27. Februar 1990: PDS veröffentlicht ihr Wahlprogramm Die PDS und ihr Programm zur Volkskammerwahl
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02. März 2020, 10:49 Uhr
Am 27. Februar 1990 präsentierte die PDS, die aus der einstigen Staatspartei SED hervorgegangen war, ihr Wahlprogramm für die Volkskammerwahl am 18. März 1990. Es stand unter dem Titel: "Demokratische Freiheiten für alle. Soziale Sicherheit für jeden". Der deutschen Einheit erteilte die PDS eine klare Absage.
Als sich am 24. Februar 1990 die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) zu einem Parteitag in Ost-Berlin versammelte, befand sie sich in einer existentiellen Krise. Sie kämpfte ums Überleben. Die einstige Staatspartei hatte in den letzten Monaten Zehntausende Mitglieder verloren und war in weiten Teilen der DDR-Bevölkerung als "gewendete SED" verhasst oder galt wenigstens als nicht glaubwürdig. Auch programmatisch stand die Partei vor einer grundlegenden Erneuerung. Und diese musste immerhin zügig vonstatten gehen, denn es stand eine Volkskammerwahl an, die erste freie Wahl in der Geschichte der sozialistischen Republik.
Erste freie Volkskammerwahl
Die Volkskammerwahl hatte ursprünglich am 6. Mai 1990 stattfinden sollen. Am 28. Januar 1990 entschied der Ministerrat der DDR aber notgedrungen, den Wahltermin auf den 18. März vorzuverlegen, weil sich die politische und wirtschaftliche Situation in der Republik so rapide verschlechtert hatte, dass viele zweifelten, ob die DDR im Mai überhaupt noch existieren würde. Eine demokratisch legitimierte Regierung war aber dringend erforderlich, um die Verhandlungen mit der Bundesrepublik über eine mögliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten führen zu können. Für den Wahlkampf selbst standen aber nur noch knapp sieben Wochen zur Verfügung.
Der PDS fehlt ein Wahlprogramm
Die PDS, die das alte Kürzel SED Anfang Februar aus ihrem Namen hatte verschwinden lassen, verfügte freilich noch immer über enorme finanzielle Mittel, einen beachtlichen Parteiapparat sowie über landesweit funktionsfähige Organisationsstrukturen, um einen Wahlkampf jederzeit mühelos führen zu können. Eines aber fehlte ihr - ein Wahlprogramm, mit dem sie bei den anstehenden Wahlen würde bestehen können. Und dieses Programm wurde auf dem Parteitag im Februar 1990 von den Delegierten verabschiedet.
"Demokratische Freiheiten für alle"
Das Wahlprogramm der PDS, das am 27. Februar 1990 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, stand unter dem Titel: "Demokratische Freiheiten für alle. Soziale Sicherheit für jeden". Die PDS positionierte sich darin als eine "sozialistische Partei auf deutschem Boden", die für den "Erhalt sozialistischer Errungenschaften" eintreten wollte. Als Ziel definierte sie eine sozial und ökologisch orientierte Marktwirtschaft. Einer raschen Vereinigung mit der Bundesrepublik erteilte die Partei eine klare Absage. Angeregt wurde allerdings die Bildung konföderativer Strukturen unter strikter Wahrung der Eigenstaatlichkeit der DDR sowie ein späterer schrittweiser Übergang zu einem neutralen und entmilitarisierten deutschen Staatenbund im Zuge der europäischen Einigung. Besonders am Herzen lag der PDS die "enge Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion und Osteuropas".
"Was soll vom Sozialismus bleiben?"
Die sozialistische Idee wollte die PDS also keineswegs auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen. Im Gegenteil: "Gescheitert ist in der DDR nicht der Sozialismus, sondern seine bürokratische und autoritäre Entstellung. Die jahrtausendealte sozialistische Idee wird bleiben und angesichts ökologischer, sozialer und zahlreicher anderer Herausforderungen aktueller denn je werden", heißt es im Wahlprogramm. Von der DDR sollte bleiben, "was die Menschen dieses Landes an positiven Werten und Leistungen hervorgebracht haben". Aufgelistet wurden unter anderem die "soziale Gerechtigkeit und Existenzsicherheit, die Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung und Kultur unabhängig vom Geldbeutel, die fortgeschrittene Gleichstellung von Frau und Mann" sowie "das Netz von Kindereinrichtungen". Auch mahnte die PDS, den "antifaschistischen Charakter der DDR" entschieden zu wahren.
Friedliche Revolution fortsetzen
Die Friedliche Revolution müsse unbedingt "zu Ende geführt werden", forderte die PDS überdies in ihrem Wahlprogramm. Dabei dürfe es aber "weder ein Abrechnen noch ein Vergessen geben. Die Beseitigung des Stalinismus in der Politik, Theorie, im Denken und Handeln wird eine komplizierte und langfristige Aufgabe sein, denn seine Wurzeln reichen tief". Die PDS jedenfalls versprach, sich ihrer Geschichte vorbehaltlos stellen zu wollen: "Wir werden die Bewältigung der Vergangenheit konsequent fortsetzen. Dort, wo Gesetze verletzt wurden, sind ohne Wenn und Aber und ohne Ansehen der Person die rechtlich notwendigen Schritte zu gehen." Grundlage dafür seien "Rechtsstaatlichkeit und Zivilisiertheit".
Einstige Einheitspartei geht in die Opposition
Bei der Volkskammerwahl am 18. März 1990 gaben schließlich immerhin noch knapp zwei Millionen DDR-Bürger der PDS ihre Stimme. Das waren insgesamt 16,4 Prozent und die neuformierte Partei zog mit 66 Abgeordneten in die neue Volkskammer ein. Die PDS verlor allerdings ihre Regierungsbeteiligung an jene Parteien, die eine schnelle Vereinigung mit der Bundesrepublik anstrebten. Nach schwierigen Verhandlungen bildete Lothar de Maizière von der Ost-CDU Mitte April 1990 eine große Koalition, der neben seiner Partei die DSU, der Demokratische Aufbruch, die SPD und die Liberalen angehörten. Die PDS war wegen ihrer Vergangenheit von der Regierungsbildung von vornherein ausgeschlossen. Die einstmals fast allmächtige Staatspartei fand sich nun auf den harten Oppositionsbänken wieder. Ihr Überleben aber war vorerst gesichert.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV in "Aktuell" 29.05.2018 | 21:45 Uhr