Leipziger Studie zur Entwicklungspsychologie Macht uns miteinander spielen sozialer?

14. September 2019, 05:00 Uhr

Spielen macht vor allem Freude. Aber beeinflusst es auch unser Sozialverhalten? Das wollten Wissenschaftler der Universität Leipzig wissen und führten dazu eine Studie mit Vorschulkindern durch. Das Ergebnis: Wer miteinander spielt, ist eher bereit zu teilen.

spielende Kinder
Der Leipziger Fröbel-Kindergarten "Am Elsterbecken" ist ein Forschungskindergarten, der in Kooperation mit der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig entstanden ist. Bildrechte: FRÖBEL e.V./ Franziska Werner

Ob und wie sich das Spielverhalten von Kindern auf deren Umgang miteinander auswirkt, ist schon öfter in Studien hinterfragt worden. Doch dass die einzelnen Facetten des Sozialverhaltens, wie die Bereitschaft zu Teilen, das Bedürfnis andere Kinder einzubeziehen oder sich gegenseitig zu helfen, unter sehr kontrollierten Bedingungen beobachtet wurden, das ist neu. Studienleiter Theo Toppe interessierte die differenzierte Fragestellung unter anderem auch aus ganz persönlichen Gründen:

Ich hab früher als Kind extrem ungern gespielt. Vor allem, weil ich das gegeneinander spielen anstrengend fand und nicht so gern verloren hab.

Theo Toppe, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie
Kinder
KoKo - die Murmeln müssen in dei Löcher. Mit diesem Spiel testeten die Forscher das Verhalten der Kinder. Bildrechte: Selma Kalhorn, Universität Leipzig

Also entwickelte er gemeinsam mit seinem Team vom Leipziger Forschungszentrums für frühkindliche Entwicklung (LFE) der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie ein Studiendesign, in dem Kinder genau beobachtet wurden. Dafür schufen die Forscher gemeinsam mit einer Spieledesignerin das Spiel "KoKo". Keine so einfache Aufgabe - von der ersten Idee bis zur Umsetzungen verging ungefähr ein halbes Jahr. Denn "KoKo" sollte viele Anforderungen erfüllen. Man sollte es sowohl miteinander, gegeneinander als auch allein spielen können. Dabei sollten die Regeln dieser Spielarten ähnlich sein. Am Ende ging es dann immer darum, Murmeln in einer Box in Löcher zu balancieren.

Uns war auch wichtig, dass es einfach verständlich sein sollte. Dass wir nicht so viel erklären müssen und die Kinder schon beim Ausprobieren Freude haben. Und wir wollen es vielleicht auch in anderen Kulturen anwenden, es sollte also mit möglichst wenig Sprache auskommen. Das ist die große Vision dahinter.

Theo Toppe, Psychologe

Außerdem ist das Spiel recht klein, man kann es überall mit hinnehmen. Auch das ist ein Vorteil, soll die Studie wirklich eines Tages ausgeweitet werden. Die Designerin Sabrina Sgoda setzte all diese Wünsche um und legte am Ende ein Spiel vor, von dem Kinder und Eltern begeistert waren.

Wer miteinander spielt, teilt auch lieber

Das vermuteten die Forscher zu Beginn ihrer Studie - und sie wurden weitestgehend bestätigt. Die Kinder, die miteinander gespielt hatten, teilten im Anschluss daran in einer vorgegeben Situation Aufkleber auch lieber mit ihren Altersgenossen. Und zwar nicht nur mit ihren Spielpartnern, sondern auch mit anderen Kindern. Die, die vorher gegeneinander gespielt hatten, zeigten sich in dieser Hinsicht nicht so sozial.

Positiver Effekt tritt nicht bei allen Facetten des Miteinander ein

Bei sogenannten Einschlussverhalten konnten die Forscher dagegen keinen Effekt feststellen. Das bedeutet: Wie sehr sind Kinder bereit, noch einen Dritten zur Spielsituation hinzuzuholen. Und auch im freien Spiel, also ohne Vorgaben, gab es kein vermehrtes Teilen oder Helfen. Erste vorläufige Ergebnisse einer Folgestudie zeigen auch, dass die Art zu spielen - also miteinander, gegeneinander oder allein - offenbar keinen Einfluss auf das Verhalten in der Gruppe hat.

Laborsituation beeinflusst Ergebnisse

Für die Studie hatten 96 Jungen und Mädchen im Alter von 4 bis 6 Jahren gespielt. Allerdings eben in einer sehr kontrollierten und für sie nicht alltäglichen Situation. Außerdem benutzten sie "KoKo" jeweils nur 5 bis 10 Minuten.

In der Regel spielt man Spiele ja jeden Tag und Kinder wollen eh immer die gleichen Spiele spielen. Man kann schon annehmen, dass sich die Zusammenhänge, die wir beobachten konnten, noch stärker zeigen, wenn man häufiger spielt.

Theo Toppe

Forschungszentrum und Forschungskita erlauben mehr Praxisnähe

Ziel der Wissenschaftler ist, dass ihre Ergebnisse auch in die praktische Arbeit von Lehrern und Erziehern einfließen kann. Im Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung der Universität Leipzig arbeiten deshalb Pädagogen, Psychologen und Mediziner verschiedener Institutionen wie dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und für Kognitions- und Neurowissenschaften, dem Universitätsklinikum und der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät zusammen.

Wir bemühen uns schon, praxisnahen Fragestellungen nachzugehen. Es wäre natürlich schön, wenn das mehr würde. Wenn wir unsere theoretische wissenschaftlich Arbeit enger mit dem Alltag verknüpfen könnten.

Theo Toppe

Einen Schritt in die richtige Richtung sieht Theo Toppe im Forschungskindergarten, der in Kürze auf dem Campus Jahnallee seine Pforten öffnen wird. Er soll den Wissenschaftlern erlauben, die Kinder in ihrer vertrauten Umgebung während ihres gewohnten Tagesablaufs "zu erforschen". Allerdings immer nur mit Zustimmung der Kinder und Eltern. Ethische Aspekte spielen eine große Rolle - auch für Theo Toppe und sein Team:

Hätte man zum Beispiel ein Spiel, das die Vermutung nahe legt, dass es die Kooperationsbereitschaft hemmt, dann würden wir das Kindern natürlich nicht geben.

Theo Toppe

Die Frage, wie das Spielen Kinder beeinflusst, bleibt also weiter spannend und ist durch die Studie nur für das Teilen und nur für Leipziger Kinder beantwortet. Welche Effekte möglicherweise bei Kindern anderer Regionen oder Kulturen zu beobachten sind, müssten weitere Untersuchungen klären. Aber dank "KoKo" steht dem zumindest im Hinblick auf das Studiendesign nichts im Weg.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 27. Juni 2019 | 07:50 Uhr

1 Kommentar

Atze1 am 14.09.2019

Werden hier wieder Eulen nach Athen getragen?
Das weiss doch jedes Kind.
Ich musste früher auch oft beim Spiel verlieren und es hat mir nicht geschadet, eher genutzt.