Protest gegen Gewalt gegen Frauen in Sofia
Frauen protestieren in Sofia in Bulgarien im August, um die 18-jährigen Zagora zu unterstützen. Das Mädchen wurde von ihrem 26-jährigen Freund mit einer Messerattrappe verunstaltet. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Dienstags direkt | 21.11.2023 | 20-23 Uhr Gewalt gegen Frauen: Warum das auch im 21. Jahrhundert nicht vorbei ist

22. November 2023, 00:15 Uhr

Ein Drittel der Frauen sind bereits einmal zu sexuellen Handlungen gezwungen worden, knapp 50 Prozent haben einen Versuch erlebt. Etwa 35 Prozent der Frauen erfuhren häusliche Gewalt auf körperlicher Ebene. Das ist das Ergebnis einer Studie des Gleichstellungsministeriums in Sachsen. In Deutschland wird Gleichberechtigung und dessen Förderung im Grundgesetz garantiert. Warum Gewalt gegen Frauen trotzdem aktuell ist - besonders in Krisen und Konflikten - darüber reden wir bei "Dienstags direkt."

Gäste:

  • Clara Nespral, Psychologin, Frauenschutzhaus Dresden
  • Nicole Maziarka, Landesarbeitsgemeinschaft gewaltfreies Zuhause Sachsen
  • Bettina Schneider, Bundesinitiative Frauen für Gewaltschutz und selbst Betroffene häuslicher Gewalt
  • Ulrike Richter, Kobranet - sächsische Fachberatung für die Opfer von Menschenhandel und Betroffene von Gewalt im Namen der Ehre
  • Martin Suvatne, Geschäftsführer NRC Flüchtlingshilfe Deutschland

Interviews:

  • Katja Meier, Ministerin für Justiz und Demokratie, Europa und Gleichstellung
  • Sandra, Betroffene häuslicher Gewalt

Protest gegen Gewalt gegen Frauen in Sofia 107 min
Frauen protestieren in Sofia in Bulgarien im August, um die 18-jährigen Zagora zu unterstützen. Das Mädchen wurde von ihrem 26-jährigen Freund mit einer Messerattrappe verunstaltet. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Hilfe für Frauen Von Gewalt betroffene Frauen* aus Leipzig und Umgebung, die nach einem Platz in einer Frauen- und Kinderschutzeinrichtung suchen, können sich an die Zentrale Sofortaufnahme der Frauen*-und Kinderschutzhäuser Leipzig unter der zentralen Rufnummer 0341/550104-20 wenden.

Bettina Schneider
"Immer mehr Anwälte und Beratungsstellen raten Frauen dringend ab, häusliche Gewalt anzuzeigen, denn in den familiengerichtlichen Verfahren zu Umgang und Sorgerecht wird durch FamilienrichterInnen und Jugendamt eine massive Täter-Opfer-Umkehr betrieben, werden die Frauen der Lüge bezichtigt, ihnen wird das Sorgerecht entzogen und die Kinder entgegen deren Willen oft mit erneuter Gewalt -zum Täter umplatziert. Es ist alle höchste Zeit, dies sofort zu beenden!"

Seit 1. Januar 2018 gilt in Deutschland die Instanbul-Konvention. Bis heute wird sie nicht umgesetzt. Deutschland wurde dafür bereits durch die GREVIO-Kommission gerügt. Allein Artikel 31 besagt, dass Gewalt gegen Kinder und Frauen in familiengerichtlichen Verfahren zwingend zu berücksichtigen ist. Am 22. Juni 2023 übergab die UN-Sonderbotschafterin Reem Alsalem ihren Bericht dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Alle Fälle - auch die von uns eingereichten - wurden als Menschenrechtsverletzung deklariert und von über 80 Staaten anerkannt - Deutschland schweigt. Reem Alsalem: "Wie können Familiengerichte Schauplatz solch ungeheuerlicher Formen von Gewalt gegen Mütter und Kinder sein, und das ungestraft?"

Ulrike Richter, Kobranet - sächsische Fachberatung für die Opfer von Menschenhandel und Betroffene von Gewalt im Namen der Ehre
Bildrechte: Ulrike Richter

Ulrike Richter
"
Freiwillige und selbstbestimmte Sexarbeit existiert und ist okay. Im Gegensatz dazu sind Zwangsprostitution und Menschenhandel schwere Straftaten und Menschenrechtsverletzungen, die bekämpft werden müssen. Betroffene brauchen nachhaltige und zielgerichtete Unterstützung.

Martin Suvatne, Geschäftsführer NRC Flüchtlingshilfe Deutschland
Bildrechte: Martin Suvatne

Martin Suvatne
“Frauen und Mädchen gehören zu denen, die durch Krieg und Vertreibung am schlimmsten betroffen sind. Ihr Leid ist aber oft weniger sichtbar oder hinter dem lauten Dröhnen der Waffen verborgen. Frauen und Mädchen sind aber auch der Schlüssel zum Überleben, zum Frieden und zum Wiederaufbau.”

Nicole Maziarka, Landesarbeitsgemeinschaft gewaltfreies Zuhause Sachsen
Bildrechte: Nicole Maziarka

Nicole Maziarka
"Ein bloßer Ausbau der Hilfe- und Unterstützungssysteme kann nicht die alleinige Lösung im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen, Kinder und queere Menschen sein. Hilfe und Schutzmaßnahmen müssen VOR einer Ausübung von Gewalt greifen, damit diese verhindert werden kann. Staat und Gesellschaft müssen überlegen, was sie tun können, damit vor allem Männer gar nicht erst (geschlechtsspezifische) Gewalt ausüben. Hier ist das Schlagwort: "Prävention", denn: ohne echte Prävention wird es nie genügend Plätze in den Schutzeinrichtungen geben."

Clara Neßpral
"Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Unter diesem Leitsatz arbeitet das Gewaltschutzzentrum Dresden."

Informationen zu Gewaltschutz in Sachsen

Wo Frauen Hilfe finden, erfahren Sie auf dieser Seite.

Moderation: Sina Peschke
Redaktion: Katrin Tominski
Redaktionsleitung: Lucas Görlach

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 28. November 2023 | 20:00 Uhr