Szenenbild aus 'Väter hinter Gittern'.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Reportage Väter hinter Gittern

17. Juli 2023, 10:55 Uhr

Sie sind wegen Waffenbesitz, Drogenhandel oder Körperverletzung hinter Gittern. Doch geht es um ihre Kinder, haben die "harten Jungs" auch eine weiche Seite. Wie können sie im Gefängnis ihrer Vaterrolle gerecht werden? Drei Männer erzählen von ihren Gefühlen, verpassten Chancen und von der Sehnsucht, Vater sein zu dürfen, auch im Knast.

In Deutschland sind laut Schätzungen derzeit rund 100.000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen. Meist ist es der Vater. Die Mütter wiederum, die auf einmal alleinerziehend sind, brechen den Kontakt zu ihren Partnern statistisch gesehen meist nach etwa zwei Jahren ab. Den Kindern erzählen sie oft nicht, wo der Papa wirklich ist, sprechen von Montage, Krankenhaus, Ausland.

Kontakt zum Kind - wichtig für inhaftierte Väter

Für Christians Familie hat sich das ganze Leben geändert. Der 27-Jährige ist zweifacher Vater und verbüßt eine sechsjährige Haftstrafe wegen Raub, Waffenbesitz und Körperverletzung. Alle 8 Wochen wird er kurzzeitig in ein anderes Gefängnis verlegt, das hundert Kilometer entfernt liegt. Dort darf er zwei Stunden mit seinen beiden Kindern spielen. Die Mutter seiner Kinder hat sich von ihm getrennt, und Christian ist froh, dass er wenigstens wieder seine Kinder sehen kann.

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Inhaftierte Väter im Gespräch mit Seelsorger Hans-Gerd Paus in der JVA Geldern. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auch der 23-jährige Pascal hat zwei Kinder. Wegen schwerer Körperverletzung sitzt er eine Haftstrafe von über drei Jahren ab. Zur Pflegemutter seines Sohnes hat er guten Kontakt. Sie kommt ihn auch regelmäßig mit dem Jungen besuchen. Das weiß er zu schätzen, denn seine Kinder sind ihm Lebenselixier. "Ohne die geht gar nichts, sie sind das Einzige, warum ich das hier drin alles durchsehe", sagt er. Und Torsten, der 7 Jahre absitzen muss, kann an seine zehnjährige Tochter nur Briefe schreiben. Die Mutter möchte keinen Kontakt mehr zum straffälligen Vater.

Verständnis finden die Drei in der Väter-Gruppe der JVA Geldern. Hier tauschen sich Väter über Fragen rund um das Elternsein aus. Anstehende Besuche werden mit einem Seelsorger besprochen. Der Leiter der JVA kennt die Probleme der Väter.

Ich stelle immer wieder fest, dass Gefangene sehr durch die Inhaftierung dann beeindruckt sind, wenn sie merken, welches Unrecht sie auch ihren Kindern getan haben. Und wie sehr ihre Familie unter ihrer Straffälligkeit leidet. Denn die soziale Ächtung, die draußen dann manchmal stattfindet, ist für die Inhaftierten bzw. für die Angehörigen der Inhaftierten erheblich.

Karl Schwers, Direktor der JVA Geldern

Das Konzept des "familienorientierten Vollzugs"

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Katrin Schaefer ist Angehörigenbeauftragte in der JVA Dresden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In der JVA Dresden hingegen wird mit dem Konzept eines familienorientierten Vollzugs gearbeitet. In den Väterstationen werden die Gefangenen pädagogisch unterstützt. Es gibt neben zusätzlichen Besuchstagen und kindgerecht ausgestatteten Besucherräumen auch eine Angehörigenbeauftragte, an die sich die Familien mit ihren Fragen wenden können.

Wenn Kinder wissen, wo sie hingehen, warum der Papa hier ist, weil er sich nämlich nicht an Regeln gehalten hat und deswegen nicht bei der Familie sein kann, dann haben die Kinder die Chance, Fragen zu stellen. Und dann können sie auch ihre ganzen Sorgen und Ängste loswerden.

Katrin Schaefer, Sozialpädagogin
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Skeptisch gegenüber dem familienorientierten
Vollzug: Bernd Maelicke.
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Aber es gibt auch Kritiker des familienorientierten Vollzugs. "Wenn der Vater oder die Mutter aus der Familie herausgenommen und hinter Mauern weggesperrt werden, hat das mit Familienorientierung überhaupt nichts zu tun", sagt Strafvollzugsexperte Bernd Maelicke. Denn der Vollzug konzentriere sich auf den Täter. Genau dies ist auch die Aufgabe einer JVA. "Unser rechtlicher Auftrag ist nur die Arbeit am Gefangenen. Wir können also nur mit den Gefangenen arbeiten, nicht mit den Angehörigen", hält Anja Kirsten, Vollzugsabteilungsleiterin der JVA Dresden, dagegen.

Im Gespräch mit Seelsorgern, Gefängnismitarbeitern und Experten macht der Film deutlich, wie schwierig es im Strafvollzug ist, die Bedürfnisse derer in den Mittelpunkt zu stellen, um die es eigentlich geht: die Kinder.

Szenenbild aus 'Väter hinter Gittern'.
Tägliche Arbeiten gehören zum Alltag auch in der JVA Geldern. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK