Neuseenland Cospudener See: Leipzigs Küste

04. April 2022, 20:14 Uhr

Bis 1990 fraßen sich Abraumbagger in die Landschaft, um an die Kohle unter dem einstigen Dorf Cospuden heranzukommen. Seit 2000 befindet sich dort eines der beliebtesten Naherholungsgebiete der Leipziger.

"Cospuden erinnert mich immer an die Geschichte vom hässlichen Entlein. Man hat so einen Wandel hier nie für möglich gehalten", sagt Christian Conrad, Geschäftsführer der "Leipzigseen GmbH". Conrad steht am sogenannten Pier 1, dem Hafen des Cospudener Sees. In den Cafés sitzen vergnügte Gäste, am Strand spielen Kinder und weit draußen ziehen weiße Segelboote durchs tiefblaue Wasser. "Größer kann ein Wandel eigentlich gar nicht sein", resümiert Conrad – von einer geschundenen Tagebaulandschaft zu einem Erholungsgebiet, dem "nichts Industrielles" mehr anhaftet.

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Tagebau Cospuden

Es ist noch gar nicht so lange her, da fraßen sich hier, kaum sechs Kilometer vom Leipziger Stadtzentrum entfernt, riesige Abraumbagger in die Landschaft, um an Braunkohle heranzukommen. Die Gegend erinnerte an eine Mondlandschaft: ein gewaltiger, 60 Meter tiefer Krater, über dem dunkle, schwere Staubwolken hingen. Kein Baum weit und breit, kein Strauch. 1981 war der Tagebau Cospuden eröffnet worden. Die Dörfer Cospuden, Prödel und Lauer hatten bereits Jahre zuvor weichen müssen und ihre Bewohner waren in Leipziger Plattenbauten umgesiedelt worden. Die Förderleistung des Tagebaus hielt sich in Grenzen. Doch die Volkswirtschaft der DDR brauchte, nachdem die UdSSR ihre Erdöllieferungen drastisch reduziert hatte, jede Tonne Kohle. Koste es, was es wolle.

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"Stoppt Cospuden!"

Bereits in den 1980er-Jahren war geplant, nach dem Ende des Braunkohlenabbaus den Tagebau als Naherholungsgebiet auszubauen. Wann das sein würde, wusste freilich keiner genau zu sagen. Schließlich galt es, auch noch den letzten Rest Kohle aus der Erde zu klauben. So lange wollten die Umweltaktivisten allerdings nicht warten. Im Januar 1990 gründeten sie eine Bürgerinitiative, die ein sofortiges Ende des Braunkohlenabbaus forderte. Im März desselben Jahres organisierten sie einen Sternmarsch zum Tagebau. Mehr als 20.000 Menschen nahmen daran teil. Auf ihren Plakaten stand: "Stoppt Cospuden!". Und die Forderung der Demonstranten wurde tatsächlich erfüllt. Kaum einen Monat später, am 20. April 1990, wurde der Regelbetrieb im Tagebau Cospuden für immer eingestellt.

"Costa Cospuda"

Nach dem Abbau der Großgeräte und den notwendigen Sicherungsmaßnahmen begann 1995 die Flutung des Tagebaus. Riesige Rohrleitungen förderten fünf Jahre lang Wasser von anderen, noch in Betrieb befindlichen Tagebauen der Region nach Cospuden, denn ein "natürliches" Anfüllen des 4,4 Quadratkilometer großen Tagebaurestlochs mit Regen- und Grundwasser hätte etwa 30 Jahre gedauert. So war Anfang 2000 der Krater bereits bis zum Rand vollgelaufen und das Erholungsgebiet Cospuden konnte planmäßig im Rahmen der "Expo 2000" am 1. Juli 2000 eröffnet werden.

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Am Pier 1 der "Costa Cospuda" gibt es seither Cafés, Ferienwohnungen, eine Sauna, Tauchschulen. Im Hafen schaukeln rund 300 Segelboote. Gleich nebenan breitet sich Sachsens längster Sandstrand aus – 70 Meter breit und einen Kilometer lang. Und schon bald soll ein Kanal den Cospudener See mit der Leipziger Innenstadt verbinden. Mit kleinen Booten kann man dann vom Zentrum aus an Leipzigs Küste schippern.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV: Sagenhaft - Das Mitteldeutsche Seenland | 28.04.2019 | 20:15 Uhr

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