Dienstag, 28.05.2024: Aufmerksam sein
"Mensch, ich habe Dir gewunken und dich gerufen, aber du siehst und hörst ja nichts!", sagte meine Freundin neulich, als sie plötzlich unerwartet neben mir stand. Ich stöberte ganz versunken in einer Buchhandlung. Wir waren nicht verabredet und natürlich habe ich etwas gesehen, ich las ja gerade etwas über den Buchautor und hörte auch: Klassische Musik - die gab es nämlich auch in der Buchhandlung.
"Du siehst und hörst ja nichts!" Offensichtlich kann etwas so faszinierend sein, dass man Nebengeräusche überhört und außer dem Buchcover alles aus dem Blick verliert. Ich habe mich über das ungeplante Wiedersehen gefreut und lud sie in das Café der Buchhandlung ein: "Jetzt bin ich ganz Ohr für dich".
"Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der HERR." (Spr.20,12)
Das sehende Auge in dem Bibelvers meint etwas anderes als das Ausbleiben einer Sehschwäche oder Blindheit gar. Was macht man aus dem, was man sieht? Oder was schlussfolgert man aus dem, was man beobachtet? Dass Kleider Leute machen? Oder bewusst hinsehen, was dem anderen passiert? Mitkriegen was meinem Nächsten fehlt, das ist etwas, wozu Jesus immer wieder Menschen aufgefordert hat.
Wussten Sie, dass es in manchen Klöstern bei Tisch verboten war, etwas Fehlendes für sich selbst anzusprechen? Das war immer die Aufgabe des Tischnachbarn. So sollte jeder nach dem anderen sehen und bemerken, was ihm fehlt und es ihm reichen. Eine gute Schulung für Tischmanieren und das Miteinander.
Nun sieht ein Pater aber zu seinem Entsetzen in seiner Suppe eine tote Maus. Was soll er tun? Sein Nachbar bemerkt es nicht. Und sich in eigener Sache beschweren, das darf er nicht. So winkt er den Bruder herbei, der Tischdienst hat, und flüstert ihm zu: "Mein Nachbar hat noch keine Maus in der Suppe!".