Hintergrund AfD Sachsen: Welche Folgen die Einstufung des Verfassungsschutzes hat
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08. Dezember 2023, 18:15 Uhr
Nach dem Landesverband Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde nun auch die sächsische AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Vereinigung eingestuft. Doch welche konkreten Folgen hat das für die Partei - und inwieweit beeinflusst das die Wählerschaft?
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Während die AfD selbst die Einschätzung des Verfassungsschutzes als politisch motiviert deutet, bezeichnen Vertreter der sächsischen Landesregierung den Schritt als überfällig. "Wer jetzt immer noch glaubt, man könne mit dieser Partei zusammenarbeiten oder ihren Anträgen zustimmen, macht sich zum Steigbügelhalter von Verfassungsfeinden", sagte der innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann. Aber laufen deswegen auch Wähler davon?
Die Einstufung des Verfassungsschutzes könnten für den AfD-Landesverband und der bundesweiten AfD konkrete Folgen haben, ob diese auch kommen werden, ist aber keinesfalls sicher. MDR SACHSEN beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum hat die Einstufung des Verfassungsschutzes so lange gedauert?
Dem Ergebnis des sächsischen Verfassungsschutzes ging ein umfangreicher juristischer Prüfprozess voraus. Politikwissenschaftler Benjamin Höhne erklärt: Die Behörde habe öffentliche Äußerungen von Parteimitgliedern gesammelt und ausgewertet. Dazu würden sowohl belastendes als auch entlastendes Material gehören, das anschließend verglichen werden müsse, um zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen, teilte der Verfassungsschutz mit.
Dabei war es größtenteils unerheblich, dass die Landesverbände der AfD in Thüringen und Sachsen-Anhalt bereits als rechtsextrem eingestuft worden waren. Jeder Landesverband wird separat beurteilt, da sie über unterschiedliches Personal verfügen und eine eigene inhaltliche Ausrichtung entwickelt haben können.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Beurteilung?
Dem Verfassungsschutz stehen drei Kategorien zur Einstufung von Organisationen zur Verfügung: Prüffall, Verdachtsfall und schließlich gesichert extremistisch. Je schwerwiegender die Einstufung, desto niedriger sind die Hürden für geheimdienstliche Aktionen.
Bei gesichert extremistischen Bestrebungen können Telefongespräche leichter abgehört werden, V-Leute eingesetzt oder Personen observiert werden. Diese Werkzeuge sind bereits ab der Einstufung "Verdachtsfall" möglich, können aber nach der höchstmöglichen Kategorisierung leichter von Behörden ergriffen werden.
Was passiert, wenn die AfD in Zukunft einen Landrat und andere kommunale Ämter in Sachsen stellt?
Landräte und andere Amtsträger sind als Staatsdiener der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. Ihre Verpflichtung dem Grundgesetz gegenüber ist jedoch fraglich, wenn sie einer extremistischen Vereinigung angehören. Gewählte Mandatsträger und Mandatsträgerinnen können jedoch trotzdem im Amt bleiben.
Im Juni gewann der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Landratswahl im Thüringer Kreis Sonneberg mit 52,3 Prozent der Stimmen. Das Landesverwaltungsamt prüfte anschließend die Verfassungstreue Sesselmanns und kam zu dem Ergebnis, dass er im Amt bleiben kann. Allein die Mitgliedschaft in der als rechtsextrem eingestuften AfD-Thüringen reiche nicht aus, um ihn die Eignung abzusprechen.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine endgültige Entscheidung. Sobald neue Informationen zur Person Sesselmann auftauchen, könnte das Verfahren wiederaufgenommen werden.
Ist ein generelles Parteiverbot jetzt näher gerückt?
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Benjamin Höhne, Lehrbeauftragter an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, könnte dies tatsächlich der Fall sein. Jeder als rechtsextrem eingestufte AfD-Landesverband sei ein weiterer Baustein auf dem Weg zum Parteiverbot, sagt Höhne.
Entscheiden kann dies aber am Ende nur das Bundesverfassungsgericht. Ein Parteiverbot werde wahrscheinlicher wird, je mehr Landesverbände als verfassungsfeindlich eingestuft werden.
Höhne gibt jedoch zu bedenken, dass ein AfD-Parteiverbot womöglich schwerwiegende Folgen hätte. Wie das Institut Civey im Auftrag der "Sächsischen Zeitung" ermittelt, liegt die AfD in Sachsen bei derzeit 33 Prozent – gleichauf mit der CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer. Höhne stellt die Frage: "Wie viel Sinn ergibt es, eine Partei verbieten zu wollen, die ein Drittel der Bevölkerung in einem Bundesland wählen würde?"
Wird die Partei damit in Sachsen weniger erfolgreich?
Diese Hoffnung ist bei der Politikkonkurrenz zu hören. "Ich hoffe, dass sich Protestwähler und Sympathisanten der Partei von der jetzigen Einstufung des Verfassungsschutzes überzeugen lassen, demokratische Parteien zu wählen", sagte der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
Das scheint jedoch eher Wunschdenken zu sein. In Sachsen-Anhalt und Thüringen blieben die Umfragewerte auch nach der Einstufung des Verfassungsschutzes stabil. Die AfD kommt in beiden Bundesländern derzeit auf rund ein Drittel der Stimmen, ähnlich wie in Sachsen.
Politikwissenschaftler Benjamin Höhne schätzt einen Wählerrückgang für die AfD ebenfalls als unwahrscheinlich ein. So gebe es sicherlich sogenannte Protestwähler, die sich von einer Einstufung als rechtsextrem abschrecken lassen könnten. In den letzten Jahren sei jedoch ein Teil des Bürgertums an die politischen Ränder gerückt, so Höhne.
MDR (mad)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Sachsenspiegel | 08. Dezember 2023 | 19:00 Uhr