Koalitionsstreit Wirtschaftsminister Dulig: "Vergabegesetz wird kommen"

30. April 2023, 20:19 Uhr

Seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt will Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat strenger regeln. Aber auch in der aktuellen Koalition konnte der SPD-Politiker die Reform in der Koalition noch nicht durchsetzen. Die CDU-Fraktion hält den bisherigen Gesetzentwurf für zu bürokratisch und blockiert das Vorhaben bislang. Dabei war es im Koalitionsvertrag 2019 vereinbart worden.

Er sei genervt und ungeduldig, das gibt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig unumwunden zu. Das Ende der Legislaturperiode ist mittlerweile absehbar, der Beschluss eines mehrheitsfähigen Vergabegesetzes in Sachsen hingegen nicht. Für den Sozialdemokraten ist schon zu viel Zeit verloren gegangen, das alte Vergabegesetz in Sachsen vernünftig zu reformieren.

Vernunft bedeutet dabei für Dulig: Den Zuschlag für öffentliche Aufträge des Landes und der Kommunen in Sachsen sollen künftig nicht mehr die günstigsten Anbieter bekommen. Die Vergabe soll an bestimmte Vorgaben geknüpft werden, etwa an eine bestimmte Lohnuntergrenze oberhalb des Mindestlohnes. Auch Tarifbindung und Umweltstandards seien zu berücksichtigen. Ins Detail gehen will der Wirtschaftsminister nicht. Sein Entwurf liegt seit Dezember vor - seitdem wird in der Koalition hart gerungen.

CDU befürchtet Zunahme der Bürokratie

Die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag stellt sich bislang quer und hat eine andere Vorstellung von Vernunft. Der bisherige Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers führe für die Wirtschaft und öffentliche Hand zu unnötig mehr Bürokratie bemängelt der CDU-Landtagsabgeordnete Ingo Flemming. Über Nachhaltigkeitsstandards könne man diskutieren, skeptisch blickt der Vorsitzende der Dresdner Mittelstands- und Wirtschaftsunion auf Themen wie Tarifbindung und Lohnuntergrenzen.

Als Beispiel nennt Flemming das Baugewerbe, wo angesichts des Fachkräftemangels ohnehin Arbeitnehmer über dem Mindestlohn bezahlt werden würden. Durch den bisherigen Dulig-Entwurf hätten schon mittelgroße Betriebe neues Personal anstellen müssen, um sich auf öffentliche Aufträge bewerben zu können, befürchtet der CDU-Politiker. Einige schwarze Schafe sollten nicht einen riesigen Kontrollaufwand für eine gesamte Branche rechtfertigen. Auch die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft und die Industrie- und Handelskammern in Sachsen haben sich gegen das Vorhaben ausgesprochen.

Linke und DGB fordern Standards auch für internationale Aufträge

Für die Linke im Landtag gehen die Befürchtungen der CDU an der Realität vorbei. Der Linken-Landtagsabgeordnete Marco Böhme verweist auf Thüringen und Berlin, die in ihren landeseigenen Vergabegesetzen zum Beispiel die Tariftreue und Vergabemindestlohn verankert haben. Darunter habe die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht gelitten. Für Böhme sind Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards auch notwendig, weil der Freistaat Großaufträge etwa für Arbeitskleidung auch international vergibt.

Ein Polizist steht vor einem Funkstreifenwagen
Auch für die Beschaffung im Ausland, etwa bei Uniformen für die Polizei, sollen die geplanten Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards angewandt werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Arno Burgi

DGB-Landesvorsitzender Markus Schlimbach kritisiert in diesem Zusammenhang die Produktion von sächsischen Polizeiuniformen in Rumänien zu billigsten Preisen. Bei solchen Beschaffungen müssten auch Kriterien eingezogen werden, dass nicht bloß Arbeitnehmer ausgebeutet würden, sondern das auch auf faire Arbeitsbedingungen geachtet werde, sagt Schlimbach.

In Sachsen seien nur 15 Prozent der Betriebe tarifgebunden, der Freistaat rangiere auf dem vorletzten Platz vor Mecklenburg-Vorpommern. Ein Instrument das zu verbessern sei ein entsprechendes Vergabegesetz.  

Wird Vergabegesetz erneut Wahlkampfthema?

Die Gespräche über die Reform des Vergabegesetzes sollen innerhalb der Koalition in der nächsten Woche fortgesetzt werden. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Und hinter den Kulissen unkt bereits mancher Politiker, dass die SPD erneut mit dem Thema Vergabesetz in den Wahlkampf gehen müsste.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 30. April 2023 | 19:00 Uhr

5 Kommentare

Wagner vor 51 Wochen

Alles gut und schön und trotzdem wirds Wege geben,die das Ganze umgehen werden. Wir nähern uns der Planwirtschaft,fehlt nur noch die staatliche Plankommission.Und dann gleich noch die 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich reinschreiben .So nimmt dann die wirtschaftspolitische Geisterfahrt so richtig Tempo auf.

Hobby-Viruloge007 vor 51 Wochen

Kann man machen, wir aber dazu führen, das gerade die regionalen Mittelständler keine Angebote mehr abgeben. Solange die andere Kunden haben, werden sie dort arbeiten.
Dann gehen die Aufträge an VINCI und Strabag.

Peter vor 51 Wochen

Nur 15% der sächsischen Firmen sind tarifgebunden.
Mir scheint, die CDU will das in Sachsen nicht ändern. Die SPD schon.
Es liegt auf der Hand, wer die Interessen der Arbeitnehmer hierzulande vertritt und wer nicht.

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