Menschen warten vor einem Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit. 3 min
Audio: Viele Arbeitslose kommen durch die Arbeit der Jobcenter und Agentur für Arbeit wieder zu einer Anstellung. Doch das könnte durch bevorstehende Kürzungen erschwert werden – daran gibt es viel Kritik. Bildrechte: IMAGO / Klaus Martin Höfer

Sozialpolitik Viel Kritik an geplanten Sparmaßnahmen bei Jobcentern

12. August 2024, 15:20 Uhr

Die Ampel-Koalition will bei der Wiedereingliederung von Arbeitslosen sparen. Der Sozialverband Deutschland findet, dass das genau dem widerspricht, was eigentlich geplant war. Auch die Arbeitgeber kritisieren die Pläne.

Für Sven Nobereit, zuständig für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik beim Verband der Arbeitgeber Thüringen, sind die geplanten Kürzungen des Bundes bei den Mitteln zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen das absolut falsche Signal – besonders für Langzeitarbeitslose. "Wir reden hier über Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Das sind in Thüringen rund ein Drittel der Arbeitslosen." Angesichts der Situation, die man auf dem Arbeitsmarkt habe, könne man es sich gar nicht leisten, dass diese Menschen nicht qualifiziert würden.

In Thüringen waren vor den Sommerferien insgesamt 67.100 Frauen und Männer als arbeitslos gemeldet. Von denen sollten möglichst viele möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, so Nobereit, denn man habe einen, trotz der konjunkturellen Unsicherheit, aufnahmefähigen Arbeitsmarkt. "Wir haben aktuell 15.400 unbesetzte Stellen in Thüringen. Die Möglichkeit, hier in Thüringen einen Job zu ergreifen, die ist im Moment echt hoch." Allerdings braucht es die Unterstützung durch die Jobcenter. Jede Kürzung dort sei auch gesellschaftlich unverantwortlich, kritisiert Nobereit.

Zahlreiche Thüringer Unternehmen würden bereits intern versuchen, Arbeitnehmer zu qualifizieren beziehungsweise weiterzubilden.

Arbeitslosenverband Sachsen sieht Freistaat in der Pflicht

Brigitte Schneider vom Arbeitslosenverband Sachsen findet, dass die Landesregierung jetzt handeln müsste. Die ausgebildete Friseurmeisterin und Sozialversicherungsfachgestellte berät seit über 30 Jahren Arbeitslose und weiß, dass es ohne Hilfe schwierig sein kann, wieder einen Job zu bekommen. Sie fände es katastrophal, dass die Mittel gekürzt würden. "Und da könnte ja der Freistaat Sachsen mal eine Initiative starten und für die Schwächsten was tun". Schneider kann sich eine Bundesratsinitiative vorstellen, mit Vorschlägen, "wie man das lösen kann".

Der Sprecher des Sozialverbands Deutschland, Constantin Schwarzer, sagt, angesichts des Fachkräftemangels sei es nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung ausgerechnet bei den Hilfen für die Wiedereingliederung von Arbeitslosen den Rotstift ansetzen wolle. Die Ampel habe die eigenen Versprechungen über Bord geworfen.

Sozialverband Deutschland: Ampel handelt entgegen Versprechungen

Das ursprüngliche Ziel sei bei der Reform des jetzigen Bürgergeldes gewesen, Fördern und Qualifizieren ganz nach vorn zu setzen, um Menschen eine Chance zu geben, wieder in Arbeit zu kommen, erinnert Schwarzer. "Und vor diesem Hintergrund ist es für uns ein völlig falsches Signal und eine völlig falsche Richtung, die hier eingeschlagen wird."

Die übergroße Mehrheit der Erwerbslosen wolle wieder in Arbeit kommen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, erklärt Schwarzer. Dabei würden die Jobcenter sehr gute Unterstützung leisten. Sollte die aber zusammengestrichen werden, könnten Arbeitskräfte und damit Potentiale verloren gehen, folgert der Sprecher vom Sozialverband Deutschland.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 12. August 2024 | 06:07 Uhr

58 Kommentare

part vor 4 Wochen

Wenn ich daran denke, wie viel Millionen an D-Mark und Euro in sinnlose Maßnahmen verwendet wurde, die nur der Bildungsmafia neue Einkommensmillionäre beschieden hat und wie viel Millionen Euro die BA für ihre eigene Bürokratie und Verwaltung abgezweigt hat aus dem Förderungstopf, obwohl sie das gar nicht durfte, dann wird mir übel. Berufsumschulungen zu Hauf in Berufen, die der Markt nicht braucht, Umschulungen ohne Abschluss und noch mehr... Zuckerbrot für Arbeitgeber und Peitsche für die Betroffenen, die trotzdem wenig Erfolg beschieden. Die Ampelregierung in Berlin hat für alles Geld, nur nicht für jene im eigene Land, die es bitter nötig haben.

Micha R vor 4 Wochen

@ hami
"...Es hilft nur eins, Arbeit muss sich Lohnen. Daher Lohnerhöhungen, mehr Tarifverträge, weniger Steuern auf Gehalt. Die Arbeitgeber müssen in die Pflicht genommen werden."

Nicht ganz richtig, denn weniger Steuern auf Arbeitseinkommen kann und darf nur die Politik beschließen und liegt nicht in Verantwortung der Arbeitgeber.
Arbeitgeber, die von sich aus die abzuführende Lohnsteuer kürzen, würden damit Steuerhinterziehung begehen!

hami vor 4 Wochen

Menschen die Bürgergeld erhalten, erhalten damit das Existenzminimum. Und das aus meiner Sicht noch fragwürdig berechnet. Das Verfahren wird vom Bundesverfassungsericht vorgegeben. Solange im Grundgesetz noch von Würde gesprochen wird, lässt sich dieser Betrag aus meiner Sicht nicht kürzen.
Menschen die ALG 1 beziehen erhalten Geld, dass sie selbst in die Versicherung eingezahlt haben. Aus meiner Sicht verbietet es sich an diesen Beträgen zu kürzen.
Auch kann man sich nicht ausschließlich auf das Fordern zurückziehen. Menschen die aktuelle arbeitslos (häufig aufgrund Krankheit oder Sorgearbeit in der Familie) sind, brauchen mehr Förderung und Anreize, nicht weniger. Es hilft nur eins, Arbeit muss sich Lohnen. Daher Lohnerhöhungen, mehr Tarifverträge, weniger Steuern auf Gehalt. Die Arbeitgeber müssen in die Pflicht genommen werden.

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