Attraktiver Antiquitätenschmuggel

Der Schmuggel-Renner aus der DDR in den Westen sind jedoch in den 1970er- und 1980er-Jahren Antiquitäten. Denn die boomen in der Bundesrepublik. Den Export von DDR-Antiquitäten beansprucht deshalb das Koko-Imperium von Honeckers obersten Devisenbeschaffer, Alexander Schalk-Golodkowski für sich. "1973 hat allein dieser Antiquitätenverkauf in westliche Länder der DDR 100 Millionen Westmark eingebracht", so der Sprecher der DDR-Generalstaatsanwaltschaft, Peter Przybylski. "Und das war für die DDR schon eine recht stattliche Summe."

Zollbeamte kontrollieren einen VW Käfer bei der Einreise in die DDR
Kontrolle bei der Einreise in die DDR Bildrechte: Deutsches Rundfunkarchiv

Kein Wunder, dass dieses Geschäft auch andere für sich entdecken und Antiquitäten ohne Erlaubnis auf verschlungenen Wegen in den Westen schmuggeln. Wolfgang Arlt reist dafür zunächst kreuz und quer durch die DDR, kauft Antiquitäten von DDR-Bürgern auf, um sie dann an West-Berliner Antiquitätenhändler zu verkaufen. "Dieses Geschäft hat sich auf jeden Fall gelohnt." Arlt lässt kleine Antiquitäten von DDR-Rentnern in den Westen schmuggeln. Denn die werden vom DDR-Zoll bei der Ausreise nicht so genau kontrolliert. Noch beliebter sind jedoch westdeutsche Diplomaten in Ost-Berlin, nicht nur für Antiquitäten. Denn in Ost-Berlin akkreditierte Diplomaten dürfen nicht vom DDR-Zoll kontrolliert werden. Aber auch der West-Berliner Zoll auf der anderen Seite hatte die politische Anweisung, alliierte und westdeutsche Diplomaten nicht zu kontrollieren. "Wir durften sie weder stoppen noch eine Kontrolle durchführen. Die Personen, die mit ihren Fahrzeugen einreisten, dokumentierten durch Zeigen ihres Diplomatenpasses an der geschlossenen Scheibe ihres Pkws, dass sie Diplomaten waren und sind im Schritttempo weitergefahren. Wir haben sie gewähren lassen, weil wir es so sollten", erinnert sich der West-Berliner Zöllner Mario Kleinitz.

Der Fall "Benno"

Hans-Dieter Bennühr ist in den 1970er-Jahren Diplomat in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Er ist vernarrt in Antiquitäten, die er sich auch in der DDR kauft und mit in den Westen nehmen will. "Das hielt ich aus meiner Sicht, auch nach Rücksprache mit dem Ministerium für Außenhandel der DDR, für durchaus legitim. Das machte jeder." Die DDR-Justiz sieht das jedoch anders. "Nein, das war nicht erlaubt. Das war ein Monopol des Staates", bekräftigt der damalige Sprecher der DDR-Generalstaatsanwaltschaft, Peter Przybylski. Die Staatssicherheit der DDR macht aus dem Verhalten von Bennühr den Fall "Benno". Der westdeutsche Diplomat soll mit Schmuggel-Vorwürfen kompromittiert und dann zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit gezwungen werden. "Sie haben einen Schwachpunkt gesucht, nämlich meine Leidenschaft für alte Möbel. Sie haben provoziert. Und ich bin im Grunde genommen darauf reingefallen", meint der westdeutsche Diplomat heute. Diese unter der Decke gehaltene politische Affäre endet damit, dass Bennühr die DDR verlassen muss und seine Antiquitäten vom DDR-Zoll beschlagnahmt werden.

Schmuggler räumen ein Museum aus

Werner Hildebrandt
Der Museumsräuber Werner Hildebrandt Ende der 1970er Jahre Bildrechte: MDR/Andreas Wolter

Auch Werner Hildebrandt lässt von zwei Komplizen Antiquitäten aus der DDR schmuggeln, allerdings gestohlene. Hildebrandt stammt selbst aus der DDR, saß dort in Haft wegen versuchter Republikflucht, wurde von der Bundesrepublik freigekauft und will sich nun an der DDR rächen. Zwei Komplizen brechen für ihn im Museum Lübbenau ein und stehlen dort Meißner Porzellan. Dieses Porzellan gehört Hildebrandts Ansicht zufolge nicht der DDR. Sie sei an die wertvollen Stücke zu Unrecht durch Enteignung gekommen. Als Schmuggelweg nutzen Hildebrandts Komplizen die Transitstrecke zwischen West-Berlin und dem Bundesgebiet. Einer der Komplizen reist von West-Berlin aus als Transitreisender in die DDR ein, übernimmt unterwegs das gestohlene Porzellan und reist dann wieder ohne Kontrolle des DDR-Zolls ins Bundesgebiet aus. Ein Trick, den laut DDR-Zollausbilder Manfred Suwalski viele Schmuggler nutzen. Denn: "Im Transitabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik war geregelt, dass dieser Reiseverkehr nur einer passmeldigen Abfertigung unterlegen hat. Mehr erfolgte nicht. Der DDR-Zoll hatte also keine Berechtigung, diese Personen zu kontrollieren oder Fahrzeuge zu öffnen." Später wurden die Transitwege vom Zoll, Volkspolizei und der Staatssicherheit allerdings überwacht.

Staatlicher Alkoholschmuggel

Die DDR bekämpft mit allen Mitteln den Schmuggel zwischen Ost und West sowie West und Ost. Neue Gesetze werden erlassen, die Strafen verschärft. Doch auch die DDR entdeckt die Transitstrecke als Schmuggelweg. Hochprozentiger Alkohol wird in Polen und Ungarn für wenig Geld eingekauft. Dann werden westdeutsche Brummifahrer angesprochen, die mit leeren Lkw von West-Berlin zurück ins Bundesgebiet fahren. Ihre verplombten Fahrzeuge werden geöffnet, mit Alkohol-Fässern beladen und wieder verplombt. Dann schmuggeln die Lkw-Fahrer den unversteuerten Alkohol am westdeutschen Zoll vorbei ins Bundesgebiet. Dort wird der billige Alkohol aus dem Osten schließlich schwarz an Spirituosenfabriken verkauft. Der Kölner Zollfahnder Franz Wolf kommt diesem Schmuggel auf die Schliche. Für ihn ist klar, dass nur staatliche Stellen in der DDR die Drahtzieher sein können. "Es wurde von den Fahrern oft von dem Schalk gesprochen. Tja, wer hat den Schalck hinter den Ohren?"