Ostdeutschland Mehr Azubis im Handwerk – Fachkräftemangel bleibt

27. Juni 2023, 05:00 Uhr

Wohl jeder kennt die Geschichten von Handwerksbetrieben, die händeringend Azubis suchen – und keine finden. Jahr für Jahr bleiben Lehrstellen unbesetzt. Doch nun kommt eine überraschende Botschaft aus dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, das zur Arbeitsagentur gehört. Die Wissenschaftler haben nachgezählt und festgestellt: Die Zahl der Azubis in Ostdeutschland steigt.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Nico Berthold hat vorerst keine Azubi-Sorgen mehr. Der Unternehmer führt die Geschäfte von ASB Zwenkau, installiert Alarmanlagen und Brandmelder. Seit 2015 bildet er aus. Anfangs seien nur wenige Bewerbungen gekommen. Doch inzwischen habe sich die Anzahl verdreifacht. Alle sechs Lehrstellen seien besetzt, freut sich Berthold. Auf die Frage nach dem "Warum" könnte er sich auf die Schultern klopfen und sein Betriebsklima loben. Stattdessen sagt Berthold, er nehme grundsätzlich ein wachsendes Interesse Jugendlicher am Handwerk wahr.

Handwerksberuf heute attraktiver

"Die sehen auch, dass man im Handwerksberuf generell mittlerweile wieder viele, viele Möglichkeiten hat. Es wird viel, viel besser bezahlt als früher", sagt Berthold. Durch die Digitalisierung und modernere Arbeitsmittel sei der Job auch interessanter geworden. "Man hat Werkzeuge in unserem Bereich zum Beispiel, mit denen man Halter an die Decke schießt und nicht mehr bohrt."

Tatsächlich ist Berthold nicht der Einzige, der ein wachsendes Interesse am Handwerk beobachtet. Nach einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ist die Anzahl der Auszubildenden im ostdeutschen Handwerk seit 2015 um neun Prozent gestiegen – trotz aller Klagen um fehlende Azubis und gegen den gesamtdeutschen Trend. Das liege zum einen an der Demographie, sagt Forscherin Gabriele Wydra-Somaggio. Der Geburtenknick nach der Wiedervereinigung sei überwunden, es gebe wieder mehr junge Ostdeutsche. Aber das erkläre die Zuwächse nicht allein.

"Das Handwerk wird nicht mehr als so schmutzig gesehen, wie es war. Die Karriereaussichten sind auch deutlich besser geworden. Es kann ein größerer Anteil an Ausbildungsabsolventen in dem Ausbildungsbetrieb verbleiben, was früher nicht so häufig der Fall gewesen ist", sagt sie. Auch die Verdienstaussichten seien in den letzten Jahren verbessert worden.

Das Handwerk wird nicht mehr als so schmutzig gesehen, wie es war. Die Karriereaussichten sind auch deutlich besser geworden.

Gabriele Wydra-Somaggio Forscherin

Den Trend bestätigt Volker Lux, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Leipzig. Er sagt, Ende Mai habe es in seinem Kammerbezirk zehn Prozent mehr neue Lehrverträge gegeben als zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr. Bestimmte Berufe seien besonders gefragt. "Es ist seit Jahren so, dass Tischler ganz hoch im Kurs stehen. Und wenn man sich die Hitliste derer mal anguckt, die kräftig gesteigert haben, dann sind Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker und auch die Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heiz- und Klimatechnik ganz vorne dran."

Fachkräftebedarf steigt mit Energiewende

Aber heißt das, der Klempner-Mangel gehört bald der Vergangenheit an? Lux lacht. Diese Illusion müsse er leider nehmen. Und auch Forscherin Wydra-Somaggio macht wenig Hoffnung: "Also in den nächsten Jahren wird es sicher weiter einen Fachkräfte-Engpass geben, weil einfach die Energiewende und die politischen Maßnahmen, die damit verbunden sind, durch das Handwerk umgesetzt werden müssen." Der Bedarf an Fachkräften werde weiter steigen, so dass die Entwicklung der Azubi-Zahlen kaum Schritt halte, so Wydra-Somaggio.

Allein um die Wärmepumpenziele der Bundesregierung zu erreichen, braucht es 60.000 zusätzliche Monteure. Das hat der Zentralverband der Heizungsbauer vorgerechnet. So viele zusätzliche Azubis werden sich auf die Schnelle dann vermutlich doch nicht finden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 27. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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