EuGH-Urteil EU-Staaten müssen Homo-Ehe anerkennen

05. Juni 2018, 14:24 Uhr

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Präzedenzfall entschieden, dass EU-Staaten im Ausland geschlossene Homo-Ehen teilweise anerkennen müssen, auch wenn sie im Land selbst nicht erlaubt sind. Geklagt hatte ein Rumäne, dessen Ehegatte kein Aufenthaltsrecht in dem Land bekommen hatte.

Der 46-jährige Rumäne Adrian Coman und sein Ehemann Robert Clabourn Hamilton hatten dagegen geklagt, dass die rumänischen Behörden ihnen gegenüber "Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung" betrieben hätten. Als Grund führten sie die Weigerung der Behörden an, Clabourn ein Aufenthaltsrecht in Rumänien zu gewähren.

EU-Grundrechte schlagen nationales Recht

Hamilton ist gebürtiger US-Amerikaner, Coman Rumäne. Geheiratet hatten beide 2010 in Brüssel. Nach seiner Rückkehr nach Rumänien beantragte Coman ein Aufenthaltsrecht für seinen Ehegatten, was diesem nach geltendem EU-Recht zusteht. Die Behörden wiesen dies jedoch mit der Begründung ab, dass das Land Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern nicht anerkenne.

Das hat der EuGH nun für rechtswidrig erklärt. Das Vorgehen beschränke die "Ausübung des Rechts dieses Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten", die so genannte EU Freizügigkeit. Außerdem sei der Begriff des "Ehegatten", dem die Freizügigkeit in der gesamten EU zusteht, geschlechtsneutral und gelte auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren.

Nach der Entscheidung sagte der Kläger Adrian Coman bei einer Pressekonferenz in Bukarest: "Ich habe mir jahrelang diesen Moment herbeigesehnt. Nun kann ich vor jeden Beamten in der EU treten und weiß, dass meine gleichgeschlechtliche Ehe als Familie anerkannt ist."

Präzedenzurteil mit Einschränkungen

Das Urteil könnte zum Präzedenzfall für weitere Klagen innerhalb der EU werden. Denn die Richter stellen in ihrer Urteilsbegründung ebenfalls heraus, dass die in der EU-Grundrechtecharta festgelegten Rechte der Unionsbürger - wie die Freizügigkeit - nicht durch nationales Recht beschränkt werden dürfen.

Dieser Grundsatz bedeutet im Bezug auf die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern: Alle Mitgliedsstaaten müssen im Ausland geschlossene gleichgeschlechtiche Ehen bei EU-Grundrechten wie der Freizügigkeit rechtlich genauso behandeln wie heterosexuelle Ehen. Das gilt unahängig davon, ob gleichgeschlechliche Ehen in den jeweiligen Land erlaubt sind oder nicht.

Erleichterte Reaktionen auf Urteil

Das Urteil bedeutet jedoch keine Pflicht der EU-Mitgliedsstaaten, die Homo-Ehe grundsätzlich anzuerkennen, erklärte das Gericht. Den Ländern stehe es weiterhin frei, "die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts zu erlauben oder nicht zu erlauben". Aktuell gibt es sechs EU-Länder, die gleichgeschlechtlichen Paaren kein Recht auf Eheschließung einräumen: Neben Rumänien sind das Bulgarien, Polen, die Slowakei, Litauen und Lettland.

Die rumänische LGTB-Organisation "Accept" erklärte, dieser Tag sei heute nicht nur für die rumänische LGBT-Gemeinschaft historisch, sondern auch für die Gemeinschaft aller sechs osteuropäischen Länder, die bislang weder die eingetragene Partnerschaft noch die Ehe für alle haben. Die Gesellschaft in diesen Ländern würde durch das EuGH-Urteil in Richtung Normalität geführt.

Weitere Klagen könnten folgen

Die LGTB-Organisation "Accept" hofft nun, dass das Parlament aber auch die Eingetragene Partnerschaft in Rumänien einführt. Über diese wird es seit zehn Jahren ergebnislos diskutiert. Geschieht das nicht, will die NGO eine entsprechende Entscheidung auf dem Rechtsweg einklagen, sagte die Accept-Vizechefin Romanita Iordache dem MDR.

Ihre Organisation akzeptiere die "absurde Situation" nicht, dass nun im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Rumänien anerkannt werden müssen, während homosexuelle Menschen in Rumänien keine staatlich anerkannte Partnerschaft eingehen können.

Erklärung: Die EU-Freizügigkeit Die EU-Freizügigkeit ist ein in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerter Grundsatz. EU-Bürgern steht es demnach zu, in einem anderen EU-Land ohne besondere Erlaubnis zu wohnen, zu arbeiten oder zu studieren. Diese Rechte gelten weitgehend auch für Ehegatten von EU-Bürgern, selbst wenn diese aus einem Nicht-EU-Land stammen.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Hörfunk | 05.06.2018 | ab 10:00 Uhr

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Geschichte

Eduard Stapel
Eduard Stapel war einer der Begründer des ersten Arbeitskreises Homosexualität in Leipzig 1982. In den folgenden Jahren setzte er sich DDR-weit für weitere solche Arbeitsgruppe ein und koordinierte die Homosexuellenbewegung des Ostens. Er ist Mitbegründer des heutigen LSVD. Bildrechte: MDR/Hoferichter & Jacobs