Mordmotiv: Wohnung

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Russische Wohnhäuser
Heiß begehrte Wohnungen in St. Petersburg. Bildrechte: MDR/Juliane Jaschnow

Rentner und Menschen, die allein leben und nicht sofort vermisst werden, sind besonders gefährdet. Je älter ein Mensch und je besser die Lage seiner Wohnung, umso größer ist die Gefahr, als Opfer von Erbschleicherei eines plötzlichen und unnatürlichen Todes zu sterben. Dieses Schicksal traf auch Tamara Khokhrjakowa, eine 63-jährige Rentnerin aus Moskau.

Nach einem Spaziergang mit ihrem Hund am 7. Juli 2014 wurde die Frau in ihrem Hausflur von zwei Unbekannten überwältigt. Ohne ein Wort zu sagen, verpassten sie ihr eine Spritze mit tödlicher Substanz. Eine Videokamera hielt fest, wie sich zwei junge Männer anschließend schnellen Schrittes vom Haus entfernten. Tamara Khokhrjakowa schaffte es noch, sich bis zur Wohnung der Nachbarin zu schleppen und ihr von der Tat zu berichten. Diese rief den Krankenwagen, doch die Frau verstarb wenige Minuten bevor die Ärzte eintrafen.

Die Moskauerin hatte nach dem Tod ihres Mannes anderthalb Jahre allein in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung in der 4. Sokolnitsheskaya Straße gelebt. Ihr erwachsener Sohn besuchte sie nur selten, was wohl der Grund dafür gewesen sein wird, dass die Rentnerin mit einem entfernten Verwandten einen Vertrag über eine sogenannte Leibrente abschloss. In einem solchen Vertrag wird vereinbart, dass eine Person einer anderen finanzielle Unterstützung leistet - etwa durch regelmäßige Monatszahlungen oder im Sterbefall durch eine Übernahme der Beerdigungskosten - ihr somit also ein würdiges Leben im Alter sichert. Im Gegenzug steht dieser Person nach dem Tod der anderen ein bestimmter Besitz zu, im Falle von Tamara Khokhrjakowa das Wohneigentum. Der Verwandte hatte offenbar beschlossen, die Erbschaft, die sich auf stolze 10 Millionen Rubel belief, zu "beschleunigen". Er beauftragte zwei Killer, um die Rentnerin zu ermorden. Auf ihrer Beerdigung wurde er dann allerdings von der Polizei festgenommen, auch die Auftragskiller wurden schnell gefasst.

Kriminelle Immobilienmakler

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Selbst heruntergekommene Plattenbauwohnungen stehen hoch im Kurs. Bildrechte: MDR/Juliane Jaschnow

Verbreiteter und organisierter ist das Vorgehen krimineller Immobilienmakler. Diese suchen die Bekanntschaft mit alleinstehenden Rentnern, Menschen aus sozialschwachen Gesellschaftsschichten. Eine Masche ist es, sich als hilfsbereiter Bürger auszugeben, um mit den gutgläubigen Menschen anschließend einen Vertrag über eine sogenannte soziale Rente abzuschließen. Im Unterschied zur Leibrente ist der potenzielle Erbe hierbei verpflichtet, bestimmte soziale Dienstleistungen zu erbringen, worunter je nach Vereinbarung verschiedene Pflegeleistungen, Arzt- und Behördenbesuche oder beispielsweise Einkäufe fallen. Wenn der Deal unterzeichnet ist, werden die Menschen dann alsbald aus dem Weg geräumt – meist so, dass eine unnatürliche Todesursache auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Die Täter kennen die Krankheitsgeschichte ihrer Opfer oft gut und wissen, welches Mittel tödlich sein kann. So kann eine Überdosis Insulin bereits ausreichen, um einen Diabeteskranken umzubringen.

Eine kriminelle Bande, die 2013 in der Nähe von Moskau gefasst wurde, ging besonders brutal vor. Mit Hilfe von Entführungen und Erpressung verschaffte sie sich die nötigen Erbschaftsunterlagen für ihre illegalen Immobiliengeschäfte. Unter verschiedenen Vorwänden, teils sogar unter Gewaltanwendung, brachten sie ihre Opfer zunächst in ein Haus außerhalb Moskaus. So erging es auch einem 76-jährigen Rentner im Oktober 2013, als er unweit seiner Wohnung auf dem Lenin-Prospekt von drei Menschen angehalten wurde. Einer von ihnen hielt ihm einen Polizeiausweis vor und bat ihn für eine Überprüfung mit auf die nächste Wache zu kommen. Mit dem Auto wurde er dann bis in eine Siedlung hinter Moskau gefahren und dort festgehalten. Die Kriminellen begannen psychologischen Druck auf den Mann auszuüben. Sie erinnerten ihn daran, dass er ein alter einsamer Mann wäre und ihn sowieso niemand suchen würde. Mit Hilfe von Drohungen, Beleidigungen und Schlägen zwangen sie den Rentner ihnen eine Vollmacht auszustellen, die sie berechtigen sollte, die Wohnung nach dem Tod des Mannes weiterzuverkaufen.