Gebietsreform Verfassungsgerichtshof erklärt Vorschaltgesetz für rechtswidrig

09. Juni 2017, 11:41 Uhr

Das Thüringer Verfassungsgericht hat das von der rot-rot-grünen Landtagsmehrheit beschlossene Vorschaltgesetz zur Gebietsreform für rechtswidrig erklärt. Das Gesetz sei nichtig, sagte Gerichtspräsident Manfred Aschke am Freitag in Weimar. Er begründete die einstimmige Entscheidung mit einem formellen Fehler im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Dabei geht es um ein Protokoll der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände im Juni 2016 im Innenausschuss des Landtages. Dieses Protokoll hatte nicht allen Abgeordneten zur Verfügung gestanden, als der Landtag über das Gesetz abstimmte.

Keine Bedenken gegen Mindestgrößen von Kommunen im Gesetz

Das Verfassungsgericht erklärte dazu, die Abgeordneten benötigten vor der Abstimmung die vollständigen Informationen aus der Anhörung. Das sei nicht gegeben gewesen. Gegen die im Vorschaltgesetz formulierten Mindesteinwohnergrößen für künftige Kreise, kreisfreie Städte und Kommunen gebe es aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken, betonte Aschke. Das Vorschaltgesetz legt fest, dass Thüringer Gemeinden dauerhaft mindestens 6.000 Einwohner haben sollen, Landkreise wenigstens 130.000 und kreisfreie Städte 100.000. Die Mindestgrößen erzwingen kommunale Zusammenschlüsse, um auf die nötige Größe zu kommen. Bei kreisfreien Städten will die Landesregierung Ausnahmen für Gera und Weimar zulassen, obwohl sie die geforderte Zahl von 100.000 nicht erreichen.

Das Verfassungsgericht gab einer Klage der CDU-Fraktion statt. Die umstrittene Gebietsreform ist ein zentrales Projekt der rot-rot-grünen Landesregierung. Das Urteil hat Auswirkungen auf den Zeitplan der geplanten kommunalen Neugliederung. Innenminister Holger Poppenhäger ( SPD ) kündigte bereits an, dass das Gesetz zur Neugliederung der Thüringer Landkreise nicht wie geplant am kommenden Dienstag im Kabinett beschlossen wird. "Wir werden uns die Urteilsgründe genau ansehen."

Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärte, dann gelte es, die Vorgaben des Verfassungsgerichts umzusetzen. Dabei gehe Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Es sei offen, ob die Kreisgebietsreform noch rechtzeitig vor den Landratswahlen im kommenden Frühsommer verabschiedet werden könne.

Festhalten will die Koalition an der finanziellen Unterstützung für Gemeindezusammenschlüsse. Die Vorsitzenden der drei Regierungsfraktionen bekräftigten, es gehe darum, möglichst rasch Rechtssicherheit für Kommunen zu schaffen, die sich zu freiwilligen Fusionen entschlossen hätten. Das nun gekippte Vorschaltgesetz hatte auch finanzielle Hilfen und prämien bei freiwilligen Gemeindefusionen festgelegt.

Grünen-Fraktionschef Dirk Adams mahnte zur Besonnenheit bei der Kreisgebietsreform. Hier habe das Gericht Vorgaben gemacht, die es nun in Ruhe zu prüfen gelte. Wichtig sei nicht, wann die Kreisgebietsreform komme, sondern, dass sie gelinge. Dagegen zeigte sich Linke-Parteivize Steffen Dittes zuversichtlich, dass auch die Kreisgebietsreform bis Ende des Jahres auf den Weg gebracht werden kann. Dies gilt als letzter möglicher Termin, da im kommenden Frühsommer in Thüringen neue Landräte und Oberbürgermeister gewählt werden. CDU-Fraktionschef Mike Mohring forderte die Regierung auf, die Gebietsreform zu stoppen. Ähnlich äußerte sich der kommunalpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Jörg Henke.

Das Urteil hat auch Auswirkungen auf die anderen dem Verfassungsgericht vorliegenden Klagen von Kreisen und Gemeinden. Diese sind nun obsolet. Die Klage der Landesregierung gegen das Volksbegehren wird den Angaben zufolge jedoch in der nächsten Woche wie geplant vor dem Verfassungsgericht verhandelt.

Entscheidung deutete sich an

Schon bei der Verhandlung vor zehn Tagen hatte sich angedeutet, dass die Richter Zweifel am Vorschaltgesetz zur Gebietsreform haben. Sie machten mit ihren Fragen klar, dass sie an der Art und Weise Anstoß nehmen, wie das Gesetz verabschiedet wurde.

Der SPD-Landesgeschäftsführer Michael Klostermann hinterfragte in diesem Zusammenhang die Neutralität des Landtagspräsidenten Christian Carius (CDU). Dieser wies den Vorwurf aber zurück: "Für das Durchpeitschen von Gesetzen ist nicht der Parlamentspräsident verantwortlich, sondern die Mehrheitsfraktionen", so Carius. Der Terminplan der Koalitionsfraktionen für die Verabschiedung des Gesetzes sei zu knapp bemessen gewesen.

Über dieses Thema berichtet MDR THÜRINGEN auch im Programm: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09.06.2017 | ab 19:00 Uhr
MDR THÜRINGEN - das Radio | Fazit | 09.06.2017 | ab 18:00 Uhr

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