Adipöses Kind
Adipöses Kind: Neben der Lebensweise können auch genetische Defekte eine Rolle spielen. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Adipositas-Forschung Gen-Mutation: Leipziger Forscher entdecken Ursache für unstillbaren Hunger

20. Dezember 2022, 18:00 Uhr

Leipziger Forscher haben eine genetische Veränderung entdeckt, die für Adipositas bei Kindern verantwortlich ist. Dabei wird ein bestimmtes Gen in Zellen produziert, in denen es sonst nicht vorkommt. Die Betroffenen haben kein Sättigungsgefühl und leiden an unstillbarem Hunger.

Adipositas und die daraus resultierenden Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Auch in Deutschland ist die Fettleibigkeit auf dem Vormarsch. Mittlerweile gilt hierzulande etwa ein Viertel der Erwachsenen als adipös. Auch immer mehr Kinder leiden unter sehr starkem Übergewicht. Neben einer ungesunden Lebensweise - zu viel, zu süßes und zu fettes Essen, dafür aber wenig Bewegung - können auch genetische Defekte eine Rolle spielen.

Monogene Adipositas sehr selten

Zu den eher seltenen Adipositas-Varianten gehört die sogenannte monogene Adipositas. Anders als bei Patienten mit "polygenetischen Defekten", bei denen mehrere Gene für das starke Übergewicht verantwortlich sind, ist bei der monogenen Adipositas ein einzelnes Gen die Ursache. Betroffene zeigen oft schon in der frühen Kindheit ein gestörtes Sättigungsgefühl und leiden an unstillbarem Hunger.

Forscher der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig haben nun einen Mechanismus entdeckt, der mit der Krankheit in Verbindung gebracht wird. Sie fanden heraus, dass eine genetische Veränderung zu einer ungewöhnlichen Expression des sogenannten Agouti-Signalprotein-Gens (kurz: ASIP) führt, das mit der Kontrolle des Hungergefühls zusammenhängt.

Die Leipziger Wissenschaftler stellten bei der Untersuchung von Gewebeproben eines Mädchens mit starkem Übergewicht fest, dass das ASIP-Gen in hohem Maße in Zellen produziert wird, in denen es normalerweise nicht vorkommt. So fanden die Forscher das Gen zum Beispiel in Fettzellen, weißen Blutkörperchen und neuronalen Zellen.

"Puzzlestück" ermöglicht gezieltes Screening

Projektleiterin Prof. Dr. Antje Körner, Professorin für Pädiatrische Forschung, sieht in der Entdeckung ein "fehlendes Puzzlestück bei der Forschung zu monogener menschlicher Adipositas". Die Art der Mutation, die gefunden wurde, entgeht demnach den bisher üblichen genetischen Screening-Algorithmen, weshalb viele betroffene Patienten bislang unentdeckt blieben. Durch gezieltes Screening auf der Grundlage ihrer Neuentdeckung konnte das Team um Körner bereits vier weitere Patienten mit einer identischen Mutation in Leipzig identifizieren.

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Prof. Dr. Matthias Blüher, Direktor des Helmholtz-Instituts für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG) des Helmholtz-Zentrums München am Universitätsklinikum Leipzig, glaubt, dass man mit dieser Entdeckung die "Strategien zur Identifizierung" von Patienten mit monogener Adipositas neu überdenken müsse. "Das ultimative Ziel unserer Forschung ist es, die Erkenntnisse aus genetischen Studien in künftige personalisierte Behandlungsmöglichkeiten für Adipositas zu übertragen."

Die wichtigsten Erkenntnisse von Körner, Blüher und Kollegen wurden im renommierten Fachjournal Nature Metabolism veröffentlicht.

(dn)

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