FAQ Wie Thüringen Akku-Triebwagen auf die Schiene bringen will
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10. Februar 2023, 07:40 Uhr
In Thüringen sollen die Zahl der Elektrofahrzeuge steigen - auch auf der Schiene. Nicht nur auf kleineren Strecken rollen bisher in der Regel Triebwagen mit Dieselmotor. Auch große Strecken mit tausenden Fahrgästen pro Tag werden mit solchen Zügen bedient. Der Freistaat unternimmt nun den ersten großen Schritt, das zu ändern. Ab 2028 sollen Dieseltriebwagen auf mehreren Strecken vor allem in Nordthüringen durch Akku-Fahrzeuge ersetzt werden - obwohl es dort meist keine Oberleitung gibt.
Inhalt des Artikels:
- Warum will das Land weg vom Diesel?
- Wie funktioniert das Laden der Akku-Fahrzeuge?
- Welche Reichweite haben die Akku-Fahrzeuge?
- Welche Strecken sollen ab 2028 umgestellt werden?
- Welche Kosten sind für die Batteriefahrzeuge zu erwarten?
- Sind Akku-Fahrzeuge ein Mittel, um weitere Elektrifizierungen von Strecken einzusparen?
- Wie weit ist das Verfahren fortgeschriten?
- Warum erwägt das Land keine Züge, die mit Wasserstoff angetrieben werden, um CO2-Neutralität zu erreichen?
Warum will das Land weg vom Diesel?
Nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen. Dieselfahrzeuge emittieren nach allgemeinen Erkenntnissen unterm Strich deutlich mehr Kohlendioxid als Elektrofahrzeuge - auch weil die Motoren schlicht weniger effizient arbeiten. "Das heißt, dass wir Stück für Stück umstellen werden zu umweltfreundlichen Akku-Betriebsfahrzeugen." Um wie viel geringer die Kohlendioxid-Emissionen der Akku-Fahrzeuge sind, kann das Thüringer Verkehrsministerium noch nicht genau beziffern. Das hänge von den Streckenprofilen ebenso ab wie vom Strommix, mit dem die Züge betrieben werden. Die Deutsche Bahn hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2038 mit 80 Prozent Ökostrom zu fahren. Im Fernverkehr ist es nach Angaben der Bahn bereits heute mehr als die Hälfe.
Wie funktioniert das Laden der Akku-Fahrzeuge?
Das kann im Bahnhof passieren. Besser ist nach Angaben des Ministeriums allerdings das Laden während der Fahrt, denn die großen Strommengen sind eine Belastung für Fahrdraht und Abnehmer, wenn sich das Fahrzeug nicht bewegt. "Interessant ist der Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen, wenn Beginn und Ende einer Linie bereits mit einem Fahrdraht oder eine Nachlademöglichkeit versehen sind." Etwa rund um den Erfurter Hauptbahnhof etwa ist das gegeben, von dem aus einige der Linien fahren, die ab 2028 umgestellt werden sollen. Punktuell sollen einige neue Leitungen für das Netz zugebaut werden, auch einige Lademöglichkeiten an Bahnhöfen sollen installiert werden.
Welche Reichweite haben die Akku-Fahrzeuge?
Konkret will das Ministerium das nicht benennen. "Die Einsatzmöglichkeiten der Fahrzeuge sowie die Anforderungen an die Technologie müssen für jedes Netz, teilweise sogar für jede Strecke im Detail berechnet werden." Heißt im Klartext: Wo es kräftig bergauf geht, etwa nach Ilmenau, da fällt die Reichweite geringer aus. Informell ist zu hören, dass im platten Land durchaus 100 Kilometer drin sind - auch im Winter und wenn der Akku nicht mehr ganz frisch ist. Die Alterung der Technik "wird bei der Planung berücksichtigt", heißt es aus dem Verkehrsministerium.
Der Fahrgastverbad Pro Bahn geht davon aus, dass Havarien die Ausnahme bleiben werden. "Wenn man mit batterieelektrischen Fahrzeugen Fahrpläne gestaltet, macht man das immer mit einer Reserve, dass das Fahrzeug auch bei ungünstigen Rahmenbedingungen nicht sofort mit leerem Akku liegenbleibt. Diese Sorge haben wir nicht", sagt Olaf Behr, Landesvorsitzender von Pro Bahn. Verkehrsministerin Susanna Karawanskij sagt ebenfalls, die technische Entwicklung von Akku-Fahrzeugen sei in den letzten Jahren enorm vorangeschritten. Die möglichen Reichweiten hätten sich deutlich nach oben entwickelt - wie bei Autos auch.
Welche Strecken sollen ab 2028 umgestellt werden?
Es geht zunächst um die Strecken von Erfurt über Kühnhausen, Bad Langensalza, Mühlhausen nach Leinefelde, um Gotha-Bad Langensalza, um Erfurt-Sondershausen-Nordhausen, um Fröttstädt-Friedrichroda, Erfurt-Saalfeld und Erfurt-Ilmenau. Letztere Strecke wird von Erfurt bis Arnstadt gemeinsam gefahren, dann trennen sich die Züge. Insgesamt geht das Ministerium von 3,5 Millionen Kilometern aus, die auf diesen Verbindungen pro Jahr zu fahren sind, im gesamten Thüringer Regionalverkehr auf der Schiene sind es mehr als 20.
Welche Kosten sind für die Batteriefahrzeuge zu erwarten?
Das ist noch unklar und hängt auch davon ab, welche Angebote die Eisenbahnunternehmen wie DB Regio oder die Erfurter Bahn für die neuen Strecken abgeben. Also mit welchen Kosten sie rechnen und wie hoch der Zuschussbedarf des Landes daneben noch ausfällt, denn der sogenannte Schienenpersonen-Nahverkehr, mit dem täglich tausende Thüringer zur Arbeit pendeln oder Ausflüge machen, ist ein Zuschussgeschäft.
Und unter Experten gelten Diesel-Fahrzeuge als besonders teuer im Unterhalt, die Motoren sind wartungsaufwändiger. Der Preis für den Verzicht auf die Oberleitung ist also hoch. Die Ministerin erwartet zudem, dass die Kraftstoffpreise tendenziell weiter steigen, der Vorteil der Elektrofahrzeuge also größer wird. Und selbst mit Akku sollen die Fahrzeuge am Ende ihres Lebens nicht mehr Kosten verursacht haben als die Dieselfahrzeuge, eher im Gegenteil.
Sind Akku-Fahrzeuge ein Mittel, um weitere Elektrifizierungen von Strecken einzusparen?
Nein. Da sind sich Pro Bahn und das Ministerium einig. Kurze Strecken mit vergleichsweise wenig Verkehr ließen sich gut überbrücken. Aber bei großen Strecken mit mehreren Personenzügen pro Stunde und Güterverkehr seien mit Oberleitung langfristig deutlich günstiger im Unterhalt. Etwa auf der Regionalexpress-Linie 1 zwischen Göttingen und Glauchau sind derzeit die Abschnitte zwischen Weimar und Gößnitz ohne Fahrdraht - und zwischen Bad Langensalza und Gotha. Letzterer ließe sich mit Akkus überbrücken, der lange Abschnitt in Ostthüringen nicht mehr. Diese sogenannte Mitte-Deutschland-Verbindung soll ab 2027 auf mehr als 100 Kilometern Länge elektrifiziert und vollständig zweigleisig ausgebaut werden.
Wie weit ist das Verfahren fortgeschriten?
2024 will der Freistaat den Auftrag für das "Nordthüringennetz II" vergeben. Weil es bis weit nach Südthüringen reicht, könnte es aber noch umbenannt werden. "Ein Arbeitstitel", heißt es aus dem Ministerium.
Warum erwägt das Land keine Züge, die mit Wasserstoff angetrieben werden, um CO2-Neutralität zu erreichen?
Das Land gibt an, die Fahrzeuge würden Anforderungen an den Betrieb nicht erfüllen, etwa bezüglich der Spurtstärke. Zugleich geht das Land davon aus, dass die Wartungskosten geringer ausfallen, wenn mehr Züge grundsätzlich ähnlich aufgebaut sind. Das ist bei elektrischen Fahrzeugen - ob mit oder ohne Akku nach Meinung des Landes eher gegeben als mit Brennstoffzellen-Technik. Zudem habe die Technik einen schlechteren Wirkungsgrad.
MDR (flog/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. Februar 2023 | 19:00 Uhr
Ralf G am 11.02.2023
In Artikeln zu immer wieder auftretenden Zugausfällen liest man häufig von Problemen mit dem Schienennetz. Wären Investitionen in diesem Bereich nicht sinnvoller, als ausfallende Züge die dann aber Akku-Triebwagen haben?
Ralf G am 10.02.2023
@AL - Spritpreis ist ein interessantes Thema. Der Rohölpreis Brent liegt aktuell so im Mittelwert der letzten 10 Jahre. Kann man beim Strompreis nicht behaupten.
Sollte in Europa und anderen Staaten in Zukunft der Ölverbrauch sinken, wären auch sinkende Preise denkbar. Unvorhersehbar ist, was OPEC und Politiker anstellen.
Das Rennen ist offen.
Nico Walter am 10.02.2023
„Das Jahr bezog sich auf den Zeitraum innerhalb in diesen die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden müssen“
So so, wenn Sie also das ganze Jahr über ein Auto brauchen (notwendige Transportkapazität) um – sagen wir – zur Arbeit zu kommen, dann brauche Sie ein Auto pro Jahr? :-) Kann man so ausdrücken, ob man damit verstanden wird steht natürlich auf einem anderen Blatt. Und nein, die 2000 kwh Elektroenergie, die ich im Jahr verbrauche sind etwas anderes als die 2000 kwh Speicherkapazität, die meine hauseigene Batterie eventuell hat. Die ersteren sind nach einem Jahr nämlich weg, die letzteren hoffentlich nicht, weshalb es bei ersteren ja auch richtig ist, sie auf einen Zeitraum zu beziehen, bei letzteren eben nicht. Und schließlich, dass die TWh kein geeignetes Maß für eine Speicherkapazität ist, habe ich nie gesagt. Das war ja gerade mein Punkt. Wir sprachen von Twh/Jahr, das ist etwas ganz anderes (km ist auch etwas ganz anderes als km/h).