Interview mit Dr. Detlef Rentsch, Wellenchef von MDR FIGARO

03. April 2017, 16:24 Uhr

Herr Dr. Rentsch, ab 1. Januar heißt Ihr Programm MDR FIGARO. Doch nicht nur der Name soll sich ändern, auch das Programm wird ein neues Gesicht erhalten. Von Montag bis Freitag versprechen Sie in der Zeit zwischen 6 und 19 Uhr ein kulturelles Tagesbegleitprogramm. Was heißt das?

Das Radionutzungsverhalten hat sich in den letzten Jahren gewaltig verändert. Wir müssen zukünftig mehr denn je mit einem Hörer rechnen, der sich tagsüber nicht für längere Zeit konzentriert dem Radio zuwenden kann und dennoch über das kulturelle Geschehen in seiner Region auf dem Laufenden sein möchte.

Mit "FIGARO", den Journalen am Morgen und am Nachmittag haben wir ja schon vor Jahren ein Format kreiert, dass sich mit seiner Mischung aus aktueller Hintergrundberichterstattung, Service und Unterhaltung einem weiten Kulturbegriff verschrieben hat, nicht zu letzt auch in der Musikauswahl. Mit dieser Sendung waren wir Vorreiter in der ARD und sind beim Hörer sehr erfolgreich.

Und dieser Mix aus Musik und Informationen wird nun, in modifizierter Form auch den Hörern am Vormittag präsentiert werden. Nach der Lesezeit, die wie bisher von 9.05 Uhr bis 9.35 Uhr zu hören sein wird, senden wir bis 13 Uhr "FIGARO am Vormittag", ein Magazin mit viel Musik und Informationen.
Es wird den täglichen Hörbuch- und CD-Tipp geben, wir stellen Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt vor, werfen einen Blick auf das aktuelle Kinoprogramm und geben Hinweise zu interessanten Kultursendungen im Fernsehen. Es wird aktuelle Berichte aus Kultur, Politik und Gesellschaft geben. Dazu wie bisher ausführliche Veranstaltung- und Programmhinweise aus dem reichen und vielfältigen Kulturangebot Mitteldeutschlands. Neu sind aktuelle Wetter- und Verkehrsmeldungen jeweils zur halben Stunde. Da es immer wieder Anfragen gab, ob man das täglich um 6.45 Uhr zu hörende Kalenderblatt nicht noch einmal wiederholen könnte, haben wir uns entschlossen, das bei FIGARO am Vormittag für die Spätaufsteher unter unseren Hörern zu tun.

Wird es andere neue Sendungen geben?

Ja, von Montag bis Freitag wird es täglich ab 13.05 Uhr das einstündige Journal "FIGARO am Mittag" geben. Hier wollen wir vor allem einen Akzent im Bereich Alltagskultur setzen. Lebensart wird ein Thema sein, die Kultur des Essens und Trinkens, die besondere Biographie, das Prominentengespräch. Wir wollen hier auch die sonst weniger genutzten Pfade auf dem weiten Feld der Kultur betreten, ohne dabei unseren gewohnten Qualitätsmaßstab zu verlieren. Ziel ist es, interessante Themen aus dem Bereich der Alltagskultur intelligent und witzig aufzubereiten, nah am Hörer zu sein, ohne im Boulevard zu landen.

Dieses neue Mittagsjournal wird zwischen 13 und 14 Uhr gesendet, einer Zeit, in der bisher das Wunschkonzert zu hören war. Fällt das in Zukunft weg? Müssen Hörer ab Januar auf lieb gewonnene Sendungen verzichten?

Nein, Anspruch, Vielfalt und die regionale Ausrichtung unseres Programms werden wir selbstverständlich erhalten. Ich möchte mich ganz deutlich an die Hörer wenden, die sich im Zusammenhang mit der Namensänderung Sorgen um die Programmqualität machen: Sie müssen weder auf Lesungen, Hörspiele, Features, Essays und Konzertübertragungen verzichten. Das werden sie alles am gewohnten Platz und in der bekannten Qualität wieder finden.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang noch folgender Hinweis. Befragungen unserer Hörer haben ergeben, dass das Journal "FIGARO am Nachmittag" zu früh ausgestrahlt wird. Wir haben diese Kritik ernst genommen und beginnen mit dem Journal eine Stunde später, senden es nun von 17.05 Uhr bis 19 Uhr. Die Sendung "Tutti" wird diesem Journal vorangestellt und startet mit der bewährten Musikmischung schon um 16.05 Uhr. Und auch die Freunde des Wunschkonzerts müssen auf ihre Sendung nicht verzichten. Sie ist täglich ab 14.05 Uhr zu hören.

Ein erklärtes Ziel ist ja, mit diesen Veränderungen neue und vor allem jüngere Hörer zu gewinnen. Wird man da nicht auch die musikalische Klangfarbe ändern müssen?

Bei der Beantwortung dieser für die Akzeptanz der Welle mitentscheidenden Frage wollten wir uns nicht nur auf unser Bauchgefühl verlassen. So hatten wir Anfang des Jahres eine auf unser Programm zugeschnittene repräsentative Musikstudie in Auftrag gegeben. Deren Analyse hat ergeben, dass selbst die auf Klassik eingeschworene Hörerschaft über den Tag neben Mozart auch mal gern Louis Armstrong, die Beatles, ein Stück Filmmusik oder einen Ausschnitt aus einem Musical hören würde. Gar nicht zu reden von unseren jüngeren Hörern, die gegenüber populären Musikstücken sowieso sehr aufgeschlossen sind. Dazu kommt, dass zum musikalischen Kanon der mit ostdeutscher Sozialisation aufgewachsenen Hörer neben Bach und Bob Dylan natürlich auch die Puhdys oder Klaus Renft gehören.

Diesen Erkenntnissen tragen wir im neuen Programm insofern Rechnung, als dass zur klassischen Musik über den Tag noch konsequenter Musik dazugemischt wird, die diesen Höreranspruch erfüllt und dem Lebensgefühl unserer Zeit entspricht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese besondere Musikmischung, um die wir beneidet werden, beim Hörer gut ankommen wird.

An den Abenden und den Wochenenden wird es auch weiterhin und ohne Abstriche sowohl internationale Konzertübertragungen als auch solche aus der Region geben. Denn wir haben in unserem Sendegebiet hervorragende Klangkörper, die sich ohne unser Kulturprogramm im Radio nicht wiederfinden würden.

Bisher haben wir vor allem über das Tagesprogramm gesprochen. Wird es auch am Abend und dem Wochenende Veränderungen geben?

Ja, da kann ich den Freunden der Operette den Samstagnachmittag ab 15 Uhr empfehlen. "Operette und mehr" ist eine Sendung, in der die bekannten Moderatoren Dieter-David Scholz und Karl-Dietrich Gräwe im wöchentlichen Wechsel auf kurzweilige Art und Weise demonstrieren wollen, dass die Operette als Gattung besser ist als ihr Ruf.

Und auch unser Programm für Kinder wird sich verändern und zu den gewohnten Zeiten am Wochenende mit der neuen Sendung "Figarinos Fahrradladen" starten. Figarino ist ein kinderumschwärmter Fahrradschrauber der sich auch mit Rollerblades gut auskennt. Ein handfester Radio-Partner für die jungen Hörer von 6 bis 10, die sich weniger an einer plüschigen Figur orientieren mögen als einem solch coolen Typen aus ihrem Lebensumfeld.

Hinweisen möchte ich noch auf zwei Programmneuheiten im Montagabendprogramm. Am 5. Januar beginnen wir um 20 Uhr mit einer 26-teiligen Reihe zum Leben und Werk Gustav Mahlers des österreichischen Autors Otto Brusatti. Und nach der Wiederholung des Radiocafés - der neue Name des "alten" MDR KULTUR-Cafés - um 22 Uhr, bringt "FIGARO am Abend" ab 23.30 Uhr Balladen unterschiedlichster Musikrichtungen.

Müssen sich MDR FIGARO-Hörer auch an ein neues akustisches Erkennungszeichen gewöhnen? Oder bleibt das berühmte Motiv aus dem italienischen Konzert von Bach als Jingle erhalten?

Nach 12 Jahren ist es durchaus angebracht, auch einmal über eine neue akustische Kennung nachzudenken. Bei Johann Sebastian Bach wollten wir schon bleiben, denn dieser Komponist steht wie kein anderer für die mitteldeutsche Musiklandschaft. In seinem "wohltemperierten Klavier" haben wir ein ähnlich eingängiges Motiv gefunden, das der Welle als unverkennbare musikalische Verpackung dienlich sein wird.

Wie massenwirksam wird Ihr neues Programm sein?

Ich denke, es wird verstanden, dass wir den Ehrgeiz haben, möglichst viele und vor allem jüngere Hörer mit kulturellem Interesse an unserer neues Programm zu binden. Aber nicht um jeden Preis. FIGARO hat nichts am Hut mit den Quassel- und Berieselungswellen, die den Markt verstopfen.

Ohne elitäres Gehabe wollen wir auch zukünftig neugierig machen auf Neues und Anderes. MDR FIGARO bietet Vielfalt und, das möchte ich ausdrücklich betonen, noch mehr Platz für Reflexion, Hintergrundberichte und Service. Von einer "Entwortung" des Programms kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, der Wortanteil wird im neuen Programm höher sein.

Und selbstverständlich werden wir auch den MDR Literaturwettbewerb weiterführen, der sich in den letzten Jahren ja immer öfter als Karrieresprungbrett für Nachwuchs autoren aus der Region erwiesen hat. Wir bleiben das Kulturprogramm für Mitteldeutschland, und Kulturprogramme sind bekanntermaßen Minderheitenprogramme. Aber hinsichtlich der Hörerreichweiten sollte in unserem Sendegebiet mittelfristig schon eine Drei vor dem Komma drin sein.