Der Thüringer Landtag.
Der Thüringer Landtag Bildrechte: IMAGO / pictureteam

Thüringer Landtag Rot-Rot-Grün will Blockade bei Parlamentarischer Kontrollkommission auflösen

20. August 2022, 18:31 Uhr

Parlamentarische Kontrollkommission (PKK): so heißt ein Gremium des Thüringer Landtags, das den Verfassungsschutz kontrolliert. In der PKK sitzen immer noch Parlamentarier aus der letzten Legislatur. Die neue Kommission mit Abgeordneten aus dem aktuellen Landtag konnte sich noch nicht konstituieren, weil die Kandidaten der AfD bei den Wahlen im Parlament regelmäßig durchfielen. Ein Umstand, den das Thüringer Verfassungsgericht monierte. Jetzt ist eine Lösung in Sicht: eine Gesetzesänderung.

Wolfgang Hentschel
Bildrechte: MDR/Wolfgang Hentschel

Der Gesetzentwurf kommt von den rot-rot-grünen Regierungsfraktionen. Er sieht vor, dass die Mitglieder der PKK künftig mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vom Landtag gewählt werden. Bisher ist dafür noch die einfache Mehrheit vorgesehen. Laut André Blechschmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, geht es darum, unter den Abgeordneten geeignete Kandidaten für die PKK zu finden - und sie mit der entsprechenden Legitimation auszustatten: "Wir haben festgestellt, dass wir auf Grundlage des jetzigen Verfahrens nicht zu einer Besetzung kommen. Das Verfassungsgericht hat uns aber beauftragt und beauflagt, entsprechend tätig zu werden, damit wir wählen können. Es geht um Landtagsabgeordnete, die geeignet sind in ihrer Lebenserfahrung und ihrer Persönlichkeit, diese Aufgabe für das Parlament zu übernehmen."

Andre Blechshmidt
André Blechschmidt (Die Linke): "Es geht um geeignete Abgeordnete." Bildrechte: imago/pictureteam

AfD-Kandidaten immer wieder abgelehnt

Klar ist: Nach Ansicht von Linken, SPD und Grünen zählen die Vertreter der AfD nicht zu diesen "geeigneten Persönlichkeiten". Gerade Rot-Rot-Grün hatte zuletzt bei den Wahlen im Parlament immer wieder die Kandidaten der AfD für die PKK abgelehnt, mit dem Hinweis, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachtet. AfD-Vertreter in der PKK seien daher abwegig. Der rot-rot-grüne Gesetzentwurf enthält nun die Regelung, dass zwar die Opposition entsprechend ihrer Stärke zu den Regierungsfraktionen vertreten sein muss. Gleichzeitig sollen aber die Fraktionen keinen konkreten Anspruch mehr darauf haben, dass sie in der PKK Sitze entsprechend ihrer Abgeordnetenzahl bekommen. Soll heißen: die PKK wäre auch ohne AfD-Vertreter arbeitsfähig.

Möller spricht von rechtswidriger Ausgrenzung

Bei der AfD stößt die Neuregelung der Sitzverteilung daher auf Widerstand. Stefan Möller, stellvertretender Parlamentarischer Geschäftsführer: "Der Gesetzentwurf ist im Grunde der Versuch, die aktuelle rechtswidrige Ausgrenzung der AfD aus der Kontrolle des Verfassungsschutzes festzuschreiben. Man passt also sozusagen das Recht der bisherigen Ausgrenzungspraxis an. Das ist grob rechtswidrig und eigentlich legislatives Unrecht, was hier versucht wird." Laut Möller werden damit auch die Wähler der AfD von der Verfassungsschutzkontrolle ausgeschlossen. Das sei zutiefst undemokratisch.

Das Argument, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird und daher keine Vertreter in die PKK entsenden darf, hält Möller für nicht stichhaltig. Der Verfassungsschutz sei ja von Politik angehalten worden, die AfD zu verfolgen: "Wenn man dann sagt, naja, jetzt, wo sie beobachtet wird, da darf sie natürlich nicht den Verfassungsschutz kontrollieren, um solche Machenschaften aufzuklären, das ist schon eine ziemlich bösartige Logik." Laut Möller wird die AfD allerdings nicht juristisch gegen das neue PKK-Besetzungsverfahren vorgehen. Diese Ausgrenzungspraxis sei so stark, dass es auch die Gerichte betreffe und teilweise von ihnen mitgetragen werde.

Modell von Mediator vorgeschlagen

Allerdings gibt es aus verfassungsrechtlicher Sicht an einer Wahl der PKK-Mitglieder mit Zweidrittelmehrheit nichts einzuwenden. Das Modell wird etwa bereits in Nordrhein-Westfalen angewandt. Vorgeschlagen wurde dieses Modell auch von einem so genannten Mediator, den die Thüringer Landtagsverwaltung im letzten Jahr eingesetzt hatte, um den Streit um die PKK-Besetzung zu entschärfen.

"Kommission arbeitet reibungslos"

Bei Grünen und SPD stoßen die neuen Regeln auf Zustimmung. Die FDP hält grundsätzlich jeden Weg, der die Blockade bei der Wahl der PKK auflöst, für begrüßenswert. Der CDU-Innenexperte Raymond Walk, der Mitglied der alten, noch amtierenden PKK ist, warnt allerdings vor unüberlegten Gesetzesänderungen. Seinen Angaben nach ist die derzeit noch arbeitende Kommission - bestehend aus ihm, Dorothea Marx von der SPD und dem mittlerweile aus dem Landtag ausgeschiedenen Dieter Hausold von der Linken - voll funktionsfähig. "Die Kommission arbeitet reibungslos und nimmt ihre Kontrollpflichten zu 100 Prozent wahr", sagt Walk.

Der CDU-Politiker weist auch darauf hin, dass eine Zweidrittelmehrheit im Landtag nicht ohne weiteres erreichbar sei: "Das wäre ja nicht das erste Mal, und in Thüringen schon gar nicht, dass die Abgeordneten anders abstimmen als ihre Fraktion das vorgibt, oder dass die Linie, auf die man sich geeinigt hat, dass die im stillen Wahlkämmerlein nicht mehr eingehalten wird und man das Kreuz anders setzt und damit eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit möglicherweise nicht zustande kommt.

Gesetzentwurf soll im Herbst in den Landtag

Rot-Rot-Grün plant, den Gesetzentwurf noch im September in den Landtag einzubringen. Insbesondere die CDU fordert danach eine Anhörung im Innenausschuss. Ziel von Rot-Rot-Grün ist, das Gesetz noch in diesem Jahr zu beschließen.

MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 20. August 2022 | 18:00 Uhr

Mehr aus Thüringen

Menschen sitzen in einem Saal, eine Frau spricht in ein Mikrofon 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 25.04.2024 | 20:40 Uhr

Etwa 50 Vertreter der Thüringer Wirtschaft haben sich in Erfurt ausgetauscht - auch mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September.

Do 25.04.2024 19:13Uhr 00:27 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/video-wirtschaft-dialog-landtagswahl-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Feuerwehrautos und Menschen 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 25.04.2024 | 20:36 Uhr

Die Kreise Gotha und Saale-Holzland haben gemeinsam vier Tanklöschfahrzeuge für freiwillige Feuerwehren beschafft.

Do 25.04.2024 19:19Uhr 00:24 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/gotha/video-feuerwehr-gotha-saale-holzland-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video