Eine Frau sitzt in einem rosa Kleid auf der Toilette und schaut aufs Handy.
In der Ausstellung "Mein letzter Wille" in den Kunstsammlungen Chemnitz ist ein Film der Künstlerin Keren Cytter zu sehen. Bildrechte: Keren Cytter 2023

Kunstsammlungen Chemnitz Ausstellung "Mein letzter Wille": Was von der Kunst nach dem Tod bleibt

01. Juli 2023, 17:30 Uhr

Die Kunstsammlungen Chemnitz haben für eine neue Ausstellung 30 zeitgenössische, internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit ihrem eigenen Vermächtnis auseinanderzusetzen: Was wird nach dem Tod von ihnen bleiben? Welche ihrer Werke werden als paradigmatisch für ihr Œuvre gelesen werden? Facettenreiche künstlerische Antworten auf diese Fragen sind ab dem 2. Juli 2023 in der multimedialen Ausstellung "Mein letzter Wille" am Chemnitzer Theaterplatz zu sehen.

Es ist die letzte Ausstellung, die der scheidende Generaldirektor der Chemnitzer Kunstsammlungen, Frédéric Bußmann, verantwortet. Ihren Titel – "Mein letzter Wille" – sollte man aber nicht allzu vordergründig auf diese Personalie münzen.

Denn die Idee dazu hatte er schon zu Beginn seiner Amtszeit in Chemnitz im Kopf und den beiden "M's" von M+M angeboten. Hinter dieser Marke verbirgt sich das Deutsch-Luxemburgische Künstler- und gelegentlich auch Kuratoren-Duo Martin De Mattia und Marc Weis.

Ausstellungsparcours in den Kunstsammlungen Chemnitz

Die beiden Kuratoren haben in den Chemnitzer Kunstsammlungen 32 internationalen Künstlerinnen, Künstlern und Gruppen einen kanariengelben Teppich ausgebreitet, auf dem das Publikum angenehm schwungvoll durch einen Parcours der vielfältigsten Auseinandersetzungen mit dem Thema des letzten Willens durchlaufen kann.

Ein übermaltes Plattencover, auf dem eine rauchende Frau, ein Vollmond und Sterne zu sehen sind. In großer Schrift steht: "Last Will".
In der Chemnitzer Ausstellung "Mein letzter Wille" ist auch der kanadische Künstler Marcel Dzama mit einem Werk vertreten. Bildrechte: Marcel Dzama 2023

Sowohl inhaltlich als auch formal hat das Kuratoren-Duo dabei auf einen weiten Fokus gesetzt, und ihre Rechnung geht auf. Die 32 Positionen hängen nicht nur, wie museal üblich, an den Wänden, sondern auch dreidimensional von der Decke herab oder sind, wie im Fall des Deutsch-Griechischen Künstlerduos PPKK, in einem eigens für die Ausstellung kreierten schallgedämmten "Kultraum" versteckt.

Ausstellung blickt mit Kunst in kontaminierte Zukunft

Dieser "Kultraum" ist wiederum zum finnischen Atomendlager Onkalo hin ausgerichtet. Wer einen Blick hineinwerfen will, wird gebeten, vor dem Betreten die Schuhe auszuziehen. Drinnen empfängt einen in diffuser Dunkelheit eine sphärische Frauenstimme, der man am besten auf einer Matratze lauschen kann, um dabei auf eine Skulptur aus Klosettbecken zu schauen.

Eine Tusche- und Farbstiftzeichnung eines Totenkopfs in lila, gelben und dunkelblauen Farben. 6 min
Bildrechte: Mohamed Bourouissa 2023
6 min

In der Ausstellung "Mein letzter Wille" setzen sich 30 Künstler*innen individuell mit ihrem Vermächtnis auseinander und antworten auf die Frage: Was bleibt? Zu sehen ist die Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz.

MDR KULTUR - Das Radio Sa 01.07.2023 12:00Uhr 05:45 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Sara Ancelle Schönfeld überrascht bei einem ersten Rundgang mit der Information, dass es ich hierbei um eine zwar heitere, aber dennoch ernst gemeinte Auseinandersetzung mit der Thematik der Atommüllentsorgung handelt, dessen Halbwertzeit jedes menschliche Ermessen eines letzten Willens ins Unermessliche treibt.

Kunstsammlungen präsentieren persönliche Arbeiten

Zeitlich näher, nämlich ganz in der Gegenwart verortet, ist die Problematik, die den niederländischen Künstler Erik van Lieshout zu einer sehr persönlichen Video-Arbeit inspiriert hat.

Sein Vater, zu dem er offenbar sehr lange keinen Kontakt mehr hatte, ging es im vergangenen Jahr so schlecht, dass er sich entschloss, eine Reihe von Bildern seines Sohnes, die noch in seiner Wohnung hingen, ohne dessen Einwilligung an Freunde und Bekannte zu verschenken.

Was dem Sohn so nicht gefiel und wieder in Kontakt zu seinem Vater brachte, dem es inzwischen zum Glück wieder besser geht. Man kam und kommt sich wieder näher, nur der Erbschaftsstreit ist offenbar noch nicht aus der Welt.

Auf einem Smartphonebildschirm leuchtet ein Bild auf, das eine Anime-Figur in Flammen zeigt.
Tobias Zielony blickt in einem Bildessay zurück auf intensive Augenblicke seit seiner Kindheit. Die Chemnitzer Ausstellung "Mein letzter Wille" ist bis zum 1. Oktober 2023 zu sehen. Bildrechte: Tobias Zielony

Chemnitzer Ausstellung über Tod und künstlerisches Vermächtnis

Interessant ist auch der Ansatz der Arbeit von Liesbeth und Angelique Raeven. Die beiden Zwillingsschwestern haben sich in der Voraussicht, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht am gleichen Tag sterben werden, in der Roboterpuppe Annelies vereint. Als einen tröstlichen Doppelgänger für den Tag, wenn eine der beiden echten Schwestern mal nicht mehr sein wird, und eine, im Endeffekt, die beiden überlebende unsterbliche Kunstfigur.

Der letzte Wille mit Hilfe Künstlicher Intelligenz

In einer minimalistischen Arbeit von Cesare Pieroiusti, wird die Thematik mit Hilfe geheimnisvoller künstlicher Intelligenzen bis zum letzten Atemzug und noch darüber hinaus ausgereizt. In der Ausstellung präsentiert der Italiener ein leeres weißes Blatt, dass man kostenlos auch bei ihm ordern kann.

Wenn er einmal stirbt, so heißt es, würde sich dieses Blatt nach dem Willen des Künstlers "unter Einsatz übernatürlicher Produktionsmittel" vollenden. Gott schenke, trotz aller Neugier darauf, dem Künstler ein langes Leben. Die Ausstellung in Chemnitz ist noch bis zum 1. Oktober zu sehen.

Angaben zur Ausstellung (zum Ausklappen)

Sonderausstellung "Mein letzter Wille"
2. Juli bis 1. Oktober 2023

Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und Feiertage von 11 bis 18 Uhr
Mittwoch von 14 bis 21 Uhr

Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro

Ausstellungseröffnung mit Frédéric Bußmann, den Kuratoren Marc Weis und Martin De Mattia und einigen Künstler*innen am 1. Juli um 18 Uhr.

Führungen:
12. Juli und 16. August 2023, jeweils 18:30 Uhr
1. Oktober 2023, 14:30 Uhr (Kuratorenführung mit M+M)

Begleitprogramm:

2. Juli 2023, 11 Uhr: Gespräch mit den Künstler:innen Su Hui-Yu, MASBEDO, Erik van Lieshout, PPKK (Schönfeld & Scoufaras), L.A. Raeven und den Kuratoren der Ausstellung M+M, moderiert durch Frédéric Bußmann

30. August 2023, 18:30 Uhr: Künstler:innengespräch mit Simon Wachsmuth und Sabine Maria Schmidt

17. September 2023, 14:30 Uhr: Präsentation des Künstlerbuches My Last Will, dialogische Lesung mit den Kuratoren der Ausstellung M+M und den Schauspieler:innen Magda Decker und Clemens Kersten

2. September 2023, 14 bis 17 Uhr: Workshop für Jugendliche und Erwachsene. Comics zeichnen mit Zorik Davidyan

Redaktionelle Bearbeitung: vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 01. Juli 2023 | 13:45 Uhr