Alte Grabsteine auf dem Neuen Jüdischen Friedhof Erfurt
Verwachsene Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert – zu entdecken auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Erfurt Bildrechte: imago/Karina Hessland

Kulturorte Erfurt: Das sind die sehenswertesten Friedhöfe der Stadt

24. November 2023, 17:31 Uhr

Ein Gang über den Friedhof ist oft auch ein Gang durch die Geschichte: In Erfurt erzählt der Neue Jüdische Friedhof von jahrhundertealten Traditionen des Judentums, auf dem Hauptfriedhof liegen Gräber von berühmten Persönlichkeiten der Stadt und in Neudietendorf führen Spuren in die Vergangenheit der Herrnhuter Brüdergemeine. Diese vier Ruhestätten in Erfurt und Umgebung empfehlen wir für einen Spaziergang im Herbst.

Erfurter Hauptfriedhof: Geschichte berühmter Politiker, Komponisten und Philosophen

Ein Ort der Trauer, der Begegnung und der Kunst – wer den Erfurter Hauptfriedhof besucht, kann einen wichtigen Teil des kulturellen Lebens der Stadt entdecken. Mit seiner über 100-jährigen Geschichte ist dieser Friedhof wie ein riesiger Skulpturenpark, mit Grabmalen aus verschiedenen Epochen der Bildhauerkunst.

Historisches Grabmal auf dem Hauptfriedhof Erfurt
Historische Grabmale aus mehr als 100 Jahren Geschichte: Der Hauptfriedhof Erfurt lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Das Gelände liegt im Westen Erfurts und ist mit fast 60 Hektar eine sehr weitläufige Parkanlage. Verschiedene Baumarten säumen die langen Alleen und dazwischen sind überall Eichhörnchen zu entdecken. Für die Parkgestaltung des Hauptfriedhofs gab es 1913 sogar einen deutschlandweiten Ideenwettbewerb unter Gartenarchitekten – 1916 wurde Erfurts größter Friedhof offiziell eröffnet.

Zu den bekanntesten Grabmalen gehört eine expressionistische Kuppel aus Basaltlava. Der Bildhauer Hans Walther hat sie 1920/21 für den Gärtner Carl Schmidt geschaffen. Von Walther existieren noch zahlreiche weitere Skulpturen – darunter eine Frauengestalt, die sein eigenes Grab schmückt. Andere expressionistische Grabmale stammen von Hermann Neu, Joseph Pinta oder Werner Hartmann. Insgesamt gibt es auf dem Erfurter Hauptfriedhof 135 Steine und Grabanlagen sowie fünf kunstvolle Brunnen, die unter Denkmalschutz stehen.

Grabmal mit Kuppel aus Basalt-Bögen
Das expressionistische Grabmal auf dem Erfurter Hauptfriedhof wurde für den Gärtner Carl Schmidt geschaffen. Bildrechte: Stadtverwaltung Erfurt

Zu den großen Persönlichkeiten der Stadt, die hier ihre letzte Ruhestätte fanden, zählen der Philosoph und Priester Erich Kleinedam, der Komponist Richard Wetz und der Reichstagsabgeordnete Hermann Paul Reißhaus, ein Begründer der Sozialdemokratie aus der Kaiserzeit. Neben diesen zahlreichen, kleinen Entdeckungen, wandelt man als Besucher mit Ehrfurcht an den großen Kriegsgräberfeldern und Gedenkstellen für die Opfer der beiden Weltkriege und Diktaturen vorbei.

Weitere Informationen (zum Ausklappen)

Hauptfriedhof
Binderslebener Landstraße 75
99092 Erfurt

Öffnungszeiten:
Täglich 8 bis 20 Uhr

Verkehrsanbindung:
Straßenbahn Linie 4
Haltestellen Hauptfriedhof, Am Kreuzchen

Grabdenkmal Carl Schmidt:
Grabfeld 23A, Grabstätte 001A

Grabdenkmal Hermann Paul Reißhaus:
Grabfeld 05F, Grabstätte 012/013

Neuer Jüdischer Friedhof Erfurt: Tradition des Judentums in Thüringen

Er ist die einzig aktive jüdische Ruhestätte in Thüringen: der Neue Jüdische Friedhof im Süden von Erfurt, nahe der Thüringenhalle. Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts angelegt, als der Alte Jüdische Friedhof in der Brühlervorstadt keinen Platz mehr für weitere Bestattungen bot. Denn nach jüdischem Glauben gilt die Totenruhe ewig und Gräber werden nicht aufgelöst – so kann man dort noch heute Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert sehen.

Blick zur Trauerhalle auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Erfurt
Die Leichenhalle auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Erfurt: Hier findet die Tahara statt, die rituelle Totenwaschung. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Im Jahr 1878 wurde der Neue Jüdische Friedhof geweiht und 1894 um eine orientalisch anmutende Trauerhalle bereichert. Architekt Hugo Hirsch erschuf den Bau im maurischen Stil mit neoklassizistischen Elementen. Sehenswert ist der Vorbau mit Rundbogenarkade, mit Säulen aus thüringischem Sandstein sowie die Fensterrosetten mit Davidstern an Nord- und Südseite der Kuppel.

Im Inneren der Trauerhalle wird bis heute die traditionelle Leichenwaschung vollzogen. Dabei werden die Körper der Toten gereinigt und vor allem rituell gewaschen: Bei der sogenannten Tahara wird der Leichnam mit Wasser übergossen, während Verse aus den Psalmen und dem Hohelied gesprochen werden. Danach erfolgt die Kleidung des Toten in ein weißes Gewand.

Ein Spaziergang über die 1,4 Hektar große Anlage führt durch eine große Baumallee, an deren Seiten sich die ältesten Grabfelder befinden. Im westlichen Teil des Friedhofs befindet sich der Grabstein des Erfurter Rabbiners Dr. Max Schüftan, der 1936 starb und dessen Frau Blondina in Auschwitz ermordet wurde. Ebenfalls im westlichen Areal, unterhalb der Treppe zur Trauerhalle, kann man das Ehrengrab für Max Cars sehen. Er war der erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Erfurts nach 1945. Auf der Ostseite des Friedhofs, unterhalb der Treppe zur Trauerhalle, steht ein Gedenkstein für die unter nationalsozialistischer Herrschaft ermordeten Gemeindemitglieder.

Ein Weg zwischen Gräbern auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Erfurt (2020)
Die ältesten Grabfelder auf dem Neuen Jüdischen Friedhof befinden sich beidseitig der großen Allee. Bildrechte: MDR/Michael Frömmert

Die insgesamt 33 jüdischen Friedhöfe in Thüringen zeugen von der reichen und jahrhundertealten jüdischen Tradition des Landes. Die Alte Synagoge Erfurt gilt mit fast 1.000 Jahren als ältester erhaltener Synagogenbau Europas. Hier ist auch der Erfurter Schatz zu bewundern – einen Besuch des Museums in der Erfurter Altstadt kann man mit einem Spaziergang über den Jüdischen Friedhof gut ergänzen.

Weitere Informationen (zum Ausklappen)

Neuer Jüdischer Friedhof
Werner-Seelenbinder-Straße 3
99096 Erfurt

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag, 10 bis 16 Uhr
Freitag, 8 bis 15 Uhr
Sonntag, 8 bis 16 Uhr

Samstags und an jüdischen Feiertagen geschlossen.
Männliche Besucher werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.

Verkehrsanbindung:
Straßenbahn Linie 1, Haltestelle Thüringenhalle

Friedhof Kerspleben: Historische Kirche, Gräber und Denkmäler

Auch ein Ausflug in den Nordosten der Stadt, nach Kerspleben, lohnt sich. Dort befindet sich einer der schönsten Ortsteilfriedhöfe von Erfurt. In ländlicher Idylle gelegen, beherbergt er eine Reihe von historischen Denkmälern. Das Gelände ist 6.400 Quadratmeter groß und besteht aus zwei Teilen: einem kirchlichen und einem kommunalen.

Gräber vor einer Kirche
Die Heilig-Geist-Kirche aus dem 15. Jahrhundert auf dem Friedhof Kerspleben. Bildrechte: Stadtverwaltung Erfurt

Der kirchliche Friedhofsteil liegt an der Heilig-Geist-Kirche aus dem Jahr 1456. Ihr Turm bildet ein weithin sichtbares Wahrzeichen des Stadtteils, mit einer markanten, achteckigen Turmspitze, die im 18. Jahrhundert ergänzt wurde. Der Kirchplatz und die angrenzenden Gehöfte stehen unter Denkmalschutz.

Betritt man den Friedhof Kerspleben von der Kirchseite her, kommt man zunächst an historischen Grabsteinen und Denkmälern aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vorbei. Unter dem Treppenaufgang des Kirchturms steht der gut erhaltene Grabstein von Dorothea Sophia Jünge, der Tochter einer einflussreichen Kersplebener Familie. Sie starb 1781 im Alter von 22 Jahren.

Der kommunale Friedhof befindet sich entlang einer Klinkersteinmauer. Ein Spaziergang an dieser Mauer lohnt sich ebenfalls, hier kann man eine Vielzahl kunstvoller, unter Denkmalschutz stehender Familiengräber mit interessanten Metallverzierungen entdecken.

Weitere Informationen (Zum Aufklappen)

Friedhof Kerspleben
Zum Kornfeld
99098 Erfurt-Kerspleben

Öffnungszeiten:
durchgehend geöffnet

Verkehrsanbindung:
Bus Linien 141, 43, Haltestelle Kerspleben

Friedhof in Neudietendorf: Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine

Ende des 18. Jahrhunderts gründete sich in Neudietendorf bei Erfurt eine protestantisch-calvinistische Brüdergemeine. Sie lebten nach dem Vorbild der evangelischen Herrnhuter. Ihr Friedhof, der sogenannte Gottesacker, ist sehr schlicht gehalten: Gleichförmige Grabsteine liegen in langen Reihen nebeneinander. Dies liegt in der Philosophie der Glaubensgemeinsschaft begründet, die jedes Mitglied als gleichwertig betrachtet und keine individuelle Grabgestaltung vorsieht.

Ein Mann spaziert an Grabkissen auf dem Herrnhuter Friedhof Neudietendorf entlang
Grabkissen statt Grabsteine: Die Herrnhuter Brüdergemeinde glaubt an die Gleichwertigkeit aller Menschen – im Leben wie im Tode. Bildrechte: picture-alliance / ZB | Martin Schutt

Bei einem Spaziergang entlang der charakteristischen Grabreihen in Neudietendorf kann man auf den Steinplatten neben den Lebensdaten der Verstorbenen meist Bibelverse entdecken. Die gesamte Anlage mit rund 2.100 Grabstellen steht unter Denkmalschutz – das älteste Grab stammt aus dem Jahr 1743. Der Gottesacker ist in eine Brüder- und eine Schwesterseite unterteilt, es gibt keine Familiengräber. Besonders sehenswert ist der Friedhof im Frühjahr, wenn auf der gesamten Fläche Frühblüher blühen.

Ein Besuch des Herrnhuter Friedhofs lohnt sich vor allem in Verbindung mit einem Ausflug nach Neudietendorf – der kleine Ort ist bis heute von der Herrnhuter Brüdergemeine geprägt. Mit dem Auto oder der Bahn ist die Gemeinde in einer halben Stunde von Erfurt aus erreichbar. Oder man besucht den Friedhof im Rahmen einer Fahrradtour, zum Beispiel entlang des Radweges der "Thüringer Städtekette".

Weitere Informationen (zum Aufklappen)

Gottesacker der Brüdergemeine
Straße des Friedens
99192 Neudietendorf

Öffnungszeiten:
durchgehend geöffnet

Verkehrsanbindung:
Regionalbahn oder Regionalexpress bis Bahnhof Neudietendorf, 5 Minuten Fußweg

Ideen für Ausflüge in Erfurt und Thüringen

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Mai 2023 | 20:05 Uhr