Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten Wer entscheidet über Höhe des Rundfunkbeitrags?

28. April 2023, 10:09 Uhr

Eigentlich soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformiert und schlanker werden. Doch von Boulevardzeitungen zitierte "Geheimpapiere" aus der ARD sehen jetzt angeblich eine satte Erhöhung des Rundfunkbeitrags vor. Sieben Bundesländer haben schon reagiert und erklärt, eine weitere Erhöhung des Beitrags von heute 18,36 Euro sei mit ihnen nicht zu machen. Die Aufregung ist groß, doch was ist wirklich dran? MDR MEDIEN360G versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und die Sache zu sortieren.

Warum gibt es eigentlich dauernd diese Diskussion um den Rundfunkbeitrag? Und kann die ARD einfach entscheiden, ob hier etwas steigt oder nicht?

Alle vier Jahre lässt sich verlässlich der Wecker stellen: So lange dauert nämlich die sogenannte "Beitragsperiode", für die ARD, ZDF und Deutschlandradio ihr Geld bekommen. Danach wird neu berechnet, wie viel für die nächsten vier Jahre benötigt wird. Da die aktuelle Beitragsperiode 2024 endet, fangen jetzt diese Rechenspielchen an, Begleitmusik auf allen Kanälen inklusive. Kleiner Schönheitsfehler: Die öffentlich-rechtlichen Medien können die Beitragshöhe gar nicht festlegen. Dafür sind sie schlicht nicht zuständig.

Und wer ist es dann?

Die 16 Bundesländer. Sie sind im Rahmen der sogenannten "Kulturhoheit" für Medien - und damit auch die Öffentlich-Rechtlichen - zuständig und legen deren Auftrag und Struktur fest. Damit haben sie es natürlich auch in der Hand zu steuern, was das gesamte Angebot kostet. Das nennt sich dann Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Davor gibt es aber ein ziemlich kompliziertes Verfahren, in dem die Beitragshöhe festgelegt wird.

Warum ist das denn so kompliziert?

Damit die Politik nicht über die Finanzierung steuern kann, was die öffentlich-rechtlichen Medien im Programm machen und was nicht. Schließlich sollen deren Angebote unabhängig und staatsfern sein. Deswegen gibt es den Rundfunkbeitrag - und ARD, ZDF und Deutschlandradio werden nicht wie in anderen Ländern über Steuern finanziert. Denn da hätte die Politik ja genau Einfluss, den sie gerade nicht haben soll. Deshalb rechnen hier auch nicht irgendwelche Regierungsministerien mit, sondern eine unabhängige Expertenkommission. Die heißt "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten in Deutschland" (KEF). Und wie sie arbeitet, hat das Verfassungsgericht festgelegt.

Und wer sitzt in dieser KEF und was macht die genau?

In der KEF sitzen 16 Fachleute, die sich gut mit Zahlen, Wirtschaft und Medien auskennen. Das sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Menschen aus Rechnungshöfen und ähnlichen Kontrollorganen. Jedes Bundesland schickt da ein Mitglied rein, hat dem dann aber nichts zu sagen. Die öffentlich-rechtlichen Medien planen im Vorfeld, wie die nächsten vier Jahre aussehen und wie viel Geld sie dafür brauchen. Damit gehen sie dann zur KEF. Einsendeschluss für diese "Bedarfsanmeldung" ist dieses Mal der 28. April, deshalb ist das ganze gerade auch so ein großes Thema.

Und wie geht es weiter?

Die KEF prüft die Anmeldung nach Kriterien wie Plausibilität, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und korrigiert sie im Regelfall deutlich nach unten. "In der Vergangenheit hat die KEF am Ende regelmäßig etwa ein bis zwei Milliarden weniger für nötig gehalten, als die Sender möchten“, hat der KEF-Vorsitzende Martin Detzel kürzlich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt. Dabei kann sie nicht einfach etwas rausstreichen oder willkürlich verändern. Sie kann nur sagen: Das geht einfacher und billiger. Nach dieser Überprüfung, zu der mehrere direkte Gesprächsrunden mit den Anstalten und der Politik gehören, gibt die KEF eine "bindende Empfehlung" ab. Das bedeutet, dass sich die Bundesländer ziemlich genau an diese Empfehlung halten müssen und nur unter bestimmten, sehr eng gefassten Bedingungen davon abweichen dürfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2021 in seinem jüngsten Urteil zum Rundfunkbeitrag nochmal ausdrücklich bestätigt.

Jetzt haben aber doch mehrere Länder gesagt, sie machen bei einer erneuten Erhöhung des Beitrags nicht mit!

Stimmt. Wie die Agentur epd berichtet, haben sich bisher Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bayern und NRW für ein "Einfrieren" des Beitrags bzw. gegen eine Erhöhung ausgesprochen. Auch Niedersachsen hält eine erneute Beitragserhöhung für "nicht vertretbar". Der Teufel steckt aber auch hier wieder im Detail. Denn ob die Ansagen bedeuten, dass es bei den heutigen 18,36 Euro bleiben muss oder die "Beitragsstabilität" einen Inflationsausgleich einschließt, geht munter durcheinander.

Damit ist eine Erhöhung aber doch vom Tisch. Oder können einzelne Länder den Beitrag erhöhen und andere nicht?

Nein, das geht nicht. Bei solchen Entscheidungen ist Einstimmigkeit gefordert, da kann kein Land einfach machen, was es will. Allerdings braucht es die auch beim "Dagegen-Sein"! Das hat Sachsen-Anhalt ja schon einmal durchexerziert. 2020 hatte der Landtag nicht über die von der KEF empfohlene Erhöhung abgestimmt. Damit konnte die zunächst zwar nicht in Kraft treten. Doch die Karlsruher Richter haben dann geurteilt, dass "eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich ist. Hält ein Land eine Abweichung für erforderlich, ist es Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder über die Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF herbeizuführen".

Ist denn schon bekannt, wie viel mehr Geld die Öffentlich-Rechtlichen bei der KEF beantragen werden?

Nein. Das geben die Anstalten üblicherweise nicht an und machen ein großes Geheimnis drum. Genauso verlässlich sickern nach ein paar Wochen die Zahlen dann allerdings doch durch.