Kampfdrohne Predator
Was sagt eigentlich das Völkerrecht zum Einsatz von Drohnen? Bildrechte: imago/Christian Ohde

Krieg in der Ukraine Sind autonome Drohnen mit dem Völkerrecht vereinbar?

13. Juni 2023, 05:00 Uhr

Vom kleinen Flieger bis hin zur Kampfdrohne – im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine spielen Drohnen eine zentrale Rolle. MDR AKTUELL Hörer Jürgen Scherf möchte wissen: "Gibt es diesbezüglich eine Lücke im Völkerrecht?"

Christian Tietje ist Professor für Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach dem Völkerrecht ist der Einsatz von Kampfdrohnen nicht explizit verboten, erklärt Tietje: "Es gibt kein Verbot des Drohneneinsatzes im Völkerrecht in bewaffneten Konflikten." Das sei auch gar nicht nötig. Denn das Völkerrecht setze trotzdem Grenzen für den Einsatz von bewaffneten Drohnen im Krieg. "Unabhängig davon, ob der Waffeneinsatz rechtswidrig oder rechtmäßig ist, hat das Völkerrecht eine große Anzahl von Regeln, die das Verhalten im bewaffneten Konflikt regeln. Und dazu gehört als zentraler Grundsatz das Verbot überflüssigen Leidens und unnötiger Verletzungen in Kriegshandlungen."

Völkerrecht verbietet bestimmte Waffen im Krieg

Deshalb verbiete das Völkerrecht tatsächlich eine Reihe an Waffen im Kriegsfall, erklärt Tietje: "Gas, Gift, biologische Waffen, chemische Waffen, Antipersonenminen, Streumunition, Atomwaffen, Brandwaffen, blindmachende Laserwaffen – das sind Kampfmittel, die verboten sind, weil sie eben überflüssiges Leid und unnötige Verletzungen hervorrufen." Das humanitäre Völkerrecht schafft einen Ausgleich zwischen humanitären Erwägungen und militärischer Notwendigkeit im bewaffneten Konflikt.

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Drei Gebote sind grundlegend für die rechtliche Beurteilung von Waffen: das Gebot der Unterscheidung zwischen der Zivilbevölkerung und Kämpfenden, die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck und die militärische Notwendigkeit des Kampfeinsatzes. Unter diesem Blickwinkel kann der Einsatz von Drohnen rechtlich betrachtet beides sein: Kriegsverbrechen und legitimes Mittel.

Was für den Einsatz von Drohnen spricht

Dabei sieht Tietje keineswegs eine Lücke im Völkerrecht: "Hier wird man sogar – hierüber kann man streiten – argumentieren können, Drohnen sind so präzise heute, dass sie, wenn sie gegen militärische Ziele eingesetzt werden, sogar gleichsam positiv bewertet werden können innerhalb von Kampfhandlungen."

Genau diese Sichtweise teilt der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte, der sich als Mitglied des Verteidigungsausschusses ausführlich mit Drohnen befasst hat. Er gewinnt dem Einsatz von Drohnen vor allem Vorteile ab: "Mit einer Drohne hat man ein besseres Lagebild – durch die längere Stehzeit in der Luft – und kann die aktuelle Bedrohung noch einmal bewerten. Denn am Bildschirm sitzen mehrere gut ausgebildete Soldaten und auch noch ein Rechtsberater, sodass ein umfassendes Lagebild eine genaue Bewertung ermöglicht und ja auch noch den Abbruch einer Operation im letzten Moment ermöglichen würde."

Über Kiew hat das ukrainische Militär am Donnerstagabend eine Kampfdrohne abgeschossen. 1 min
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Über Kiew hat das ukrainische Militär am Donnerstagabend eine Kampfdrohne abgeschossen. Doch es handelte sich um keinen feindlichen Angriff, wie die Luftwaffe später mitteilt.

Fr 05.05.2023 11:30Uhr 00:40 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-kiew-drohne-100.html

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Dennoch verbinden sich mit dem Einsatz von Drohnen auch immer wieder ethische Fragen. Zum Beispiel, ob Krieg per Fernsteuerung seinen Schrecken verliert. Otte hält dagegen: "Für mich als Mitglied des Deutschen Bundestages ist es von ethischer Bedeutung, dass wir unserer Bundeswehr ein solches Schutzsystem nicht vorenthalten dürfen. Das war ja die große Debatte in der letzten Legislaturperiode, wo der damalige Finanzminister Scholz sich dagegen verwehrt hat und wir jetzt in Mali beispielsweise diese Sicherheitslücke haben. Also: Es gibt eine zusätzliche Schutzmöglichkeit, die wir unserer Bundeswehr ermöglichen müssen."

Vereinte Nationen planen kein Drohnenverbot

Auf Ebene der Vereinten Nationen gibt es bislang keine Bestrebungen, einen gesonderten Vertrag zur halb- oder vollautonomen Kriegführung zu entwerfen, der die Entwicklung oder den Einsatz von Drohnen und ähnlichen Geräten verbietet oder reglementiert. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Staaten angesichts der Vorteile, die sie sich von Drohnen versprechen, einen entsprechenden Vertrag ratifizieren würden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 13. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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