Porträt von Dr. Lutz Hasse 11 min
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Die Schulen sind noch geschlossen. Homeschooling ist angesagt. Doch nicht jede APP oder Messenger genügen den strengen Auflagen des Datenschutzes. Verhindert der Datenschutz die Weiterentwicklung digitaler Bildung?

Do 30.04.2020 20:35Uhr 10:36 min

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Interview mit Thüringer Datenschutzbeauftragtem „In Krisenzeiten muss sich Recht bewähren.“

30. April 2020, 21:20 Uhr

Zu kompliziert, zu viele Regeln, zu wenig gute Alternativen: Dem Datenschutz wird zuweilen vorgeworfen, er würde den technischen Fortschritt und die Digitalisierung der Schulen behindern und ausbremsen. Der Thüringer Datenschutzbeauftragte Dr. Lutz Hasse hat dazu eine andere Meinung. Er argumentiert, Grundrechte dürfen nicht über Bord geworfen werden, nur um dem eigentlich schon abgefahrenen „Zug der Digitalisierung“ ein kleines bisschen schneller hinterher laufen zu können.

Durch die Corona-Krise entstehen bei Eltern und Lehrenden viele Unsicherheiten – auch und vor allem technischer Natur. Denn guter Unterricht im Homeoffice ist häufig abhängig von guten Kommunikationswegen. Im Internet kursieren jede Menge Apps, Programme und Spiele, die den Unterricht bereichern können. Auch die Auswahl an Chatprogrammen, Austauschwegen für Daten oder Speicherclouds ist riesig und nimmt derzeit noch weiter zu – der Bedarf ist schließlich da.

Theoretisch ist das Internet also eine Fundgrube an modernen und gut funktionierenden Möglichkeiten, die helfen könnten, Homeschooling als Chance für die Entwicklung der digitalen Schulbildung zu begreifen. Als Experimentierfeld, auf dem es viel zu entdecken gibt und in das man sich voller Spaß und Forschergeist werfen könnte. Wenn da nicht der Datenschutz wäre…

Viele Anwendungen sind nicht DSGVO-konform

Denn sehr viele der im Netz kursierenden Anwendungen zum Kommunizieren und Lernen sind zwar leicht zu bedienen und schnell installiert – entsprechen aber nicht der DSGVO. Denn möglicherweise erheben sie unbemerkt Daten über die Nutzenden und speichern diese – oder geben sie sogar weiter an Dritte. Gerade bei Schülern, die sich dagegen oft noch nicht selbst schützen können, sollte hier besondere Vorsicht gelten.

Aber: Die Möglichkeiten, die Datenschützer selbst anbieten und als sicher erachten, geben bislang noch nicht allzu viel her: „Wir haben das E-Mail-Postfach und die Thüringen-Cloud. Damit, meine ich, kann man ganz gut arbeiten. Es gibt Produkte, die sind schneller, die sind bunter, hipper. Die finden auch mehr Anklang bei den Schülerinnen und Schülern. Aber die sind möglicherweise nicht so sicher“, sagt der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse im Interview mit MDR MEDIEN360G. Er wisse, dass diese Möglichkeiten von manchen Lehrenden und gerade Schülern in Aufmachung und Handhabung als aus der „Steinzeit“ erachtet werden. Aber immerhin – es gäbe zumindest etwas.

Datenschützer sprechen keine Empfehlungen aus

Dass seitens der Datenschutzbehörde nicht mal Empfehlungen möglich zu sein scheinen, welche externen Anwendungen sicher und welche problematisch sind, begründet Hasse mit dem Wettbewerbsrecht. Würde er Namen nennen, habe er es gleich mit zwanzig Anwälten zu tun und um alle verfügbaren Anwendungen zu testen, dafür fehle es ihm und seiner Behörde an Kapazitäten. Das könne er schlicht nicht leisten.

Trotzdem betont der Datenschützer, dass das geltende Datenschutz-Recht gerade jetzt nicht umgangen werden dürfe, auch wenn es im Corona-Alltag zuweilen verlockend ist. „Gerade in Krisenzeiten muss sich ja Recht bewähren“, argumentiert er. Und fügt hinzu: „Vom Zug der Digitalisierung, da sehen wir nur noch die Rücklichter, wenn überhaupt. Wir rennen dem hinterher und damit wir ein bisschen schneller rennen können, wollen wir jetzt den Rucksack der Grundrechte abwerfen, die wir eigentlich einhalten und beachten sollen“. Wenn Recht untauglich sei, so müsse man das Recht eben ändern. Es nicht anzuwenden allerdings, das sei mit ihm nicht zu machen.