Stand November 2018 Regierungschef Babiš erneut wegen Storchennest-Affäre unter Druck

07. Juni 2019, 16:46 Uhr

Mitte November 2018 haben in Prag rund 20.000 Menschen gegen den unter Betrugsverdacht stehenden tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš demonstriert. Sie forderten den Rücktritt des Milliardärs. Es geht um möglichen Subventionsbetrug in Milliardenhöhe, den Babiš in seinem ersten Leben als Unternehmer begangen haben soll. Nun wirft ihm sein Sohn außerdem noch eine Entführung vor. Ein Misstrauensvotum des Parlaments gegen Babiš hat er nun überstanden. Er wird vorerst im Amt bleiben.

Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln seit längerem gegen Babiš. Dabei geht es um möglichen Subventionsbetrug beim Bau des Wellnes-Zentrums "Storchennest" 50 Kilometer südlich von Prag. Die Wellnessoase wurde mit EU-Subventionen errichtet, die ausschließlich für kleine und mittlere Unternehmen bestimmt waren. Hinter dem "Storchennest" stand aber in der Vergangenheit keine mittelständische Firma, sondern der Agrofert-Konzern des mehrfachen Milliardärs Babiš, der vor seinem Wechsel in die Politik ein erfolgreicher Unternehmer war und als einer der reichsten Männer Tschechiens gilt.

Betrugsvorwürfe gegen Regierungschef

Um den Betrug zu ermöglichen, soll Babiš die Tochterfirma "Storchennest" aus seinem Konzern herausgelöst und an Angehörige übertragen haben, damit sie als kleines, subventionsfähiges Unternehmen durchgeht. Medienberichten zufolge soll Babiš seine Mitarbeiter und Angehörigen aktiv dazu angestiftet und die nötigen Schritte koordiniert haben. Nach Ablauf der vorgeschriebenen Fristen wurde die Wellnessoase wieder Teil des Agrofert-Konzerns. Babiš selbst bestreitet bislang jegliche Betrugsabsichten.

Das Luxus-Wellnesshotel Storchennest des tschechischen Milliardärs Andrej Babis.
Beim Bau des Luxushotels Storchennest soll Babišs Umfeld zu Unrecht EU-Subventionen kassiert haben. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

War Babišs Sohn ein unbequemer Zeuge?

Diese so genannte "Storchennest-Affäre" hat schon mehrfach zu Massenprotesten im ganzen Land geführt. Die jüngste Protestwelle wurde von einer Reportage des Onlineportals "Seznam Zprávy" ausgelöst. Darin erzählte Babišs Sohn, gegen den in der Causa Storchennest ebenfalls ermittelt wird, dass er gegen seinen Willen auf die von Russland annektierte Krim gebracht worden sei. Auf diese Weise habe sein Vater ihn dem Zugriff der tschechischen Ermittler entziehen wollen. Gleichzeitig räumte er ein, einige Unterlagen zur Wellnessoase "Storchennest" unterschrieben zu haben – er habe aber nicht gewusst, was darin stehe.

... oder ist er psychisch krank?

Babiš Senior bestreitet die Vorwürfe und verweist auf die psychische Krankheit seines Sohnes, der unter Schizophrenie leiden soll. Sein Sohn sei zwar auf der Krim gewesen sei, aber freiwillig, hob der Ministerpräsident hervor. Rücktrittsforderungen wies er entschieden zurück. "Ich werde niemals zurücktreten, niemals! Das sollen sich alle merken", sagte er. Er sieht dahinter eine gezielte Kampagne, die ihn des Amtes entheben soll und sprach von einem Putsch mit Geheimdienstmethoden. Dafür soll die Veröffentlichung während seiner Auslandsreise sprechen und die Ausstattung der Journalisten mit einer versteckten Kamera.

Rücktritt gefordert

Babišs Rücktritt ist die zentrale Forderung der Demonstranten, die Mitte November auf die Straße gegangen waren. Auch die Oberkammer des tschechischen Parlaments fasste einen Entschluss, der Babiš zum Rücktritt auffordert: Es sei mit Blick auf die neuen Anschuldigungen inakzeptabel, dass Ministerpräsident Andrej Babiš im Amt bleibe, solange die Ermittlungen zum Fall "Storchennest" nicht abgeschlossen seien. Dafür hatten 59 der 73 anwesenden Senatoren gestimmt, darunter auch die Senatoren der mitregierenden sozialdemokratischen Partei ČSSD.

Auch die sechs Oppositionsparteien haben sich nun den Rücktrittsforderungen angeschlossen und die Misstrauensabstimmung im Parlament initiiert. Der Multimilliardär hat diese allerdings wie erwartet überstanden. Bei der Entscheidung am Freitagnachmittag stimmten 92 Abgeordnete für das Absetzen des Kabinetts. Erforderlich waren 101 Stimmen im 200-köpfigen Unterhaus. Das Bündnis aus liberal-populistischer ANO und sozialdemokratischer CSSD regiert erst seit Ende Juni.

Mischung aus Trump und Berlusconi

In seiner Heimat gilt Babiš als eine Mischung aus Donald Trump und Silvio Berlusconi. Seinen Wahlkampf hatte er unter die Losung "Unternehmer regieren besser" gestellt und versprochen, die Staatsgeschäfte wie in einem Unternehmen zu führen. Er sagte unter anderem: "Sprechen wir über Michael Bloomberg. Er war der erfolgreichste Bürgermeister von New York. Donald Trump. Unglaublich. Macron, der beliebteste französische Politiker, ist Banker. Überall in Europa kommen die Leute aus der wirklichen Welt. Nicht welche, die nach der Hochschule Politiker wurden und sprechen, sprechen, sprechen."

Engangements auch in Ostdeutschland

2011 gründete Babiš die populistische Protestbewegung ANO. Davor war er jahrelang als Unternehmer tätig. Sein Vermögen hatte er nach dem Niedergang des Kommunismus in der Chemie- und Lebensmittelindustrie gemacht. Seit 2006 ist der von ihm gegründete Agrofert-Konzern auch in Ostdeutschland aktiv – als Eigentümer der Stickstoffwerke Piesteritz. Seit dem Amtantritt von Babiš als Regierungschef wird sein Konzern allerdings treuhänderisch verwaltet. (baz)

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Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Fernsehen: MDR aktuell | 16.11. und 23.11.2018 | 17:45 Uhr