Missbrauchsdebatte Bergmann: Noch viele Opfer rufen nach Gehör

03. Juni 2011, 16:19 Uhr

Seit der Vorstellung des Missbrauchsberichts der Bundesregierung Ende Mai haben sich noch einmal zahlreiche Opfer gemeldet. Die Beauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, sagte auf dem Kirchentag in Dresden, allein am Tag nach der Veröffentlichung hätten 850 Menschen telefonischen Kontakt mit der Anlaufstelle gesucht. Die bisherige Aufklärungsarbeit reiche noch nicht, erklärte die ehemalige Bundesfamilienministerin auf dem Forum, bei dem sie ihre Ergebnisse den 1.200 Zuschauern vorstellte. Auch die teilnehmenden Wissenschaftler und Therapeuten waren sich einig, dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs noch lange nicht abgeschlossen ist.

Jeder sechste Missbrauchsfall in kirchlichem Umfeld

Bergmann zufolge ist eine Reform des Opferschutzgesetzes notwendig. Sie wiederholte noch einmal ihren Vorschlag freiwilliger Entschädigungszahlungen durch die verantwortlichen Institutionen. Deren Höhe von 1.500 bis 50.000 Euro orientiere sich am Schmerzensgeldanspruch, der zum Tatzeitpunkt zu erzielen gewesen wäre. Zugleich sprach sich die SPD-Politikerin erneut für den Ausbau der Beratung und Therapiemöglichkeiten für die Opfer aus sowie für den Fortbestand der unabhängigen Stelle für Betroffene über den Oktober hinaus. Sie soll nach Ansicht Bergmanns künftig auch Umsetzung der Empfehlungen kontrollieren. Die Anlaufstelle hatte im vergangenen Jahr rund 15.000 Briefe und Anrufe von Opfern erhalten. Rund ein Drittel der Anrufe betraf Missbrauchsfälle in Institutionen. Davon kamen 44 Prozent in der katholischen und 14 Prozent in der evangelischen Kirche vor.

Das Verschweigen, Vertuschen, Verleugnen der Taten hat das Unrecht vervielfacht.

Christine Bergmann

Gleiches Recht für DDR-Heimkinder

Die Missbrauchsbeauftragte rief in Dresden auch dazu auf, das Schicksal der DDR-Heimkinder aufzuarbeiten und sie in die Entschädigungsregelungen einzubeziehen. Es müsse eine Gleichbehandlung mit den westlichen Heimkindern geben. In der DDR habe es neben den berüchtigten Jugendwerkhöfen für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche 470 Heime gegeben, erklärte Bergmann. Dort sei noch viel aufzuarbeiten. Vor allem brauche es Anlaufstellen für die Opfer. Diese sind nach Ansicht der SPD-Politikerin bisher immer noch nicht richtig zu Wort gekommen. Sie plädierte deshalb dafür, den Missbrauch in DDR-Heimen noch einmal gesondert aufzuarbeiten. Der Runde Tisch Heimerziehung hatte Ende 2010 die Einrichtung eines Fonds mit einem Volumen von 120 Millionen Euro für westdeutsche Heimkinder empfohlen.