Schild in Blumenform mit Informationen über Insekten
Auf Schildern erfahren die Seebacher, wie sie Insekten helfen können. Bildrechte: MDR/ Ruth Breer

Tolle Initiative im Wartburgkreis Seebach - ein Ort hilft Hummeln, Bienen und Insekten

01. Mai 2020, 10:20 Uhr

Ein blühender Ort will die Gemeinde Seebach im Wartburgkreis werden - attraktiv für Einheimische wie für Gäste. Und für Insekten! Denn vielen im Ort ist klar: Die Tiere sind zwar klein, aber wichtig. Ohne Bienen und Hummeln gibt es keine Bestäubung. Im vergangenen Herbst gründete der Förderverein deshalb die Arbeitsgruppe "BIFS" – Bienen- und Insekten-freundliches Seebach. Auch mancher Kleingärtner ist schon mit dabei.

Lautes Summen im Garten von Familie Saalfeld: Ein Bienenvolk aus der Nachbarschaft ist ausgeschwärmt und hängt jetzt in einer dunklen, wimmelnden Traube im Rosenbogen. Der Imker ist bereits da und versucht, in weißer Montur, sein Volk wieder einzusammeln. Auch wenn sonst nicht ganz so viele Bienen im Garten unterwegs sind: Selten sind sie hier nicht. Trotzdem hat Hans-Joachim Saalfeld jetzt schon zum zweiten Mal Wildbienen im Internet bestellt, um sie bei sich anzusiedeln. Der Naturschutzbund NABU habe dazu aufgerufen, wegen des Insektensterbens, erzählt er. Außerdem hat er Freude daran, die Tiere zu beobachten.

Wildbienen aus dem Internet

Jeweils 25 Stück hatte er bestellt, Rote, Blaue und Gehörnte Mauerbienen. Die Kokons werden in kleinen Schachteln verschickt, etwa so groß wie zwei Streichholzschachteln übereinander.

Saalfeld hat sie erstmal im Kühlschrank aufbewahrt, bis es draußen etwa 10 bis 15 Grad warm wurde. Dann bohrte er ein Loch in die Schachteln und legte sie auf einen geschützten Vorsprung am Gartenhaus. Mittlerweile sind alle geschlüpft: erst die Männchen, dann die Weibchen, hat Hans-Joachim Saalfeld beobachtet. Die Weibchen der sogenannten Solitärbienen fliegen jetzt ständig hin und her und sorgen für Nachwuchs. In den drei Insektenhotels, die die Saalfelds an ihr Gartenhaus gehängt haben, verschwinden sie immer wieder in den Schilf- oder Bambus-Röhrchen. Sie legen jeweils ein Ei und etwas Pollen und Nektar hinein, erzählt Saalfeld, verschließen es mit einer dünnen Wand und legen Ei und Nahrung ins nächste Abteil - bis das Röhrchen voll ist. Dann wird es mit einer dünnen Lehmschicht verschlossen. Seine Bienen waren schon sehr fleißig, freut sich Saalfeld. Damit sich nicht wie im Vorjahr der Kleiber die Maden holt, hat er die Insektenunterkünfte mit Kükendraht geschützt.

Wasser und Nahrung für Insekten

Die Saalfelds wissen als Naturfreunde, welche Blüten die Wildbienen besonders schätzen. In ihrem Garten haben sie das ganze Jahr über ein breites Angebot. Wichtig sind die Bienentränken, sagt Hannelore Saalfeld. Davon gibt es auf dem Grundstück gleich mehrere. Das Wasser brauchen die Mauerbienen auch für den Lehmverschluss ihrer Nester. Aber auch andere Wildbienen-Arten fühlen sich hier wohl. Hannelore Saalfeld zeigt auf einen unscheinbaren Haufen mit kleinen Zweigen und Blättern. Auch das ist ein Nest, gleich mehrere davon finden sich in den Beeten zwischen Kräutern, Gemüse und Zierpflanzen.

Pflanzaktion mit Frühblühern

Das Ehepar Saalfeld steht vor einem Insektenhotel
Insekten sollen sich im Garten von Familie Saalfeld wohl fühlen. Bildrechte: MDR/ Ruth Breer

Dass Insekten wichtig sind und geschützt werden müssen, ist für Hans-Joachim Saalfeld klar. So war er auch im vergangenen Herbst dabei, als die Arbeitsgruppe "BIFS" – Bienen- und Insekten-freundliches Seebach - des Fördervereins "Mein Seebach" zur Pflanzaktion rief. Rund 20.000 Frühblüher wurden überall im Ort in die Erde gesteckt, finanziert von der Gemeinde. Seebach soll aufblühen, ganz wörtlich, aber auch im übertragenen Sinn, sagt Bürgermeister Gerrit Häcker (parteilos). Er engagiert sich seit Jahren für die Ortsentwicklung. Sein Ziel: Die Brücke zu schlagen zwischen der stark von der Industrie geprägten Gemeinde und der Natur am Rand des Thüringer Waldes.

Seebach soll ein Ort werden, von dem die Einwohner sagen, dass sie dort leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen.

Bürgermeister Gerrit Häcker

Dass eine blühende Gemeinde etwas für Insektenschutz tun müsse, dieser Gedanke sei im Zuge der Ortsentwicklung entstanden. Ein Schock seien für ihn die Fotos eines Imkers von seinem Bienenbestand gewesen: einmal kurz vor der Mahd von zwei großen Wiesen, einmal danach. Diese Wiesen waren mitten in der Blüte abgemäht worden. Danach waren kaum noch Bienen da.

Insektenhotels und Info-Schilder

Insektenhotel steht auf einer Wiese
Die öffentlichen Wiesen dürfen erstmal wachsen. Bildrechte: MDR/ Ruth Breer

Um für das Anliegen bei den großen Flächenbesitzern im Ort, aber auch bei allen Haus- und Garteneigentümern zu werben, will die Gemeinde mit gutem Beispiel vorangehen. Sie hat ein Konzept in Auftrag gegeben. Wie oft sollen künftig die Gemeindewiesen gemäht werden? Was sollte wo angepflanzt werden, damit es in Seebach von März bis Oktober Nahrung für Insekten gibt? Im Moment lässt die Gemeinde ihre Wiesen erst einmal wachsen bis Ende Mai. Sie hat Schilder aufgestellt, die auf die Aktion hinweisen und Tipps geben, welche Pflanzen für Insekten besonders gute Nahrung bieten. Ein Unternehmer hat in seinem Betrieb fünf Insektenhotels gebaut, die im Ort verteilt aufgestellt sind. Der Bürgermeister kann sich auch Projekte mit dem Kindergarten oder der Schule vorstellen, Wettbewerbe oder Patenschaften.

Vom Schattenrasen zur Naturwiese

Seebacher Bürgermeiste Gerrit Häcker steht vor einer Luftaufnahme
Bürgermeister Gerrit Häcker möchte mit seiner Gemeinde Vorbild für andere sein. Bildrechte: MDR/ Ruth Breer

Die erste öffentliche Veranstaltung im vergangenen Jahr zum Thema Bienen- und Insektenschutz war gut besucht. Aber Häcker weiß auch, dass nicht jeder in Seebach hinter der Aktion steht. Das mit dem Insektensterben sei nur ein Hype, bekommt er zu hören - warum sollte man sich um Insekten kümmern, und nicht lieber um Menschen. Der Bürgermeister setzt geduldig auf Zeit und gute Beispiele. Er hat vor Augen, was er in Österreich im Urlaub gesehen hat: dass Wiesen nur teilweise abgemäht wurden, dass Teile weiter wachsen durften und dass das richtig gut aussah. Man muss sich aktiv mit den Flächen beschäftigen, sagt Häcker, das sei das Entscheidende. Auch wenn es mehrere Jahren dauern kann, bis aus einem praktischen pflegeleichten Schattenrasen wieder eine Naturwiese wird.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Radiogarten | 02. Mai 2020 | 09:00 Uhr