Die ergraute, alte Fassade der alten Kulturfabrik Apolda ist offensichtlich baufällig.
Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

Mietvertrag läuft aus Apoldas Kulturfabrik schließt im Oktober endgültig

08. September 2024, 10:38 Uhr

Apoldas Kulturfabrik sagt Lebwohl: Das Kulturprojekt in der alten Woll- und Strickfabrik steht vor dem endgültigen Aus. Im Oktober läuft der Mietvertrag aus und die vier verbliebenen Künstler müssen sich eine neue Bleibe suchen. Die Sanierung ist unabhängig von den Kosten vom Verein auch nicht gewollt, denn dann würde die Fabrik den Charme des Ursprünglichen verlieren.

Nun also doch - in der Kulturfabrik Apolda gehen die Lichter aus. Projektleiterin Philine Görnandt steigt nach rund zehn Jahren Arbeit in Apolda aus. Über eine Zeitungsannonce hatte Görnandt das Atelier "Kulturfabrik" gefunden, die 1921 erbaut und viele Jahre vom Woll- und Strickfabrikanten Karl Köcher genutzt worden war. Ein Haus mit Charisma. Damals geleitet von Kunstprofessors Achim Preiß und der Kulturmanagerin Sibylle Müller. 2013 waren sie es, die die Immobilie entdeckten und Künstlern dort Freiraum ließen.

Doch schon immer war die Kulturfabrik ein Sorgenkind. Der Einbau der Heizung beispielsweise war ein teures Unterfangen, zumal die riesigen Räume kaum beheizbar waren. Doch die Stadt kam den Künstlern entgegen. Es gab einen Deal: Die Mieter zahlten die Kosten des Heizungsbaus und mussten dafür nur eine schmale Miete und Betriebskosten zahlen.

Sanierung für den Brandschutz nötig

Zehn Jahre lang sollte das funktionieren. Zwischenzeitlich steigen Preiß und Müller aus der Kulturfabrik aus. Philine Görnandt übernahm und stand 2021 schon einmal vor der Entscheidung. Damals lief der Mietvertrag mit der Stadt aus und baurechtliche Fragen ploppten auf. Im Mittelpunkt stand der Brandschutz der Immobilie. Denn die Kulturfabrik hatte sich zu einem Ort entwickelt, an dem regelmäßig Veranstaltungen stattfanden - große und kleine. In der Museumsnacht strömten die Besucher hinein, ein Höhepunkt war ein Weißes Fest und immer wieder gab es Ausstellungen und Konzerte.

Weißes Fest (Dinner en blanc) in der alten Kulturfabrik Apolda
Das Weiße Fest in der alten Kulturfabrik war immer ein Veranstaltungs-Highlight. Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

Doch mit der Zeit wurden die Sorgenfalten auf der Stirn der Sachbearbeiter in Apoldas Baubehörde tiefer. Der Fabrik fehlte es an Fluchtwegen. Die Stadt als Eigentümerin sah sich außerstande das Objekt zu sanieren. Viel zu hoch waren die Kosten geschätzt. Der damalige Bürgermeister Rüdiger Eisenbrand (parteilos), suchte nach Lösungen und bot den Kreativen unter anderem einen Erbpachtvertrag an.

Zweistelliger Millionenbetrag nötig

"Doch der war aus Sicht unseres neu gegründeten Vereins keine Option. Wir hätten zwar kaum Mietkosten gehabt, hätten jedoch alle Investitionen in Millionenhöhe allein stemmen müssen", sagt Görnandt. Es gab einen Kompromiss und der hieß: Aufschub. Die Stadt gab den Fabrik-Betreibern zwei Jahre mehr Zeit. Die Konditionen bleiben die Gleichen, die baulichen Probleme jedoch auch.

"Das sind Größenordnungen, die sind nicht überschaubar", sagt die Künstlerin. "Auch der Dachstuhl und die Fassade müssten erneuert werden. Das ist unrealistisch, das allein oder als Verein zu stemmen." Die Stadt schätzt die Investitionskosten bis heute auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Eine baufällige Fassade von der der Putz bröckelt und den darunterliegenden Backstein preisgibt.
Die Fenster alt und der Putz bröckelt von der Fassade. Die alte Woll- und Strickfabrik steht seit 103 Jahren in Apolda und muss dringend saniert werden. Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

"Außerdem würde das Haus auch den Charme verlieren, in den ich mich verliebt habe. Wir alle hier mögen ja gerade das Unfertige, das Ursprüngliche. Da passt eine voll sanierte Immobile nicht dazu." Die Sanierung ist für Görnandt also kein Thema.

Stadt will Künstler in Apolda halten

Nun läuft der Mietvertrag endgültig aus. "Als Stadt können wir kaum ein neues Angebot machen. Es wäre unverantwortlich, jetzt nicht baulich einzuschreiten", sagt Neu-Bürgermeister Olaf Müller (CDU). Deshalb zieht Philine Görnandt nun die Reißleine. Sie wird die Kulturfabrik verlassen und hat alle Verträge, auch mit den Versorgern bereits gekündigt.

Ich hatte immer vor dem Tag Angst, an dem ich den Hebel der Heizungsanlage umlegen musste. Das Gas es strömt nur so.

Philine Görnandt über die enormen Heizkosten

Ihre Untermieter werden wohl mitgehen müssen. Sie sind nur noch zu dritt. Olaf Müller und sein Team bemühen sich jedoch und wollen das Künstlerkollektiv in Apolda halten. "Wir würden ihnen vielleicht auch die Zeit bis zum nächsten Frühjahr geben, aber der Winter in der Fabrik wäre teuer - allein die Heizung."

Philine Görnandt weiß das aus Erfahrung: "Ich hatte immer vor dem Tag Angst, an dem ich den Hebel der Heizungsanlage umlegen musste. Das Gas es strömt nur so. Das sind Betriebskosten im vierstelligen Bereich - Monat für Monat."

Ende als Neuanfang

Wenn es in diesem Winter kalt wird, ist Görnandt schon weg. Sie will auch nicht in Apolda bleiben. Selbst wenn die Stadt eine neue Immobile für die Künstler findet. Die Künstlerin hat ihren Frieden mit der Kulturfabrik gemacht. Sie geht mit einem Lächeln im Gesicht. "Es waren spannende und erfüllende Jahre. Ich habe Erfahrungen gesammelt, tolle Menschen kennengelernt, durfte kreativ sein und mich verwirklichen."

Eine blonde Frau lächelt in die Kamera. Es ist Philine Görnandt, die bis 2024 Projektleiterin der alten Kulturfabrik Apolda war.
Philine Görnandt wirft hin. Die Sanierungskosten sind für einen Verein nicht zu stemmen. Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

Inzwischen hat sie sich ein Häuschen auf dem Land ausgebaut und ein Geschäft in Naumburg eröffnet. Das Ende der Kulturfabrik ist für sie ein Neubeginn. Apolda wird sie nicht für immer den Rücken kehren. "Ich werde bestimmt einmal wiederkommen und neue Projekte hier anstoßen", sagt Görnandt. Es wäre auch schwer vorstellbar, wenn nicht.

Wie sich ihre Künstlerkolleginnen entscheiden, wissen sie noch nicht. Vielleicht bleiben sie zusammen und bauen eine neue, kleinere Kulturfabrik an einem anderen Ort in Apolda auf.

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 08. September 2024 | 18:05 Uhr

2 Kommentare

Maria A. vor 3 Wochen

Solche Projekte sind oftmals nicht dauerhaft. Zuallererst bedarf es ein gesichertes Auskommen der Beteiligten, um die Kosten zu stemmen und auch noch die eigene Existenz absichern zu können. Dies ist in den Jahren mit und nach Corona schwieriger geworden, der Geldbeutel des Großteils von Konsumenten wurde schmaler. Außerdem ist der Absatz der in so einer Mietgemeinschaft verbundenen Künstler unterschiedlich. Gebrauchsartikel verkaufen sich einfacher, als futuristische Objekte, mit deren Herstellung sich Künstlerseelen bevorzugt identifizieren. Zu wenig Absatz desillusioniert, während bei Beteiligten mit dauerhaft gutem Verkauf, die anfangs gern bereit sind, was zuzuschießen, nach und nach der Wunsch zum "Ausklinken" für ein eigenes Geschäft Oberhand gewinnt. Mit dem Ausblick auf bevorstehende immense Sanierungskosten war die Neuorientierung ehemaliger Nutzer nachvollziehbar. Vielleicht findet sich bald ein Investor, Wohnungen, wie Heimplätze, werden überall dringend gebraucht.

Tamico161 vor 3 Wochen

Auf den Punkt gebracht, erwies sich dieses Projekt, als im wahrsten Sinne des Wortes, als „Brotlose Kunst“!

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