45. Herbsttreffen der Medienfrauen 2023 Resolution „Gewalt gegen Frauen und insbesondere Femizide als gesellschaftliches Problem erkennen und sichtbar machen“

04. Oktober 2023, 10:24 Uhr

Wir, die Teilnehmenden des 45. Herbsttreffens der Medienfrauen von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle und ORF appellieren an die Chefredaktionen:

Gewalt gegen Frauen ist kein privates Thema. 432 Fälle von Gewalt in Partnerschaften - pro Tag: Das Bundeskriminalamt registrierte 2022 fast zehn Prozent mehr Taten als im Vorjahr. Die aktuellen Zahlen untermauern die hohe gesellschaftliche Relevanz des Themas. Wir öffentlich-rechtliche Medienfrauen wollen dazu beitragen, Gewalt gegen Frauen und Partnerschaftsgewalt in unseren Programmangeboten sichtbarer zu machen. Auch über den 25. November hinaus, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, muss das Thema in der Berichterstattung Berücksichtigung finden. Wichtig ist uns dabei auch der sensible Umgang mit Sprache und der Schutz der Journalistinnen.

Wir danken allen Kolleginnen, Stiftungen und Verbänden, die bereits Leitfäden und Empfehlungen formuliert haben.

Wir fordern:                

Die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist, muss in der Berichterstattung als (mutmaßlicher) „Femizid“ bezeichnet werden.

Begriffe wie „Beziehungstragödie“, „Eifersuchtsdrama“, „Familientragödie“, „Ehestreit“ etc. haben in der Berichterstattung nichts zu suchen, denn sie suggerieren, dass es sich um Einzelschicksale handelt und verharmlosen Gewalt. Darüber hinaus sollten folgende Begriffe in der Berichterstattung über Femizide vermieden werden: "Häusliche Gewalt“ (verharmlosend, besser: „Gewalt in engen sozialen Beziehungen“ oder „Partnerschaftsgewalt“ oder „geschlechtsspezifische Gewalt“), „Opfer“ (kann die Frau zum Objekt degradieren, besser: „Betroffene“ oder „Überlebende“).

Über Femizide muss deutlich mehr als bisher berichtet werden. Dabei muss die aktuellste Zahl der jährlichen Femizide benannt werden. Nur so kann vermittelt werden, dass es eben keine Einzelschicksale sind, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Über Femizide hinaus muss auch über weitere Formen von geschlechterbasierten Gewaltverbrechen berichtet werden. Dabei muss „Victim Blaming“ vermieden werden, also der Betroffenen eine Mitschuld zu geben.

Vor der Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen muss geprüft werden, ob eine Triggerwarnung erforderlich ist. Am Ende jeder Berichterstattung muss die Nummer des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ genannt werden: 116 016.

Jede Rundfunkanstalt muss online eine aktuelle Liste von Hilfemöglichkeiten anbieten. Sie muss barrierefrei sein und ständig aktualisiert werden (z. B. mit nora Notruf-App).

Alle an einer Produktion Beteiligten, die mit Betroffenen sprechen, müssen an einer verpflichtenden Schulung zum Umgang mit traumatisierten Personen teilnehmen.

Dadurch soll Retraumatisierung der Betroffenen und Co-Traumatisierung der Berichterstattenden vermieden werden.

Es muss ein Schutzkonzept entwickelt werden für alle, die an einer Produktion zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ arbeiten und öffentlich mit Namen genannt werden. Denn es besteht die dringende Gefahr, dass sie bedroht werden aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, wenn es um Menschenhandel und Prostitution geht oder von organisierten Männerrechtlern bei Partnerschaftsgewalt. Vorbild eines solchen Schutzkonzeptes wäre der vom DJV und anderen entwickelte Schutzkodex: https://schutzkodex.de/

Der 25. November als Tag der Gewalt gegen Frauen muss an den LRA deutlich sichtbar gemacht werden.