Mitglieder einer Delegation des Zentralrates der Jesiden in Deutschland verfolgen auf der Besuchertribüne des Deutschen Bundestages die Debatte im Plenum über den Völkermord an den Jesiden.
Mitglieder einer Delegation des Zentralrates der Jesiden in Deutschland verfolgen auf der Besuchertribüne die Debatte im Plenum des Bundestages Bildrechte: picture alliance/dpa | Carsten Koall

Genozid an religiöser Minderheit durch IS Bundestag: Verfolgung von Jesiden war Völkermord

Der Deutsche Bundestag hat die Verbrechen der radikalislamischen IS-Miliz an der Glaubensgruppe der Jesiden im Nordirak und in Syrien als Völkermord anerkannt. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag in Berlin einstimmig für die von der Ampel-Koalition und der CDU/CSU gemeinsam vorgelegten Resolution.

Der Bundestag ist damit das erste Parlament eines großen europäischen Staats, das die Gräueltaten an den Jesidinnen und Jesiden im Jahr 2014 als Völkermord anerkennt.

"Der Deutsche Bundestag verneigt sich vor den Opfern der durch den IS begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", heißt es in der Resolution.

Am 3. August 2015 demonstrierten etwa 1.500 bis 2000 Eziden in Berlin gegen den Terror des Islamischen Staat.
August 2015: Knapp 2.000 Jesidinnen und Jesiden demonstrierten in Berlin gegen den Terror des Islamischen Staat Bildrechte: IMAGO / Christian Ditsch

Das Parlament erkenne damit an, dass es sich bei den Verbrechen der IS-Miliz "um einen Völkermord im Sinne des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes der Vereinten Nationen handelt". Rechtlich bindenden Charakter hat die verabschiedete Vorlage nicht.

Die Dschihadistenmiliz hatte 2014 das Sindschar-Gebirge im Nordirak erobert, wo die Jesiden seit Jahrhunderten leben. In ihrem Herrschaftsgebiet im Nordirak und in Syrien zwang die Miliz Frauen und Mädchen in die Sklaverei, rekrutierte Jungen als Kindersoldaten und tötete tausende Männer. Seitdem flohen tausende Jesiden aus der Region. 

Jeside am heiligen Tempel in Lalesh
Jeside am heiligen Tempel in Lalesh Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Was sind Jesiden? Jesiden sind Monotheisten und glauben an einen allmächtigen Gott. Anders als Islam, Judentum und Christentum kennen sie aber keine Heilige Schrift. Jesiden zählen sich selbst zum Volk der Kurden und gelten dort als Minderheit. Sie stammen aus dem Irak, aus Syrien, der Türkei und dem Iran. Weltweit gibt es zirka 800.000 Gläubige. Schätzungen zufolge leben mehr als 200.000 Jesidinnen und Jesiden in Deutschland - es ist die größte Gemeinde außerhalb des Iraks.

Die jesidische Religion soll ihre Wurzeln ungefähr 2.000 vor Christus haben. Das Besondere: Im Gegensatz zu anderen monotheistisch Religionen existiert das Böse im Jesidentum nicht. Die Legende besagt: Die Reuetränen des heiligen Engel Pfau löschten einst das Höllenfeuer. Seitdem gibt es keine Hölle und keine Höllenstrafen mehr, das Böse sei überwunden. Deshalb huldigen Jesiden dem Engel Pfau. Da der früher in die Hölle verbannt war, entstand fälschlicherweise die abwertende Bezeichnung "Teufelsanbeter“. Für muslimische Extremisten sind die Jesiden Blasphemiker, also Gotteslästerer.

Der wichtigste heilige Ort der Jesiden liegt in Lalish, einem nordirakischen Tal. Dort befindet sich das Grab des Heiligen Scheich Adi, an das jedes Jahr Zehntausende pilgern.

Das Jesidentum missioniert nicht. Man kann nur von Geburt an Jeside sein, wobei beide Elternteile jesidischer Abstammung sein müssen. Die Heirat mit einem Andersgläubigen bedeutet den Austritt aus der Religionsgemeinschaft. Es besteht keine Möglichkeit, zum Jesidentum zu konvertieren.

Quelle: AFP, MDR

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. Januar 2023 | 09:00 Uhr