Leichtathletik | EM in Rom Spätstarter Karl Bebendorf erfüllt sich einen Kindheitstraum
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11. Juni 2024, 11:35 Uhr
Karl Bebendorf aus Dresden konnte sein Glück kaum fassen. Mit 28 holt der Spätstarter bei der Leichtathletik-EM in Rom seine erste internationale Medaille.
Es war dieser Tag, an dem alles passte und der Träume wahr werden ließ: Der Dresdner Hindernisläufer Karl Bebendorf lief am Montagabend (10. Juni 2024) in der lauen Sommernacht von Rom das Rennen seines Lebens und belohnte sich gleich doppelt: Bebendorf gewann Bronze und damit seine erste internationale Medaille. Gleichzeitig buchte er das Ticket für die anstehenden Olympischen Spiele in Paris.
Zwei Träume in einem Rennen erfüllt
Die Endorphine schlugen bei dem Mann, der großer Fan des portugiesischen Fußballstars Cristiano Ronaldo ist, Purzelbäume. Das Glück war dem Spätstarter auch am Tag nach seinem unfassbaren Bronze-Lauf anzusehen. "Es bedeutet mir extrem viel. Ich habe mir die Medaille schon seit langer Zeit gewünscht und dann mit diesem netten Beigeschmack der Olympia-Norm, die mir viel Druck vom Herzen nimmt", sagte Bebendorf im ZDF-Morgenmagazin.
Auf den letzten Metern wie eine Rakete
Bebendorf hatte sich das Rennen optimal eingeteilt und war auf den letzten 200 Metern wie eine Rakete an (fast) allen vorbei geschossen. Ein paar Meter mehr und der Athlet vom Dresdner SC wäre vielleicht sogar Europameister geworden. Gold trauere er aber nicht hinterher, vielmehr sei er stolz, als erster Deutscher nach 26 Jahren in einem Hindernisrennen eine EM-Medaille gewonnen zu haben, sagte der Sachse, der jetzt auch auf der ganz großen Bühne glänzen möchte. Bei seinen zweiten Olympischen Spielen will er ins Finale. Nach seiner Vorstellung bei der Europameisterschaft mitsamt der persönlichen Fabelzeit von 8:14,41 Minuten ist der Wunsch durchaus realistisch und keinerlei Träumerei.
Debüt erst vor fünf Jahren
Dabei lief seine Karriere niemals nur in eine Richtung. Für EM-Bronze und den damit verbundenen Eintrag in die Geschichtsbücher hat er hart gekämpft, womöglich härter als viele Konkurrenten. "Ich bin ein Läufer, der alles geben muss, um so etwas abzurufen." Erst vor fünf Jahren begann der Dresdner, internationale Wettkämpfe zu bestreiten. Damals war er schon 23. "In meinen Jugendjahren habe ich meine Berufsausbildung durchgezogen", erzählt der gelernte Kaufmann im Einzelhandel. Nach seiner Ausbildung arbeitete Bebendorf teilzeit bei der AOK. Aber der Traum vom Profisport schlummerte immer in dem zielstrebigen Athleten.
Erst seit 2020 – mit dem Eintritt in die Sportfördergruppe der Bundeswehr – kann er sich 100 Prozent auf den Sport konzentrieren. Ein Jahr später feierte er in Tokio seine Olympia-Premiere, schied aber im Vorlauf aus. Auch bei der Weltmeisterschaft reichte es im Konzert der Allerbesten bisher nicht für Spitzenplätze. Dafür lief Bebendorf 2022 bei den Heim-Europameisterschaften in München als Fünfter (nachträglich wurde er auf Platz vier gesetzt) schon in Podestnähe. Damals war seine Zeit (8:26,49 Minuten) aber deutlich langsamer.
Bebendorf hat als gereifter Athlet eine Leistungsexplosion hingelegt und war in Rom mehr als zwölf Sekunden schneller vor zwei Jahren. Er habe seinem Körper als junger Athlet Zeit zum Entwickeln gegeben, das zahle sich jetzt aus, meint er. Zudem trainiert Bebendorf viel in der Höhe.
Erst Fußballer, dann Leichtathlet
Dass er einst an die Weltspitze der Hürden- und Wassergraben-Experten anklopft, war nicht unbedingt vorhersehbar. Der 28-Jährige war zwar schon immer ein sportliches Talent, spielte aber zunächst beim SC Borea Dresden durchaus erfolgreich Fußball. Seine Leidenschaft galt jedoch dem Laufen, auch weil er kein Mannschaftstyp sei, erzählte er einst. Ab der 5. Klasse legte Bebendorf den Fokus auf die Leichtathletik und drehte Runden im Heinz-Steyer-Stadion. Der Trainingsfleiß zahlte sich aus. 2014 wurde der schmächtige Athlet über 2.000 Meter Hindernis deutscher Jugendmeister.
Drei Jahre Hindernispause
Doch beim Umstieg auf die 3.000-Meter-Strecke, die bei den Erwachsenen gelaufen wird, tat er sich schwer. Auf dem letzten Kilometer brach er regelmäßig ein. Es war ein Dilemma, aber kein Drama. Gemeinsam mit seinem Trainer Dietmar Jarosch entschied sich Bebendorf, die 1.500 Meter in den Blickpunkt zu rücken und wurde bei den Halleneuropameisterschaften 2019 in Glasgow Siebter über diese Distanz.
Weil die Zeit nicht für die WM-Norm reichte, erinnerte sich Bebendorf an seine Jugendzeit und die Freude am Hindernislauf. Nach nur sechs Wochen spezifischer Vorbereitung stieg er 2019 nach drei Jahren Abstinenz auf die 3.000-m-Hindernis-Distanz ein und wurde prompt Deutscher Meister. Seitdem ist der Dresdner auf nationaler Ebene unschlagbar – und auch die internationale Konkurrenz dürfte mehr und mehr Notiz vom "Bebentastischen" deutschen Hindernisläufer nehmen.
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR aktuell | 11. Juni 2024 | 17:45 Uhr