Steffen Keitel im Interview
Steffen Keitel kritisiert Sozial- und Umweltmaßnahmen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Sozial- und Umwelt-Maßnahmen IHK-Chef kritisiert Bürgergeld und Klimaschutz

15. Februar 2024, 15:03 Uhr

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau kritisiert die Erhöhung des Bürgergelds. Er befürchtet eine weitere Verschlechterung der Wirtschaft Sachsen-Anhalts – auch wegen des Umweltschutzes. Gegenwind bekommt er vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Sachsen-Anhalt rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaft, falls keine bundesweiten Maßnahmen getroffen werden. Das geht aus der Konjunkturumfrage der IHK Magdeburg und Halle-Dessau hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde.

Kritik am Bürgergeld

Der Präsident der IHK Halle-Dessau, Steffen Keitel, sagte: "Wir befinden uns auf bestem Wege in eine ausgedehnte Dauerkrise." Er kritisierte unter anderem die Erhöhung des Bürgergelds. "In Zeiten größten Fachkräftemangels bezahlen wir Millionen von erwerbsfähigen Menschen fürs Nichtstun. Wir haben vier Millionen erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger und diese vier Millionen fehlen uns schlicht in der Wirtschaft." Außerdem entziehe der öffentliche Dienst dem Markt Fachkräfte.

Man sollte hier ein bisschen verbal abrüsten und sich darüber Gedanken machen, wie wir mit der Demografie besser klarkommen können.

Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle

Der Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, verteidigt dagegen das deutsche Sozialsystem. Es brauche ein gutes Sozialsystem, gerade im sozialen Wandel. Es gäbe viele gute Gründe, warum Menschen die Unterstützung des Staates brauchen.

Ein Schaubild zeigt, wie sich die Bürgergeldempfänger in Kinder, Minijobber, Schüler usw. aufteilen
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

"Man sollte hier ein bisschen verbal abrüsten und sich darüber Gedanken machen, wie wir mit der Demografie besser klarkommen können. Zum Beispiel die abschlagsfreie Rente mit 63 – das war ein Fehler, die einzuführen. Darüber kann man diskutieren", so Holtemöller.

Kritik am Umweltschutz

IHK-Präsident Keitel forderte weiter, auch die Klimapolitik zugunsten der Wirtschaft zu überdenken. Wenn das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar sei, müsse man das korrigieren. "Ich bin unbedingt für Umweltschutz, ich bin auch für Klima-Ziele, aber wir müssen das, wenn es um den Wohlstand des Landes geht, auch unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrachten."

Oliver Holtemöller, Sprecher, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle
Vize-Präsident Oliver Holtemöller widerspricht Steffen Keitel. Bildrechte: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Ob eine Lockerung des Umweltschutzes zugunsten der Wirtschaft die aktuellen Probleme lösen könnte, bezweifelt Holtemöller vom Leibnitz-Institut: "Das könnte auch neue Unsicherheiten schaffen. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung einen konkreten Plan vorlegt, wie man denn in den nächsten 20 Jahren die Klimaschutzziele erreichen möchte."

Trübe Wirtschafts-Aussichten

In der Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammern wurden rund 900 Unternehmen in Sachsen-Anhalt zu ihrer Geschäftslage und ihren Zukunftsaussichten befragt und die Antworten im sogenannten Geschäftsklimaindex zusammengefasst. Der lag Ende des Jahres bei minus 12,3 Punkten und damit unter dem Vorjahreswert von minus 4,5 Punkten.

Auch Wirtschaftsforscher Holtemöller schätzt die Wirtschafts-Aussichten derzeit als eher trüb ein. "Das hat aber nicht nur mit aktuellen Problemen zu tun. Wir haben drei große Baustellen, die uns seit Langem umtreiben: die Demografie, die grüne Transformation der Wirtschaft und die Digitalisierung. "Hier hinkt Deutschland in verschiedenen Bereichen international hinterher."

MDR (Dennis Blatt, Marcel Knop-Schieback, Max Schörm)

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT heute | 14. Februar 2024 | 19:00 Uhr

56 Kommentare

ewdschulze vor 10 Wochen

Der Sozialstaat ist in der Tat sehr wichtig. Gesetzliche Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung und Rentenversicherung stellen weitgehend sicher, dass Menschen nicht in Not geraten. Und wo der Fall der Not doch eintritt, springt die Sozialhilfe (wie auch immer man sie nennt) auch noch ein. Selbst Stinkfaule verhungern bei uns nicht. Warum man denen aber statt Sachleistungen und Gemeinschaftsunterkünften ein Leben finanziert, das dem von fleißig Arbeitenden entspricht, sehe ich absolut nicht ein.

Wikinger61 vor 10 Wochen

Herr Holtemöller ist also der Meinung, dass es richtig ist junge Leute für das Nichtstun mit dem Bürgergeld zu versüßen. Dafür sollen aber ältere Arbeitnehmer bis zum Umfallen arbeiten. Damit wäre dann auch das Problem der Rentenkasse geklärt. 1 und 1 ist eben nicht bei jedem zwei.

astrodon vor 10 Wochen

@SusiB: Tja, nur ist das mit dem Sperren so eine Sache, so wegen "Verfassungsmäßigkeit" und "Grundrechten" und so ...
Und dazu kommt noch eine mangelhafte Kontrolle bzw. Beratung von Seiten der Ämter :-(( Seit Corona gibt es kaum noch Pflichttermine. "Fördern" war vorher schon kaum, "fordern" hat man dann scheinbar auch aufgegeben - das Beispiel habe ich leider in der eigenen Familie. Ende 20 und gesund - aber zu faul. Und wenn man sich erst mal mit Hartz eingerichtet hat ist es bei den meisten vorbei.
So sehr

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