In den frühen Morgenstunden liegt ein totes Reh auf einer Straߟe .
In der dunklen Jahreszeit mehren sich Wildunfälle. Die Polizei mahnt zur Vorsicht. (Symbolbild) Bildrechte: picture-alliance / ZB | Patrick Pleul

Wildwechsel Polizei in Sachsen warnt vor mehr Wildunfällen im Herbst

31. Oktober 2022, 14:54 Uhr

Im Herbst häufen sich alljährlich Wildunfälle. Wildtiere sind besonders in der Dämmerung aktiv, genau in diese Zeiten rutscht in der dunklen Jahreszeit der Berufsverkehr. Auch die Zeitumstellung spielt eine Rolle. Die Polizei mahnt zu besonderer Vorsicht. Von den Polizeidirektionen in Zwickau und Görlitz gibt es konkrete Tipps an Fahrzeugführer für richtiges Verhalten. Konkrete Zahlen für Unfälle mit Wildbeteiligung sind hingegen schwierig zu ermitteln.

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Mit der Zeitumstellung am Wochenende ist die Gefahr von Wildunfällen nochmals deutlich angestiegen. "Menschen und Tiere begegnen sich vor und nach den Uhrenumstellen 'zu unterschiedlichen Zeiten'", wie es ein Sprecher der Polizeidirektion Zwickau formuliert. Konkret sind die Menschen von einem auf den anderen Tag zu neuen Uhrzeiten unterwegs, während den Tieren die Zeitumstellung naturgemäß egal ist. Der Berufsverkehr verlagere sich in die Morgen- und Abenddämmerung und das sei der Tageszeitraum, in dem Rehe, Wildschweine und andere Wildtiere am aktivsten sind und sich auf Nahrungssuche begeben. "Etwa zwei Drittel aller Wildunfälle ereignen sich zu diesen Tageszeiten."

Fahrten zwischen 6 und 8 Uhr morgens besonders gefährlich

Studien haben laut Polizei ergeben, dass Verkehrsteilnehmer zwischen 6 und 8 Uhr besonders vorsichtig unterwegs sein sollten – insbesondere in Wald- oder Feldgebieten und auf allen Straßen, an denen das Verkehrszeichen "Achtung Wildwechsel" steht. Das Schild kennzeichnet Streckenabschnitte, an denen sich innerhalb von drei Jahren mindestens 23 Wildunfälle ereignet haben.

Allein im Landkreis Zwickau und dem waldreichen Vogtlandkreis registrierte die Polizei in der Vergangenheit pro Jahr durchschnittlich rund 1.500 Wildunfälle. Seit Oktober wurden in allen Polizeidirektion in Sachsen wieder mehr Zusammenstöße zwischen Wildtieren und Fahrzeugen aufgenommen - so musste beispielsweise vom 25. zum 26. Oktober die Polizei in den Landkreisen Bautzen und Görlitz binnen 24 Stunden 13 Wildunfälle bearbeiten.

Statistische Erfassung schwierig und kaum aktuell

Genaue Zahlen sind dennoch schwierig, wie Recherchen von MDR SACHSEN ergaben. In den Polizeidirektionen werden die Zahlen von Wildunfällen oft erst zeitversetzt in die Statistik eingegeben. Alle Polizeisprecher verweisen darauf, dass aktuelle Unfallzahlen aus den vergangenen Wochen nur eine Momentaufnahme seien.

Zudem wird im sächsischen Landwirtschaftsministerium über Zahlen von Sachsenforst eine gesonderte Statistik geführt. Diese erfasst die Zahlen der Wildtiere, die bei Verkehrsunfällen getötet und den Jagdpächtern gemeldet oder von diesen entdeckt werden. Eine Ministeriumssprecherin erklärte, dabei sei zu beachten, dass sich die Zahlen auf sogenannte Jagdjahre beziehen - also jeweils auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. "Weiterhin weisen wir darauf hin, dass das Wildmonitoring in Sachsen von circa. 80 Prozent der Jäger verwendet wird. Deswegen ist das restliche 20 Prozent in den Daten nicht hinterlegt."

Bei Verkehrsunfällen zur Strecke gekommene Wildtiere in Sachsen
Tierart Jagdjahr 2021/22 Laufendes Jagdjahr 2022/23 bis 28.10.2022
Rotwild 86 6
Damwild 42 2
Rehwild 4.050 116
Muffelwild 6 0
Schwarzwild (Wildschweine) 744 25
Iltis, Wolf, Marderhund, Dachs, Rotfuchs 2.243 26

Wildunfälle mit schweren Tieren können insbesondere für Zweirad- und Pkw-Fahrer wegen des Aufprallgewichts gravierende Folgen haben. Mit höherer Fahrzeuggeschwindigkeit erhöht sich nach physikalischen Gesetzen das Gewicht des Tieres beim Aufprall, worauf der Jagdverband im benachbarten Sachsen-Anhalt hinweist.

Polizei mahnt zu besonderer Vorsicht außerhalb von Ortschaften

Um Unfälle zu vermeiden oder wenigstens die Unfallfolgen für die Fahrzeugführenden zu mindern, hat die Polizei eine Reihe Tipps veröffentlicht. Generell muss demnach auf allen Strecken ohne menschliche Ansiedlungen immer mit Wildwechsel gerechnet werden. Besondere Vorsicht gelte bei Straßen die durch bewaldetes Gebiet führen. Hier befinden sich oft vom Wild begehrte Nahrungsquellen beziehungsweise Gewässer, die als Tränke geeignet sind und genutzt werden. "Aber auch in Siedlungen oder gar Städten kann es zu Wildbegegnungen kommen", so die Polizei in Görlitz. So sei im Juli dieses Jahres ein Pkw-Fahrer in Görlitz mitten in der Stadt mit einem Rehbock kollidiert.

Wie verhält man sich als Auto- oder Motorradfahrer in Wildwechselgebieten richtig?

Grundsätzlich gilt: Runter vom Gas. Je schneller das Fahrzeug, desto weniger Zeit bleibt zum Reagieren. Wer beispielsweise mit Tempo 60 statt 80 Kilometern pro Stunde fährt, verkürzt dem Bremsweg um mehr als 30 Meter. Feuchtes Laub verlängert den Bremsweg abermals, so die Polizei. Außerdem sollten Verkehrsteilnehmer stets damit rechnen, dass vorausfahrende Fahrzeuge plötzlich bremsen müssen und einen entsprechenden Sicherheitsabstand halten.

Was tun, wenn sich Wild am Fahrbahnrand zeigt oder bereits auf der Straße ist?

Abbremsen, abblenden und gegebenenfalls hupen, um die Tiere zu verjagen. Sollte sich ein Zusammenstoß nicht mehr vermeiden lassen, ist laut Polizei "Bremsen und geradeaus Steuern die beste Option" – Ausweichmanöver könnten zu noch schwereren Unfällen führen - etwa wenn das Fahrzeug gegen Straßenbäume prallt oder in den Gegenverkehr gerät.

Was ist zu tun, wenn dennoch ein Unfall mit Wildtieren passiert ist?

Nach einem Zusammenstoß muss zunächst die Unfallstelle gesichert und die Polizei informiert werden. Dem verletzten Tier sollte man sich lieber nicht nähern: Gerade ein Wildschwein könne Menschen auch verletzt noch sehr gefährlich werden.

Manch totgeglaubtes Wildschwein sprang schon auf und ging zum Angriff über.

Polizeidirektion Görlitz

Angefahrene und verletzte Tiere müssen durch erfahrene Jagdpächter aufgespürt und gegebenenfalls behandelt oder getötet werden. Die Bergung von toten Tieren sollten Autofahrer aus Sicherheitsgründen dem Jagdpächter überlassen, den die Polizei bei Wildunfällen hinzuruft. Außerdem haben manche Wildtiere Krankheiten oder Parasiten. Wenn das Tier wirklich tot ist, können es Autofahrer im Ausnahmefall mit Handschuhen anfassen und zur Seite ziehen, damit nicht noch jemand darüberfährt. Das Mitnehmen überfahrener Tiere ist verboten und kann als Wilderei geahndet werden.

Die Polizeidirektion Leipzig ergänzt, dass nicht zu jedem Wildunfall die Verkehrspolizei gerufen werden muss: Ist kein Wild mehr am Unfallort auffindbar, das Fahrzeug noch fahrbereit, kein Mensch verletzt und sind keine weiteren Gefahren absehbar, könne der Unfallbeteiligte ein Polizeirevier aufsuchen und den Vorfall dort melden.

Besonders in der kalten Jahreszeit ereignen sich viele Wildunfälle
Diese Warnschilder stehen überall dort, wo sich bereits viele Wildunfälle ereignet haben. Bildrechte: IMAGO / Andreas Haas

So viele Wildunfälle hat die Polizei in Sachsen im Oktober gezählt

  • Die Polizeidirektion Zwickau hat von 1. bis 14. Oktober insgesamt 72 Wildunfälle mit einer leichtverletzten Person aufgenommen. (Vergleichszeitraum 2021: 65 Wildunfälle ohne Verletzte)
  • Die Polizeidirektion Leipzig hat bisher im Oktober 130 Wildunfälle bearbeitet.
  • Die Polizeidirektion Görlitz hat vom 1. bis 26.Oktober insgesamt 90 Verkehrsunfälle mit Wildbeteiligung registriert. Dabei wurde ein Motorradfahrer schwer verletzt, der auf der B156 offenbar mit einem Hasen zusammengestoßen war.
  • Die Polizeidirektion Dresden hat bisher für Oktober "unter den Parametern 'Unfall ohne Rechtsverstoß' 106 Wildunfälle" registriert. In Radebeul wurde ein E-Bike-Fahrer schwer verletzt, weil ein Reh seinen Weg kreuzte und er zu Fall kam.
  • Die Polizeidirektion Chemnitz hat nach eigenen Angaben zum Stichtag am 26. Oktober 112 Wildunfälle erfasst. "Dabei wurden zwei Personen leicht verletzt."

Alle Sprecherinnen und Sprecher der Polizeidirektionen betonen, dass diese Zahlen nicht endgültig sind.

Wildunfall Tier Straßenrand
Sechs Rot- und zwei Damhirsche (Symbolfoto) sind in diesem Jahr in Sachsen schon mit Fahrzeugen zusammengestoßen. Bildrechte: IMAGO / alimdi

Schweinpest-Zäune könnten Zahl der Wildunfälle minimieren

Möglicherweise könnte die Zahl der Wildunfälle zumindest in Ostsachsen in diesem Jahr im Vergleich zu früheren Jahren geringer ausfallen. Wie das Landratsamt in Bautzen auf Nachfrage von MDR SACHSEN mitteilte, gebe es erste Aussagen der Jägerschaft, dass die entlang von Straßen in den Landkreisen Görlitz, Bautzen und auch Meißen aufgestellten Schutzzäune gegen die Afrikanische Schweinepest die Zahl der Wildunfälle tendenziell verringern könne.

MDR (lam)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | Der lange Sonnabend | 29. Oktober 2022 | 06:40 Uhr

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