialistischen Ländern längst populär war. Der Dresdner Kulturpalast war im Entstehen und könnte eine passende Arena sein. Der Intendant des Deutschlandsenders - bar jeder Jazzkenntnis - fragte seine Redakteure: Was ist das: Dixieland?

Pfingsten 1971: Das Dixieland Festival startet

Die einleuchtende Antwort: Ein Mittelding zwischen der aktuellen FDJ-Singebewegung und böhmischer Blasmusik ... Der Intendant überlegte das Fortschrittliche: "Wenn das so ist, das machen wir." Es wurde ein vergleichsweise kleines Konzert zu Pfingsten 1971, mit dem aber die alte Dresdner Jazztradition wieder zu atmen begann. Auf der Bühne waren Gruppen aus Warschau, Prag, Budapest und eine All Star Band der DDR. Der erwartete stürmische öffentliche Zuspruch bewirkte die Fortsetzung des Experiments bis zum heutigen Erfolg.

Musiker aus aller Welt seit 1975 dabei

1975 traten erstmals Musiker aus der BRD auf, die Old Merry Tale Jazzband aus Hamburg. Sie aber sollten auf zwingenden Wunsch aus dem staatlichen Kulturapparat nur eine zurückgesetzte Position im Programm erhalten und nur beiläufig angesagt werden. Dennoch erfüllte frenetischer Beifall den riesigen Saal. Warum wohl? 1980 war die Bewerbung von Jazzbands aus aller Welt so umfangreich, dass mit ihnen ein dreiwöchiges Festival gefüllt worden wäre. Als erste Formation aus den USA feierte die Harlem Jazz and Blues Band ihr Dresdener Debüt. Das 10. Festival öffnete auch den Jazz für Kinder. "Mit Triangel und Klapperholz" ist als Konzertreihe für Vorschulkinder seither fest im Programm. Die Weiße Flotte vollführte mit vier Schiffen auf der Elbe eine begeisternde Riverboat Shuffle.

Das Dixieland Festival wurde eigenständig

1989: Das Festival fand trotz heftigster Bedenken der DDR-Oberen am Wahlsonntag statt. 17 Bands aus zwölf europäischen Ländern und USA nahmen teil. 1990, nach dem gesellschaftlichen Umbruch vom Herbst '89, stand die Frage: Was wird aus dem Dixieland Festival? Deutsche Jazzfreunde signalisierten nach Bonn: Es ist einmalig und muss erhalten werden. Bonn schickte etwas Überbrückungsgeld. Große Getränke- und Zigarettenfirmen erkannten den Marktwert des Festivals und wurden von dessen Leitung als Sponsoren gewonnen.

Die Sächsische Festival Vereinigung e.V. wurde als Trägerorganisation gegründet. Öffentliche Förderung gab es nur die ersten drei Jahre nach der Wende. Dann stellte erst das Land und schließlich auch der Bund die finanzielle Unterstützung ein. Der Übergang zur Eigenständigkeit unter unsicheren ökonomischen Prämissen verlief aufregend, aber schließlich doch ergebnisreich. Dabei entstand eine solide Partnerschaft mit dem MITTELDEUTSCHEN RUNDFUNK. Die aufsehenerregenden Festivalübertragungen und Programmexporte in alle Welt vermitteln die Stimmung der freundschaftlichen Begegnung und die Fröhlichkeit des Musizierens. Es bleibt dabei, was der österreichische Bandleader John Evers vor Jahren proklamierte: Dresden ist die europäische Hauptstadt des Dixieland!