Niederschläge Vb-Wetterlage, Starkregen und Hochwasser: Wie viel davon ist Klimawandel?
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17. September 2024, 09:20 Uhr
Zum Dritten Mal innerhalb von einem Jahr steigen Flusspegel in Deutschland auf kritische Höchststände. Eine extreme Häufung – verursacht vom Klimawandel? Ganz so einfach ist es nicht, sagen Forscher.
Das Hochwasser zu Weihnachten 2023 – mit den bedrohlichen Pegelständen entlang des Rheins und vielen überfluteten Feldern in Niedersachsen – haben die meisten wahrscheinlich schon vergessen. Es war ohne größere Schäden relativ glimpflich ausgegangen. Aktueller dürften noch die Erinnerungen an die überfluteten Orte in Bayern und Baden-Württemberg sein. Gerade dreieinhalb Monate ist das her. Jetzt stehen Teile von Österreich, Tschechien und Polen unter Wasser infolge einer Vb-Wetterlage. Ist diese Häufung extremer Niederschläge und Hochwasser eine Folge des Klimawandels?
Vb-Wetterlage: Nasse Luft wird wie ein Schwamm ausgepresst über Mitteleuropa
Die Antwort scheint auf den ersten Blick klar. Schließlich warnen Klimaforscher seit vielen Jahren: Die von Menschen durch Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas verursachten CO2-Emissionen erwärmen die Erdatmosphäre und das wird das Wetter extremer machen: mit längeren Dürre- und Trockenphasen einerseits, und stärkeren Niederschlägen und größeren Regenmengen andererseits. Aber lässt sich diese Aussage pauschal auf die jetzige Situation anwenden?
Vb (gesprochen Fünf-B) bezeichnet die Zugbahn eines Tiefdruckgebiets, das vom Atlantik kommend über das westliche Mittelmeer gezogen und dann in Richtung Norden abgebogen ist. Dort, über Österreich und Südostdeutschland, traf es auf von Norden kommende Kaltluft, die das Tief wie ein Schwamm ausgequetscht und zu ergiebigen Regenmengen geführt hat. Wieder einmal ist auch die Elbe in Dresden betroffen. Die Schäden in Polen sind bislang allerdings deutlich größer. Welchen Anteil hat der Klimawandel an dieser Katastrophe?
Mittelmeer: Fünf bis sechs Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt
Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Antwort kann die sogenannte Attributionsforschung noch nicht liefern. Beim Deutschen Wetterdienst haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit zum aktuellen Hochwasser gerade erst aufgenommen. Und es wird wohl etwas länger dauern als im Frühsommer, als der DWD vergleichsweise schnell errechnet hatte: Ja, die Klimaerwärmung machte ein solches Extremereignis wahrscheinlicher, und zwar etwa 1,5 Mal. "Diesmal wollen wir auch konkrete Faktoren einbeziehen, wie die jetzige Vb-Wetterlage oder die extrem hohen Temperaturen im Mittelmeer", sagt Philip Lorenz vom Deutschen Wetterdienst. Über die Ergebnisse wird MDR-Wissen berichten, sobald sie vorliegen.
Einige Besonderheiten von 2024 lassen sich allerdings jetzt schon feststellen. So beobachtet Daniela Matei vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, dass seit vergangenem Jahr die Meere und Ozeane weltweit außergewöhnlich hohe Temperaturen an der Oberfläche aufweisen. Im Atlantik gibt es gerade eine besonders starke Ausprägung des sogenannten Eastatlantic Pattern (EA). Die wiederum sei ein möglicher Antreiber für die Erwärmung des Mittelmeers. "Im Golf von Genua sehen wir gerade eine Temperaturanomalie von fünf bis sechs Grad", sagt die Meteorologin. Das sei sehr sicher einer der Gründe, die dazu geführt haben, dass die Wolken so viel Regen nach Mitteleuropa gebracht haben. "Wenn man sich diese Temperaturkurven ansieht, fällt auf, dass sie sehr ähnlich sind wie 2002, als es zum Elbehochwasser kam."
Vb-Wetterlage: Wird sie häufiger – oder seltener, aber gefährlicher?
Macht der Klimawandel diese Ereignisse nun wahrscheinlicher? Die Wissenschaft hat hier noch keinen eindeutigen Stand. Klimaforscher aus Österreich schreiben in einem kurzen Factsheet, dass die globale Erwärmung die Windmuster so verändern könnte, dass Vb-Wetterlagen (die es in früheren Perioden durchaus häufiger gab) künftig eher seltener werden könnten. Andererseits könnten sie durch die höheren Temperaturen der Atmosphäre dann aber in ihren Konsequenzen viel gravierender sein.
Daniela Matei zieht eine Parallele zur Debatte um die westatlantischen Hurrikane: Auch hier gebe es ein komplexes Wechselspiel zwischen der wärmeren Atmosphäre, dem wärmeren Meer, aber auch der gesunkenen Luftverschmutzung. Auch hier sei sich die Forschung noch uneins darüber, ob die Wirbelstürme nun häufiger werden oder seltener, aber intensiver.
Ende der Klimaemissionen: Lohnt sich so oder so
Unabhängig vom Ausgang dieser Frage in der Forschung ist allerdings klar: Die vom Menschen verursachte globale Erwärmung führt auf jeden Fall zu Schäden durch Extremwetter. Selbst wenn ein Herunterfahren aller Klimaemissionen nicht jede Vb-Wetterlage stoppt, so wird eine Begrenzung des Klimawandels zumindest an anderer Stelle die Risiken nicht weiter vergrößern.
"Wir wissen, dass verheerende Regenfälle wie diese aufgrund der durch fossile Brennstoffe verursachten Erderwärmung stärker und wahrscheinlicher sind", sagt die Klimaforscherin Frederike Otto. "Es ist klar, dass selbst hoch entwickelte Länder wie Deutschland nicht vor dem Klimawandel sicher sind. Solange die Welt Öl, Gas und Kohle verbrennt, werden starke Regenfälle und andere Wetterextreme zunehmen und das Leben auf unserem Planeten gefährlicher und teurer machen."
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 16. September 2024 | 16:00 Uhr
goffman vor 3 Wochen
@Britta.Weber:
Wir reden hier nicht von einem durch natürliche Prozesse verursachten Klimawandel (Milanković-Zyklen, Asteroiden, Sonnenaktivität, Vulkanismus, etc.). Wir reden hier über den menschgemachten Klimawandel. Und auch wenn wir die bereits verursachten Veränderungen nicht rückgängig machen sollen, so können wir doch weitere Veränderungen durch uns vermeiden, zumindest begrenzen.
Es geht nicht darum, ob wir ihn beeinflussen können. Das ist klar. Es geht auch nicht darum, wie wir ihn beeinflussen können. Auch das ist klar.
Es geht darum, wie sehr wir verpflichtet sind, weitere irreversible Veränderungen zu unterlassen. Es geht einzig darum, in welchem Umfang wir kommenden Generationen eine schlechtere Welt hinterlassen dürfen, um selbst glücklich zu sein.
copecle vor 3 Wochen
Täglich wird in Deutschland eine Fläche von ca. 25 Fußballfeldern versiegelt (Quelle: Umweltbundesamt). Ausgehend davon, dass der Urbanisierungsgrad in Deutschland seit 1990 um satte 4 Prozentpunkte (Quelle: statista) gestiegen ist, lässt sich zweifellos sagen, dass die Versiegelung die Entsiegelung deutlich übertrifft.
So wird bspw. Flüssen der Freiraum genommen, was den Oberflächenabfluss weiter verstärkt mit verheerenden Folgen für den Grundwasserspiegel. Frischluftschneisen werden zugebaut, was die Lufttemperatur- und verschmutzung in den Städten massiv ansteigen lässt. Die Auswirkungen sind definitiv katastrophal und dieses Problem betrifft nicht nur Deutschland. Insofern kann man hier definitiv einen globalen Bezug herstellen.
Vor allem aber existieren konkrete Gegenmaßnahmen für Hydrologen, Meteorologen, Geographen, Landschaftsarchitekten usw. Britta.Weber hat die eine oder andere aufgelistet. Ein großer Teil der Umweltkatastrophen ließe sich damit schon vermeiden.
Isabel vor 3 Wochen
Was ich zur nicht mehr ausbalancierten Verteilung der Niederschläge geschrieben habe, können Sie täglich in den Medien sehen, hören und lesen. Ich meine seriöse Berichterstattung und seriöse Wissenschaft. Wer sollte das heute noch leugnen können. Ich hätte nicht geglaubt, dass noch irgendjemand das anzweifeln kann. Sehen Sie nicht, was global geschieht? Wie Grundwasserpegel sinken, Ernten ausfallen, bereits Millionen Menschen ihre Ländereinen nicht mehr ordentlich bewirtschaften können, Steppen sich ausbreiten, Trockenzeiten immer länger anhalten - und auf der anderen Seite heftige meist kurze Starkregenereignisse zum Auswaschen der Böden beitragen, Boden und Humusschicht wegschwemmt, Erdrutsche verursachen - und der kurze aber heftige Regen nicht mehr von den verhärteten Böden aufgenommen werden kann? Das ist doch bekannt, dass diese extremen und zerstörerischen Wetterereignisse zunehmen. Das Wetter ist global nicht mehr ausreichend moderat und nicht mehr ausbalanciert.