Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 10.04.-16.04.2023

Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spicht in dieser Woche u.a. Guido Erbrich.

Sonntag, 16.04.2023: Das Wort zum Tag (von Pastor Mark Schröder)

Ich hatte gerade erst meinen Führerschein gemacht und war stolz auf mein kleines rotes Auto. Jede Gelegenheit, die sich bot, nutzte ich zum Fahren. So packte ich meinen jüngeren Bruder und meine kleine Schwester ein und wir fuhren eine Runde. Wir kamen auf eine Straße, die schnurgerade war. Ohne Probleme konnte man gute zwei Kilometer nach vorne schauen und alles überblicken. Nur ein Traktor, der kurz vor mir von einem Feld auf die Straße gebogen war, stand meiner freien Fahrt im Weg. Ich setzte zum Überholen an. Als ich neben dem Anhänger des Traktors war, sah ich, dass er links blinkte. Ich war der Überzeugung, dass ich zügig den Überholvorgang abschließen könnte. Doch dann geschah es, der Traktor zog links rüber. Nach einigen Sekunden Reaktionszeit trat ich mit aller Kraft die Bremse. Es schien als würde nichts geschehen. Der Anhänger des Traktors kam immer näher. Mit Wucht schob es uns unter den Anhänger. Zusätzlich zog uns der Traktor unter seinem Anhänger in seine Fahrtrichtung. Die Windschutzscheibe zerbrach in tausend Teile. Der Rahmen der Frontscheibe wurde durchtrennt. In Bruchteilen von Sekunden war alles vorbei. Wir saßen im zerstörten Auto. Meine Geschwister standen unter Schock. Ich war wie benommen. Der Polizist, der den Unfall anschließend aufnahm, meinte, normalerweise endet so eine Kollision mit Kopf ab. Sein Fazit lautete: Da haben sie aber Glück gehabt.

In ihrem Märchen „Hans im Glück“ erzählen die Gebrüder Grimm die Geschichte von Hans. Er will heim zu seiner Mutter, bittet deshalb seinen Herrn um seinen Lohn. Er bekommt ihn in einem Stück Gold, so groß wie sein Kopf. Auf seinem Weg nach Hause begegnet er verschiedenen Menschen, mit denen er immer wieder einen Tausch macht. Für den Goldklumpen bekommt er ein Pferd, dass er für eine Kuh, dann für ein Schwein und schließlich gegen eine Gans eintauscht. Ein Scherenschleifer überzeugt ihn seine Gans gegen einen Wetzstein abzutreten. Mit jedem Tausch ist das Versprechen verbunden, dass jetzt das Glück gefunden ist. Dementsprechend zieht Hans jedes Mal fröhlich seines Weges. Mit dem schweren Stein beladen bekommt er schließlich Durst und verliert den Stein als er sich zum Trinken bückt. Vor Freude, weil er von der Last befreit ist, spring er auf, dankt Gott und ruft: „Ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne!“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern legen jedes Jahr zum Weltglückstag den Weltglücksreport vor. Er basiert auf sechs Schlüsselfaktoren: soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit, Großzügigkeit und die Abwesenheit von Korruption. Die Forschenden bewerten die Daten der vergangenen drei Jahre, um herauszufinden, wo auf der Welt, die Menschen am meisten Glück empfinden. Demnach belegt Finnland zum sechsten Mal in Folge den ersten Platz. Hier sind die Menschen im Vergleich zu anderen Nationen am zufriedensten. Dänemark und Island belegen Platz zwei und drei. Deutschland landet dieses Jahr auf Rank 16 und liegt damit zwei Plätze niedriger als im Vorjahr. Die Expertengruppe, die den Bericht erstellt hat, stellt fest, dass trotz mehrerer weltweiten Krisen das globale Glücksgefühl überraschend konstant geblieben ist. "Das durchschnittliche Glück und unser Länder-Ranking sind während der drei Covid-19-Jahre bemerkenswert stabil geblieben", erklärte der am Bericht beteiligte Wissenschaftler John Helliwell. Trotz dieser Feststellung sind Menschen fortwährend auf der Suche nach Glück. Was genau suchen wir den eigentlich? TAKE 5 MUSIK TAKE 6 TEXT Studien zeigen, dass Menschen freitags um 10% glücklicher sind als an anderen Wochentagen, weil sie sich dann unbewusst vornehmen ihr Leben mehr zu genießen. Wenn man allerdings auf die wissenschaftlichen Fortschritte und gesellschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahrhunderten schaut, ist es bemerkenswert, wie wenig wir über das Glück gelernt haben. Lange hat sich die Psychologie nur mit den Situationen beschäftigt, in denen das Glück durch Abwesenheit glänzt: Depression, seelische Wunden und Schmerzen. Vor einigen Jahren folgte eine Schwemme von Glücksbüchern – die uns glauben lassen wollten, dass das große Glück mit einfachen Tricks im Handumdrehen machbar ist. Wenn wir in den Supermarkt gehen, kann man dort sogar Happy Food kaufen, Nahrungsmittel, die den Serotoninspiegel im Gehirn anheben und uns dadurch sofort glücklicher machen sollen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich gefragt: Was macht Menschen denn eigentlich glücklich? Und sie haben Antworten gefunden, die überraschen. Im Urteil darüber, wie ein Zustand von Glück zu erreichen ist, irren wir Menschen offenbar erstaunlich oft. Gemeinhin gelten vor allem materieller Wohlstand, Gesundheit oder eine Heirat als Garanten für ein zufriedenes Leben. Wenn ich nur mehr Geld hätte! Oder einen besseren Job! Einen Partner oder Haus! Endlich in den Ruhestand gehen könnte! Dann wäre ich glücklich. Aber die Forschung zeigt, dass, wenn sich die Umstände tatsächlich ändern, unser Glücksempfinden für kurze Zeit um 10% steigt, um dann wieder auf seinen Ursprungswert zurückzufallen. Das Glücksgefühl nach der Beförderung oder dem Hauskauf hat ein frühes Verfallsdatum. Etliche Studien zeigen, dass überhaupt nur 10% unseres Glücks auf äußeren Umständen beruhen. Ganze 90% des menschlichen Glücks speisen sich aus anderen Quellen. TAKE 7 MUSIK TAKE 8 TEXT Der Begriff Glück ist vielschichtig und kann für Menschen mit ganz unterschiedlichen Aussagen verbunden sein. Der Polizist, der zu mir sagte, dass ich Glück gehabt hätte, wollte damit deutlich machen, dass es gerade noch gut gegangen ist. Andere verbinden mit Glück ein Gefühl von tiefer Freude, innerer Zufriedenheit oder großen Vergnügens. Im Deutschen ist der Begriff Glück eigentlich unglücklich, weil er unpräzise ist. Er kann zufälliges Glück meinen, genauso aber auch Lebensglück. Der Theologe Tim Keller schlägt daher vor, statt nach Glück nach Freude, Erfüllung oder Zufriedenheit im eigenen Leben zu fragen. Glück und Zufriedenheit sind miteinander verwandt, folgen aber doch ganz unterschiedlichen Regeln. Glück ist eine Sehnsucht: das unablässige Streben nach Momenten des Glücks, wie Hans im Glück sie wiederholt erlebt hat. Wenn wir Glück verspüren, erleben wir das stärkste Wohlempfinden, zu dem der Mensch fähig ist. In seiner Wucht kann es sogar Grundbedürfnisse überdecken: So wie frisch Verliebte das Essen vergessen. Ein wunderbarer Zustand, der aber zeitlich begrenzt ist. Zufriedenheit dagegen ist nachhaltig, sie bleibt. Sie setzt gewissermaßen einen positiven Grundton, mit dem wir auf unser Leben blicken; zufrieden sein bedeutet nichts anderes zu verlangen, als was da ist. Ein Beispiel von tiefer Zufriedenheit gibt der Apostel Paulus. Er sitzt im Gefängnis und schreibt in einem Brief an die Christen in Philippi: „Ich habe gelernt, in jeder Lebenslage zufrieden zu sein. Ich weiß, was es heißt, sich einschränken zu müssen, und ich weiß, wie es ist, wenn alles im Überfluss zur Verfügung steht.“ TAKE 9 MUSIK TAKE 10 TEXT Der Philosoph und Theologe Augustinus war der Überzeugung, dass Jesus Christus, der personalisierte Weg zum Glück ist. Er war der Meinung, dass wir nicht am tiefsten dadurch geprägt werden, was wir tun, glauben und denken, sondern was wir lieben. Denn Jesus selbst gab seinen Jüngern als wichtigste Weisung auf den Weg zu einem erfüllten Leben folgendes mit: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand! Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!“ Augustinus folgerte daraus, dass Unzufriedenheit dann entsteht, wenn diese Ordnung der Liebesbezüge in unserem Leben durcheinanderkommt. Wenn wir etwas Unwichtigeres mehr lieben als das Wichtigere. Wenn die Prioritäten nicht stimmen. So ist es nicht falsch seine Arbeit zu lieben, aber wenn wir sie mehr lieben als die Familie, entsteht Schaden. Die Psychologen Martin Seligman und Ed Diener stellten sich die Frage nach dem Schlüssel zum Glück. Um herauszufinden, was uns zufrieden macht, beschlossen sie, sich diejenigen anzuschauen, bei denen alles glattzulaufen scheint: die besonders glücklichen Menschen. Für ihre Studie begleiteten Seligman und Diener mehr als 200 Studierende über ein Semester hinweg. Ihre Auswertung führte zu folgendem Ergebnis: Besonders zufriedene Menschen haben in der Regel eine gute Beziehung zu anderen. Zudem verbringen sie im Schnitt mehr Zeit mit Freunden und Familienangehörigen als weniger glückliche Personen. Liebevolle Beziehungen sind die Grundlage für echtes Glück. Genau diesen Bezug stellt Jesus her, wenn er sagt: „Liebe den Herrn, deinen Gott und deinen Mitmenschen wie dich selbst.“ TAKE 11 MUSIK TAKE 12 TEXT Der Literaturwissenschaftler C.S. Lewis schrieb: „Wenn wir in uns ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann, dann können wir daraus doch schließen, dass wir für eine andere Welt erschaffen wurden. Das Ausmaß unserer Unzufriedenheit weist auf etwas, das über diese Welt hinausgeht.“ Damit verweist er darauf, dass unser persönliches Streben nach Glück auf etwas Größeres hinweist. Im ersten Teil der Bibel zeigt König David in Psalm 16 sehr deutlich, was das für ihn bedeutet: „Ich sage zum HERRN: Du bist mein Herr. Nur bei dir finde ich mein ganzes Glück! Du zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, gibt es Freude in Fülle.“ Als Pastor begegnen mir immer wieder Menschen, die dieselbe Erfahrung gemacht haben, wie der Psalmdichter. Sie haben erlebt, dass weniger Reichtum und Erfolg, sondern gute Beziehungen zu anderen und eine persönliche Beziehung zu Gott das Leben mit Glück erfüllen. Wenn mir Menschen so etwas berichten, dann zeigt es mir, dass es einen Ort gibt, an dem man auf der Suche nach Glück fündig werden kann. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, ganz viel Glück. TAKE 13 MUSIK

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

geboren 1964 | Ausbildung zum Tontechniker | Arbeit beim Sender Leipzig | Studium der Theologie und Philosophie in Erfurt, Prag und New Orleans | Seit 1996 Referent im Bistum Dresden-Meißen | Leiter des "Roncalli Hauses" Heim-Volkshochschule und die Erwachsenenbildungsstätte des Bistum Magdeburg | Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.