Polen Am Pranger: Polen stellt Register von früheren Sexualstraftätern online

08. Januar 2018, 17:12 Uhr

Seit Jahresbeginn können im Internet die Daten früherer polnischer Sexualstraftäter abgerufen werden. Nicht nur Foto und Name der betroffenen Personen sind öffentlich, sondern auch der aktuelle Wohnort. Bei der polnischen Helsinki-Stiftung für Menschenrechte (HFHR) stößt das auf scharfe Kritik. Das Berliner Justizministerium hält ein solches Modell für Deutschland unvorstellbar.

Das polnische Online-Register mit Daten früherer Sexualstraftäter stößt bei der Warschauer Helsinki-Stiftung für Menschenrechte (HFHR) auf scharfe Kritik. HFHR-Vertreter Piotr Kladoczny sagte dem MDR, die Veröffentlichung werde nicht - wie vom polnischen Justizministerium versprochen - für mehr Sicherheit sorgen, sondern zur Stigmatisierung der früheren Straftäter führen. Zu befürchten sei auch, dass erfolgreiche Therapien von betroffenen Personen aufs Spiel gesetzt würden. Auch werde das Register Folgen für die Opfer haben, ist sich Kladoczny sicher. Auf Anfrage von "Heute im Osten" sagte er, dass laut Studien in 90 Prozent der Fälle die Sexualstraftäter aus dem unmittelbaren Umfeld der Kinder kämen.

Berliner Ministerium schließt Register für Deutschland aus

Das polnische Justizministerium hatte zu Jahresbeginn ein Register mit Namen und Fotos von rund 770 verurteilten Sexualstraftätern online gestellt. Einsehbar ist auch, in welchem Jahr sie verurteilt wurden und welche Haftstrafe sie verbüßt haben. Ein Teil der früheren Täter hat seine Strafe längst abgesessen, ein Teil sitzt noch in Haft. Ähnliche öffentliche Register führen die USA. Für Deutschland sei ein solches Modell ausgeschlossen, sagte ein Sprecher des Berliner Justizministeriums auf MDR-Anfrage. "Die Information der Allgemeinheit über die Entlassung eines Sexualstraftäters aus der Haft käme in ihrer Wirkung einer 'Prangersanktion' gleich und würde zu Ausgrenzung, Isolierung und Stigmatisierung der Haftentlassenen führen", so der Sprecher. Den Schritt der Polen wolle er nicht kommentieren.

Screenshot der Datenbank mit früheren polnischen Sexualstraftätern
Screenshot aus dem polnischen Registers mit Namen, Geburtsorten, Aufenthaltsorten und Fotos der Sexualverbrecher sowie Informationen über die von ihnen begangenen Taten. Bildrechte: Polnisches Justizministerium

Justizminister pocht auf ständige Kontrolle

Vom polnischen Justizministerium hieß es, das Register enthalte Daten der gefährlichsten Sexualverbrecher im Land. Darunter seien vor allem Pädophile, die Kinder unter dem 15. Lebensjahr missbraucht hätten, sowie besonders brutale Vergewaltiger. Justizminister Zbigniew Ziobro argumentierte, das Recht auf den Schutz der Kinder stünde über der Anonymität von Verbrechern. Nach Verlassen des Gefängnisses müsse der Kriminelle unter ständiger Kontrolle sein. Auch müsse jeder wissen, wer sein Nachbar sei, erklärte Ziobro.

Meldeadressen angegeben

Im öffentlichen Register ist in einigen Fällen auch der Aufenthaltsort der betroffenen Person angegeben. Straße und Hausnummer sind in einem erweiterten Register einzusehen, auf das nur bestimmte Institutionen und Behörden Zugriff haben. Diese Online-Datenbank soll rund 2.600 frühere Sexualtäter enthalten, die unter anderem wegen Kinderpornografie verurteilt wurden.

Parlament hatte Register 2016 gebilligt

Das Register war bereits Mitte Mai 2016 vom Parlament verabschiedet worden, ein knappes halbes Jahr nachdem die PiS-Partei die absolute Mehrheit im Sejm errungen hatte. Dass das Register erst jetzt online geht, liegt an einer Einspruchsfrist. So konnten die früheren Straftäter gegen die Aufnahme in die Datenbank gerichtlich vorgehen. Wie viele die Möglichkeit in Anspruch genommen haben, ist unbekannt.

Schuldirektoren müssen Bewerber überprüfen

Zudem sind laut Justizministerium künftig Schuldirektoren verpflichtet, ihr Personal vor der Einstellung mithilfe der Datenbank zu überprüfen. Geschehe dies nicht, drohten ihnen eine Haftstrafe oder eine Geldstrafe von umgerechnet mindestens 250 Euro.

Zwangskastration für Sexualstraftäter

Härtere Strafen für Sexualdelikte, Inzest oder Pädophilie: Das sind Themen, mit denen polnische Politiker - ganz gleich welcher politischer Coleur - immer wieder zu punkten versuchen. 2009 hatte der damalige Ministerpräsident und heutige Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, auf eine drastische Verschärfung der Strafen gedrängt.

Im Oktober 2009 billigte das damalige Parlament in Warschau eine Zwangskastration für polnische Sexualstraftäter, die Minderjährige missbraucht hatten. Eine Recherche des polnischen Nachrichtenmagazins "Polityka" ergab 2013, dass das Gesetz zwar mit viel Getöse verabschiedet worden war, im Anschluss aber kaum angewendet wurde.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Hörfunk | 03.01.2018 | 18:00 Uhr