Szene aus dem Stück "Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch": eine Gruppe aud Erwachsenen und Kindern steht vor einer Bühne, einige Personen tragen ein Kostüm
In Nossen nehmen Erwachsene und Kinder der Stadt das Theater selbst in die Hand. Bildrechte: Milan Ihl

Projekt "X-Dörfer" Sommertheater selbst gemacht: Einwohner von Nossen zeigen Stück über ihre Stadt

22. Juni 2023, 15:58 Uhr

Vor über 20 Jahren hat im sächsischen Nossen (Kreis Meißen) zuletzt das Freiberger Theater gastiert – das ist lange her. Deshalb inszenieren Nossener Bürgerinnen und Bürger ihr Sommertheater nun selbst, mit Hilfe des Dresdner Projektes "X-Dörfer" für kulturelle Initiativen. Im Theaterstück "Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch" geht es um das Gerücht, dass unter der Stadt wertvolle Bodenschätze liegen. Am Freitag, 23. Juni, ist Premiere. Unser Reporter hat die Theaterleute vorab getroffen.

"Das Geld wird im Berg gemacht – Rendite wächst über Nacht!" So heißt es im "Investorenlied", das gerade in der Pestalozzi-Schule zu Nossen geprobt wird. Man bemerkt bald, dass es in diesem Bürgertheater gewissermaßen auch um Schulstoff geht, um einen Grundkurs Kapitalismus nämlich. Gewaltige und heute besonders begehrte Bodenschätze lauern angeblich unter dem mittelsächsischen Nossen, das tatsächlich eine Bergbauvergangenheit hat.

"Ich wollte die Region einbeziehen. Es gibt tatsächlich Kobaltfunde unter der Stadt, aber bei weitem nicht so viel", sagt Autorin und Regisseurin Esther Undisz. Sie lässt einen auswärtigen Investor den angeblichen Braten riesiger Kobaltvorkommen riechen und die Nossener mit einer Beteiligungsgesellschaft abzocken. Falls die nicht noch schlauer sind, ebenfalls den sprichwörtlichen Braten riechen und ihm das Geschäft vermiesen.

Szene aus dem Stück "Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch" 4 min
Bildrechte: Milan Ihl
4 min

Im sächsischen Nossen hat ein Theaterprojekt mit Bürgerinnen und Bürgern Premiere, das die Stadt zur Kulisse für einen Krimi macht. Michael Bartsch stellt das Projekt vor.

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"Unter Nossen – eine Stadt im Blaurausch", lautet denn auch der anspielungsreiche Titel. Die "Sächsische Zeitung" machte daraus sogar einen Aprilscherz und kündigte den Abriss des Schlosses für das Bergwerk an. Die Geschichte ist indessen nicht so weit hergeholt. Im benachbarten Döbeln ist gerade erst eine geplante Batteriefabrik gescheitert. "Ein Luftschloss, hier wurde nie eine Batterie gebaut und die Leute sitzen seit drei Monaten zuhause, obschon fast 25 Millionen Euro Fördergelder versprochen wurden", ärgert sich Autorin Undisz.

Theater über Generationen hinweg

Ungefähr 30 Nossener jeden Alters wirken bei diesem Bürger- und Landschaftstheater am Schlossgraben mit. Ebenso stützen die Stadtverwaltung und einige Händler und Gewerbetreibende die Organisation des spektakulären Vorhabens. "Es gab Kennenlernabende und ein Wochenende für interessierte Bürger. Da haben wir Schauspielunterricht probiert, gemeinsam musiziert und sind auf der Suche nach Spielorten durch Nossen gelaufen", berichtet der junge Tom Jähnigen von den Anfängen.

Die in Sachsen unvermeidliche Gräfin Cosel ist auch dabei. Die in Ungnade gefallene Favoritin Augusts des Starken kam nämlich 1718 hier durch, bevor sie auf der Burg Stolpen festgesetzt wurde. Im Stück heißt ein Imbiss nach ihr, der zum zentralen Schauplatz des Stückes wird.

Szene aus dem Stück "Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch": eine Gruppe Kinder probt mit einem Erwachsenen
Etwa 30 Nossener jeden Alters wirken am Stück "Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch" mit. Bildrechte: Milan Ihl

Schülerin Elsa Staudte ist die Tochter von Bühnenbildner Thilo Staudte und schwärmt von einem "Miteinander über Generationen hinweg". Die Hauptrolle, nämlich die des Betrügers, ist Stephan Hans zugefallen. Deshalb muss er auch die längsten Texte lernen, "aber man wächst mit dem Projekt mit". Wie es ausgeht, wird noch nicht verraten. Es sei eben die Frage, wer hier wen über den Tisch zieht, heißt es, und "am Ende siegt die Liebe".

Kulturangebot gegen den Wegzug auf dem Land: "X-Dörfer"

In Nossen gibt es zwar das ehemalige Kloster Altzella als Veranstaltungsort und eine Freilichtbühne. Von kultureller Blüte mag ein Einwohner wie Tom aber nicht sprechen: "Viele ziehen in die Stadt, und kleine Dörfer und Städte wie Nossen sterben aus!"

Um daran generell in Sachsen etwas zu verbessern, rief Miriam Tscholl das Projekt X-Dörfer ins Leben. Zehn Jahre lang hatte sie die bundesweit als vorbildlich geltende Bürgerbühne Dresden geleitet. "Die eigene Expertise zur Verfügung stellen für Leute, die etwas vor Ort machen wollen", lautet ihr Leitmotiv. Also nicht künstlerische Fertigprodukte in ländliche Räume schicken, sondern fördern, was Akteure vor Ort selbst gestalten wollen.

Im Umkreis von 60 Kilometern um Dresden können sich Initiativen, Einzelpersonen und Vereine um Unterstützung ihres Kulturprojektes bewerben. Ansprechpartner ist das Staatsschauspiel Dresden.

In Nossen stößt die Idee eines Theaterstücks auf Begeisterung

In Nossen meldete sich auf die Ausschreibung der pensionierte, aber sehr rührige Musiklehrer Roland Taffel mit besten Kontakten. Regisseurin Esther Undisz fand Partner wie den Dresdner Musiker Bertram Quosdorf und Ausstatter Thilo Staudte. Der stöbert im Fundus umliegender Theater und zaubert Kulissen, die wenig kosten.

Noch muss die Regisseurin Esther Undisz manche Spieler ermuntern, bei einem Freilufttheater zu übertreiben, alles zu geben und "groß zu sein". Aber zur Premiere am 23. Juni werden alle aus sich herausgehen. Im Vorverkauf sind die fünf Vorstellungen bereits komplett ausverkauft, nur noch Stehplätze an der Abendkasse sind zu haben.

Informationen zur Inszenierung

"Unter Nossen – Eine Stadt im Blaurausch"
von Esther Undisz

Adresse:
Schlossgraben Nossen
Am Schloß 3, 01683 Nossen

Premiere: 23. Juni 2023

Weitere Vorstellungen:
Samstag, 24. Juni 2023, 18 Uhr
Sonntag, 25. Juni 2023, 18 Uhr
Freitag, 30. Juni 2023, 18 Uhr
Samstag, 1. Juli 2023, 18 Uhr

Die Vorstellungen sind im Vorverkauf alle ausverkauft. Es gibt aber noch Tickets für Stehplätze an der Abendkasse (5 Euro).

Ein Theaterprojekt der Stadt Nossen in Kooperation mit dem Verein Regionalentwicklung Klosterbezirk Altzella e.V. im Rahmen "Altzella rockt", Landgestalten e.V. sowie der Sächsischen Staatstheater – Staatsschauspiel Dresden im Rahmen von X-Dörfer

(Redaktionelle Bearbeitung: Hanna Romanowsky)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Juni 2023 | 17:10 Uhr