Eine blonde Person sitzt vor zwei blinkenden Spielautomaten.
Das Spielhallen-Geschäft ist streng reglementiert - zum Schutz der Spielenden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Weissbrod

Glücksspiel "Viel Lärm um nichts": Thüringer Spielhallen sind doch nicht illegal

06. Mai 2023, 05:00 Uhr

In Thüringen müssen doch keine Spielhallen geschlossen werden. Thüringens Wirtschaftsminister Tiefensee hatte zuvor gewarnt, dass Spielhallen durch eine Gesetzesänderung von FDP, CDU und AfD zum 1. Mai in die Illegalität rutschen würden. Der politische Streit löste sich in der Zwischenzeit in Luft auf.

Spielhallenbetreiber in Thüringen können aufatmen: Nach der Änderung des Thüringer Spielhallengesetz muss doch keine Glücksspielstätte schließen. Anfang Februar hatte die FDP-Gruppe im Thüringer Landtag einen Entwurf für die Gesetzesänderung eingebracht und gemeinsam mit der CDU und auch der AfD verabschiedet. Die Verabschiedung mit Stimmen der AfD hatte damals für Empörung in den rot-rot-grünen Reihen gesorgt.

Deutungsstreit zwischen FDP und Wirtschaftsministerium

Doch vor allem entzündete sich ein Streit daran, was die Gesetzesänderung rechtlich bedeuten könnte: Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) warnte im Plenum davor, dass dadurch ab Mai fast jede zweite Spielhalle schließen müsste. Die Befürworter im Parlament, aber auch der Spielhallenverband hielten dagegen und sahen keine Gefahr für die insgesamt 279 Spielhallenbetreiber im Freistaat.

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD)
Wirtschaftsminister Tiefensee hatte vor der Gesetzesänderung gewarnt. Bildrechte: imago images/Karina Hessland

Bundesgetz regelte Branche neu

Hintergrund ist der 2021 verschärfte und bundesweit geltende Glücksspielstaatsvertrag: Dieser sieht strengere Regeln für die Spielhallen vor und soll zum Spieler- und Jugendschutz beitragen. In Thüringen hätten nach dem neuen Staatsvertrag laut Wirtschaftsministerium etwa 144 Betriebe nicht mehr geltendem Recht entsprochen - da sie noch nach den älteren Regeln laufen und beispielsweise auch nichts mehr an Verboten wie der Mehrfachkonzessionen hätten ändern können.

Eben jenen Betrieben gewährte Thüringen mit dem eigenen Zustimmungsgesetz eine Lücke: Sie konnten Ausnahmeregelungen beantragen. Dafür brauchte es aber auch neue Zertifizierungsstellen, die wiederum noch nicht existierten. Deshalb wurde für die Betriebe per Verordnung eine Duldungsfrist bis Ende April 2023 ins Gesetz geschrieben - eben jene Verordnung, die FDP und Co. aber aus ihrem Entwurf rausstrichen.

Wirtschaftsministerium verteidigt Zögern

Was natürlich unter anderem beim Wirtschaftsministerium auf Unverständnis stieß. "Vor zwei Jahren", so erklärt es ein Sprecher, "dachte man, dass die Stellen bis spätestens Ende 2022 da wären und sich die Sache erledigt hätte." Deshalb sei die Duldungsfrist auch sicherheitshalber auf den 30. April 2023 gesetzt worden. Doch die Einrichtung der Zertifizierungsstellen habe eben ein bisschen länger gedauert.

Die FDP wollte mit ihrer Gesetzesänderung Rechtssicherheit für die Betriebe schaffen - beim Wirtschaftsministerium versteht man im Rückblick den ganzen Wirbel nicht, für den die Gesetzesänderung sorgte.

Wir wollten die Übergangsfrist eh verlängern.

Sprecher Wirtschaftsministerium

Fakt ist: Nach dem Deutungs-Hickhack zwischen vor allem FDP auf der einen und Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite, kam dann die Überraschung eine Woche bevor die Gesetzesänderung am 21. Februar in Kraft trat und damit unwiderruflich aus dem Gesetz verschwand. Denn am 15. Februar verlängerte Wirtschaftsminister Tiefensee die Duldungsfrist – bis zum Ende des Jahres. "Wir wollten die Übergangsfrist eh verlängern", verteidigt der Sprecher im Rückblick das Vorgehen seines Hauses.

Spielhallenverband spricht von "gekränkter Eitelkeit"

Ein Vorgehen, das der Spielhallenverband so nicht mehr erwartet hatte. Tobias Schneegans, Sprecher des Spielhallenverbands in Thüringen, sieht "gekränkte Eitelkeit" beim Ministerium als Grund, dass die Duldungsfrist dann doch noch kurzfristig verlängert wurde. "Wir haben eben erst dann gehandelt, als es notwendig wurde", kontert das Wirtschaftsministerium.

Kuh ist vom Eis

So oder so dürfte sich der Konflikt jetzt vollends entschärft haben: Denn mittlerweile gibt es zwei Zertifizierungsstellen für die Ausnahmeanträge der Spielhallen, wie das Wirtschaftsministerium bestätigt. "Bis Ende des Jahres", so rechnet auch Tobias Schneegans, "sind wir alle da durch".

Ein Mann in Hemd blickt in die Kamera
Tobias Schneegans vom Spielhallenverband Bildrechte: privat

Fortschritte beim Spielerschutz

Schneegans, der in Sondershausen selbst ein Casino betreibt, ärgert sich, dass das politische "Kompetenzgerangel" der vergangenen Monate die Fortschritte verdecke, die es tatsächlich durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag gibt: "Das Bundes- und auch das Landesgesetz sind gut gemacht und wir sind froh, dass wir uns auf den effektiven Spielerschutz konzentrieren können", sagt er.

Wir betreiben mittlerweile echt ein sauberes Geschäft.

Tobias Schneegans Spielhallenverband

"Wir betreiben mittlerweile echt ein sauberes Geschäft mit pragmatischen Regeln. Die Ausweise aller Spieler werden bei uns gescannt und so wissen alle Betreiber über eine Datenbank Bescheid, ob jemand schon einmal gesperrt wurde." Außerdem gebe es bestimmte Geld- und Zeitlimits, die den Missbrauch durch Spielsucht eindämmten. "So können wir einen Gast mit problematischem Verhalten viel besser schützen."

Hinweis: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet eine Telefonberatung zur Glücksspielsucht an. Betroffene finden unter diesem Link weitere Informationen.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Mai 2023 | 16:00 Uhr

11 Kommentare

Harka2 vor 50 Wochen

Spielhallen sind Gelddruckmaschinen für den Staat. Schon die letzte Gesetzesänderung, nach der ein halber Kilometer Mindestabstand zwischen zwei Spielhallen bestehen muss, wurde nie umgesetzt. Da Spielhallen nur eine begrenzte Anzahl von Spielautomaten haben dürfen, haben die Spielhallenbetreiber gleich mehrere Casinos in einem Haus aufgemacht. Daran hat sich nichts geändert, dabei besteht in Erfurt zwischen zwei Spielhallen der Abstand nur eine Etagenhöhe.

aufdemberg vor 50 Wochen

Ja, in anderen Staaten gibt es zum Beispiel eine Zuckersteuer, und das ist dann nicht China.
Es gibt Länder, da ist Alkohol eine teure Angelegenheit.
Wenn diese Firmen, Zucker ist eine Droge, wenigstens Steuer zahlen, und diese Drogendealer für die Spätfolgen aufkommen würden.
Immer pumpt eure Kinder voll mit Zucker. Schuld sind nur die anderen.

Der Erfurter Bub vor 50 Wochen

Was währe dann mit Alkoholika, Tabakwaren und Süßspeisen? Auch von Diesen entstehen Folgekosten für die Gesellschaft und sicherlich ein Vielfaches dessen was Glücksspiel verursacht. Wollen Sie diese dann auch reglementierten? Klingt ein wenig nach chinesischen Verhältnissen.

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