Öffentlicher Dienst Sachsen als Arbeitgeber will mit neuem Gleichstellungsgesetz punkten

19. September 2023, 18:30 Uhr

Mehr als acht Jahre wurde darüber diskutiert: Nun soll Sachsen ein neues Gleichstellungsgesetz bekommen. Denn das bisherige ist fast 30 Jahre alt und nach Meinung der Landesregierung nicht mehr zeitgemäß. Am Mittwoch soll der Landtag über die Neuerungen für die mehr als 200.000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst des Freistaates abstimmen.

Nach fast 30 Jahren soll Sachsen ein neues Gleichstellungsgesetz bekommen. Der Entwurf kommt aus dem sächsischen Justizministerium. Nach dessen Willen soll das Gleichstellungsgesetz die Arbeitsbedingungen der mehr als 200.000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst verbessern. Wie eine Sprecherin des sächsischen Justizministeriums MDR SACHSEN sagte, soll das Gesetz sich auch positiv auswirken für die etwa 90 Prozent der Beschäftigten in Sachsen, die nicht im Öffentlichen Dienst arbeiten.

Die CDU habe sich mit dem Gleichstellungsgesetz schwergetan, räumt Martin Modschiedler, Rechtsexperte der Landtagsfraktion, im Gespräch mit MDR SACHSEN ein. Jetzt sei ein Kompromiss abgestimmt. Modschiedler ist dabei wichtig, dass Familie und Beruf besser vereinbar werden. "Wir haben durch Corona gesehen: Mobiles Arbeiten funktioniert." Das habe man erstmalig in das Gesetz eingearbeitet. Beschäftigte sollen demnach per Anspruch ihre Arbeitszeit flexiblel einrichten können - in Rücksprache mit dem Dienstherren. Das sei beispiellos, so Modschiedler.

Klagerecht für Gleichstellungsbeauftragte

Neu ist auch: Mit dem Gesetz können Frauen leichter in Führungspositionen aufsteigen. Zudem werden die Gleichstellungsbeauftragten gestärkt. Diese reden künftig bei allen Bewerbungsverfahren, Teilzeit- oder Homeoffice-Regelungen mit. Landtagsabgeordnete Lucie Hammecke von Bündnis 90/Die Grünen sagte MDR SACHSEN: "Ganz wichtig ist, dass die Gleichstellungsbeauftragte eine Klagemöglichkeit hat und nicht mehr auf 'good will' angwiesen ist." Das sei ein großer Schritt.

Steckbrief neues Gleichstellungsgesetz:

  • Behörden müssen die Zugangs- und Aufstiegschancen von Frauen auf allen Funktionsebenen verbessern
  • Stellen müssen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden, mit Verweis auf Teilzeitmöglichkeit auch bei Chefposten
  • Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten an der Besetzung von Positionen
  • Familien- und Pflegeaufgaben sowie ehrenamtliche Tätigkeiten werden neben Zeugnissen als Qualifikation mit berücksichtigt
  • Teilerstattung von Kosten für die Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen (vorbehaltlich verfügbarer Mittel)
  • Anspruch auf flexible Arbeitszeitgestaltung zur Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben
  • Gleiche Aufstiegs- und Fortbildungschancen für mobil arbeitende Bedienstete

Gesetz soll auf Privat-Wirtschaft ausstrahlen

Die Mehrheit der Beschäftigten in Sachsen - laut Statistischem Landesamt etwa 1,8 Millionen Menschen - arbeiten nicht im Öffentlichen Dienst. Auch für sie soll das Gesetz positive Auswirkungen haben. Der Freistaat habe als Arbeitgeber eine Vorbildwirkung, sagt dazu Sachsens Gleichstellungsministerin Katja Meier (Bündnis 90/Grüne). Mit dem Gesetz punkte er bei Fachkräften.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stünden demnach auch hinsichtlich guter Vereinbarkeit von Familie und Beruf und besseren Aufstiegschancen für Frauen im Wettbewerb.

Mit dem Gesetz punktet der Freistaat Sachsen bei Fachkräften. Denn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stehen auch hinsichtlich guter Vereinbarkeit von Familie und Beruf und besseren Aufstiegschancen für Frauen im Wettbewerb.

Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) Sächsische Gleichstellungsministerin

Lob und Kritik von der Opposition

Die AfD-Gleichstellungspolitikerin Martina Jost kann dem Gesetzentwurf nichts abgewinnen. Sie hält eine Frauen-Quote in Bewerbungsverfahren bei 65 Prozent Fauenanteil im Öffentlichen Dienst für überflüssig. "Selbst in den Chefetagen sind Frauen fast zur Hälfte vertreten." Dass bei jeder Einstellung nun immer die Bewerberin bevorzugt wird, sei ein Rückschritt in Sachen Chancengleichheit, findet Jost. Weiter kritisiert die AfD-Frau den veranschlagten Personalaufwand von 63 zusätzlichen Stellen in den Verwaltungen der Landesregierung, um das Gesetz durchzuführen. In Summe sind das zusätzliche jährliche Kosten von sechs Millionen Euro.

Wie gut ist Sachsen bei der Gleichstellung?

  • Zwei Drittel der Beschäftigten im sächsischen Öffentlichen Dienst sind Frauen.
  • Der Frauenanteil an den Spitzengehältern für Beamte (ab A 13) beträgt 39,2 Prozent und bei Arbeitnehmenden (ab E 13) 59,7 Prozent.
  • In den obersten Leistungsfunktionen stagnierte der durchschnittliche Frauenanteil bei ca. 46 Prozent, besonders aufgrund des Schulbereichs.
  • Der Frauenanteil bei Neueinstellungen im Öffentlichen Dienst betrug 62 Prozent.
  • Bewerbungen um Chefposten kamen nur zu 43,1 Prozent von Frauen.
  • Bei Beförderungen stagnierte der Frauenanteil in den letzten 20 Jahren bei ca. 40 bis 45 Prozent.
  • Etwa ein Drittel der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst arbeitet in Teilzeit. Davon sind etwa sieben von zehn Teilzeitbeschäftigten Frauen.

Quelle: 6. Frauenförderungsbericht des Freistaates Sachsen von 2021

Aus Sicht der Linke-Partei im Landtag ist das Gesetz ein Fortschritt. Allerdings kritisiert Gleichstellungsexpertin Sarah Buddeberg, dass das neue Gesetz nur für die Landesebene gelten soll, nicht aber für Städte und Gemeinden in Sachsen, zumindest nicht verpflichtend. Das bedauern Grüne und SPD ebenso. Gibt das Parlament am Mittwoch grünes Licht, könnte das neue Gleichstellungsgesetz ab Januar 2024 in Kraft treten und das angestaubte Frauenfördergesetz von 1994 ersetzen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 19. September 2023 | 13:00 Uhr

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