Konrad Rein
Konrad Rein ist vermutlich Sachsen-Anhalts erster veganer Koch in Ausbildung. Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Porträt Vegane Blutwurst: Sachsen-Anhalts wohl erster veganer Koch-Azubi

18. November 2023, 05:00 Uhr

Ums Essen wird zum Teil erbittert gestritten. Bei Familienfesten treffen überzeugte Vegetarier und Fleischesser aufeinander, in Restaurants werden Speisekarten geprüft wie Geburtsurkunden und in sozialen Netzwerken wird über die richtige Ernährung diskutiert. Doch das muss nicht sein. Ein veganer Koch in Ausbildung zeigt, wie das gehen kann.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

"Für die meisten Leute, denen ich begegnet bin, in der Berufsschule oder in der Küche, bin ich der erste Veganer, den sie getroffen haben." Konrad Rein ist als Koch in Ausbildung ein ziemlicher Exot in Sachsen-Anhalt. Denn er ist wohl der erste Auszubildende in diesem Bereich, der eigentlich auf Fleisch auf dem Teller verzichtet.

Doch das ist für ihn derzeit nicht immer möglich, weil die Ausbildung zum Koch die gesamte kulinarische Bandbreite umfasst, von Gemüse über Fleisch bis hin zu Fisch. Er mache da also Kompromisse, sagt Rein. Insgesamt halte er die Ausbildung aber für zu wenig flexibel.

Trend zu weniger Fleisch

Seit Jahrzehnten sinkt der Fleischverbrauch in Deutschland. Im Jahr 2022 verzehrte statistisch gesehen jeder Deutsche 52 Kilogramm Fleisch, Anfang der 1990er-Jahre waren es noch zehn Kilo mehr.

Restaurants stellen sich auf die Entwicklung ein. Galt es vor Jahren noch als ungewöhnlich, nach fleischlosen Gerichten zu fragen, hat sich das nun geändert. Das bestätigt Josephine Clemens, Inhaberin des Magdeburger Lokals Hoflieferant. Konrad Rein macht dort seine Kochausbildung. "Wir haben viele Gäste, die in Familie zu uns kommen. Da haben sie dann Veganer und Fleischesser zusammen", sagt Clemens. Es würden immer mehr Vegetarier. "Gerade die jungen Leute, die unter 25 sind, sind mindestens vegetarisch, wenn nicht sogar vegan."

Inhaberin des "Hoflierant" in Magdeburg, Josephine Clemens 1 min
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1 min

Josephine Clemens betreibt das Restaurant "Der Hoflieferant" in Magdeburg. Sie nimmt eine Nachfrage nach veganem Essen wahr – vor allem bei jüngeren Leuten.

00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/video-interview-nachfrage-veganes-essen-100.html

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Mut zu Neuem oder vegane Blutwurst

Schon unter Fleischessern sorgt der Begriff Blutwurst für ein sehr geteiltes Echo. Konrad Rein hat nun als Auszubildender eine vegane Blutwurst entwickelt. Das war auch für ihn ein Experiment: "Man probiert halt so ein bisschen. Wie kriegt man da Struktur rein, damit das auch visuell ansprechend ist. Das Ganze besteht aus Seitan, Kichererbsen, Semmelmehl und ein bisschen Kräuterblut."

Kräuterblut gibt es in der Apotheke als Nahrungsergänzungsmittel für Menschen, die an Eisenmangel leiden. Immerhin schaffte es die vegane Blutwurst im Sommer auf die Speisekarte des Restaurants Hoflieferant.

Der Hoflieferant ist nicht Reins erste Lehrstelle, denn seine bisherigen Erfahrungen waren nicht durchgängig gut: "Ich würde es nicht Anfeindungen nennen, aber da war dann schon eine Art von Fremdeln zu spüren in der Küche, blöde Bemerkungen oder Sprüche."

Essen als ideologisches Schlachtfeld

"Sage mir, was du isst und ich sage dir, wer du bist": Ernährung ist inzwischen ein Teil der Debatte um Kultur und Identität geworden, die nicht selten Generationen teilt, wie man etwa Familientreffen erleben kann.

Für Konrad Rein sind das vermeidbare Debatten: "Ich finde, Genügsamkeit als Veganer ist auch wichtig. Ich verlange nicht von anderen Menschen, dass sie mir ein Extra-Gericht servieren, nur weil ich jetzt bei ihnen eingeladen bin."

Moralische Debatten über Schnitzel oder Eisbein findet Rein nicht zielführend: "Der eigene Standpunkt kann immer auch falsch sein. Man kann immer irgendeinen logischen Fehler haben. Deshalb sollte man Verständnis für andere Sichtweisen haben."

Konrad Rein, Koch in Ausbildung 1 min
Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Koch – schöner Beruf, aber …

In Gaststätten zeigt seit Jahren ein Fachkräftemangel. Das habe auch etwas mit den Bedingungen in deutschen Küchen zu tun, erklärt Konrad Rein: "Koch ist ein super interessanter Beruf. Aber irgendwie wird so getan, als ob das zwangsweise einhergeht mit einer '40 plus x Stunden'-Woche. Dass man also täglich in der Küche ackert und sich quasi sich selbst als Mensch aufopfert für diesen Beruf." Das mache für viele junge Leute den Beruf unattraktiv.

Aber die Ausbildung hat auch Verteile. Kochen ist ein Handwerk, das man in nahezu jeder Lebenslage auch im Privaten nutzen kann. Deutschland ist eines der wenigen Länder weltweit, in dem es eine Kochausbildung gibt. Darum sind ausgebildete Köche nicht nur in Deutschland nachgefragt, sondern werden weltweit gerne eingestellt.

Um aber mit aktuellen Ernährungstrends mitzuhalten, sollte die Kochausbildung in Deutschland modernisiert werden, meint Konrad Rein. In Österreich zum Beispiel sollen 2024 spezielle Ausbildungsgänge für vegetarische oder vegane Köche starten. Das ist in Deutschland bislang nur als Zusatzausbildung möglich.

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MDR (Uli Wittstock, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. November 2023 | 15:10 Uhr

29 Kommentare

hinter-dem-Regenbogen vor 24 Wochen

@Klaus.kleiner

Eine gewisse Reinheit sollte das Essen schon haben und nicht aus 100 Zutaten bestehen, die überwiegend nur dazu dienen, dass das Produkt so aussieht wie Essen oder so riecht wie Essen.

Hat es denn noch keiner gemerkt, dass diese Nahrungsersatzprodukte in der Werbung nur die Phantasie befrieden, aber nicht den Magen und noch dazu sind sie auch noch teurer als herkömmliche, auf natürlicher Basis zusamengestellte Nahrung.

Mich ärgert dabei, dass es zwar einen Verbrauchschutz gibt, dieser nimmt sich dieser Problematik der Täuschung jedoch nicht an. Aber dass auf alle Nahrung "Bio" drauf steht , da rühmt sich der Verbraucherschutz.

Wissen die jungen Leute von Heute eigentlich, dass es vor 50 Jahren nur Essen auf biologischer Basis gab ? Da stand nicht auf jedem Brot und jeder Flasche Milch "BIO" drauf, wir kannten das mit dem Bio garnicht, wir lebten einfach Bio, ohne dass im Radio dafür Werbung gemacht wurde.

Mich graut es schon vor dem Futter in der Zukunft.

hinter-dem-Regenbogen vor 24 Wochen

@Horst

Die Masse an Zusatzstoffen ist das Know-how (Werkzeug) der Produktfälscher.
Der Konsument wird praktisch in eine Illusion hineinversetzt, was am Ende auf die Ertragszunahme beim globalen agierenden Soja -und Kichererbsenhandel hinausläuft .

Warum wollen Veganer eigentlich Blutwurst essen ?
Und warum soll ich mir gemahlene Kichererbsen aus Australien auf den Grill legen ? . . . wenn doch der Salatkopf vor meiner Haustür wächst.

kann mir einer diesen Blödsinn mal erklären ?

hinter-dem-Regenbogen vor 24 Wochen

@Horst: __ "Die Geschmacksstoffe nimmt doch der Bürger . . ."

Geschmackstoffe sind chemisch- physikalisch hergestellte Produkte der Industrie , welch die Phantsie des Konsumenten richten sollen. - Man nennt diesen Prozeß auch Manipulation. Das ist bei veganer - und koscher Kost nicht anders, als wie bei konventionell industriel hergestellter Nahrung . Industriefood wird praktisch genauso hergestellt , wie das Mastfutter für die Tiere in der Landwirtschaft und genauso sollte sich der Verbraucher auch fühlen, wenn er Fleischlose Wurst oder ein simmuliertes Kottlett gereicht bekommen sollte .

Mein Tipp:
Wenn einer Vegan und koscher essen und leben wollte, dann sollte er zum Gemüsemarkt gehen, aber bitte nicht zum Fleischer.

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