Frische Luft für Schulen Gegen Corona-Aerosole: Forscher entwickeln Lüftungsanlage mit Baumarktteilen

09. November 2020, 16:42 Uhr

Max-Planck-Forscher aus Mainz haben ein einfaches Lüftungssystem für Schulen entwickelt. Es bläst bis zu 90 Prozent der Aerosole aus Klassenräumen ins Freie. So soll das Ansteckungsrisiko minimiert werden.

Damit Schulen und Kitas trotz Pandemie geöffnet bleiben können, dürfen sie nicht zu Hotspots der Corona-Übertragung werden. Denn Kinder und Jugendliche haben zwar nur extrem selten schwere Verläufe von Covid-19. Trotzdem könnten sie wie alle Menschen mit asymptomatischen Verläufen eine Rolle bei der Weitergabe der Viren spielen. Auch wenn immer noch nicht klar ist, wie groß diese Rolle bei Kindern ist.

Da Corona über kleine Tröpfchen und Staubpartikel übertragen wird, gilt besonders für Schulen eine Pflicht zum regelmäßigen Lüften. Nicht immer gelingt es dabei, wirklich die gesamte Raumluft umzuwälzen. Außerdem wird es im Winter dann schnell kalt in den Klassenräumen. Abhilfe für beide Probleme verspricht nun eine Arbeit von Mainzer Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie. Die Wissenschaftler haben mit einfachen Teilen aus dem Baumarkt eine Lüftungsanlage konstruiert, die in beinahe jedem Klassenraum mit geringem Aufwand installiert werden kann. Kostenpunkt: Rund 200 Euro.

Schemagrafik der selbst entwickelten Abluftanlage für Klassenzimmer
Bildrechte: Andrea Kloppenborg

90 Prozent der Staubpartikel werden abtransportiert

Einen Prototyp hat das Team um Frank Helleis in der Integrierten Gesamtschule Mainz-Bretzenheim installiert. Das Prinzip ist simpel. Die Schüler wärmen mit ihren Körpern und ihrem Atem die Umgebungsluft auf, die von selbst nach oben steigt. Dort, an der Decke über den Schülertischen, hängen breite Schirme, die mit einem Rohr verbunden sind. An dessen Ende befindet sich ein Ventilator, der die Luft durch ein gekipptes Fenster oder ein Oberlicht ins Freie transportiert.

"Unsere Messungen haben gezeigt, dass das Abluftsystem mit den Hauben über 90 Prozent der Aerosole kontinuierlich entfernt", sagt Helleis. Das System funktioniere zwar auch ohne die Schirme, mit ihnen sammele es Aerosole aber noch effektiver ein. Das zeigten Tests mit künstlichen Staubpartikeln.

System könnte langfristig bessere Luft in Klassenzimmer bringen

Der einfache modulare Aufbau der Anlage erlaube eine Installation in vielen verschiedenen Räumen und auch Turnhallen. Notwendig seien lediglich eine Steckdose und ein Kippfenster oder Oberlicht. Der Schulträger, die Stadt Mainz, unterstützt nach Angaben der Gesamtschule den Einbau des Systems im übrigen Schulgebäude. Das Bildungsministerium von Rheinland-Pfalz prüfe zudem den Einsatz in weiteren Schulen.

Die Forscher um Frank Helleis wollen in Kürze eine Bauanleitung auf die Webseite des Max-Planck-Instituts für Chemie stellen. Fragen dazu können schon jetzt über ein Kontaktformular an die Wissenschaftler gerichtet werden. Helleis ist überzeugt, dass das System auch über die Pandemie hinaus einen Nutzen bringt.

Unser System löst auch das lange bekannte CO2-Problem in Klassenräumen. Denn es befördert nicht nur Aerosole nach draußen, sondern reduziert auch die CO2-Anreicherung, so dass sich die Schüler besser auf den Unterricht konzentrieren können.

Frank Helleis, Max-Planck-Institut für Chemie

Fachverband äußert Kritik

"Eine leichte Kippung eines Fensters, wie es in einer Presseverlautbarung heißt, dürfte kaum den für die Minimierung des Infektionsrisikos erforderlichen Luftwechsel sicherstellen", kritisiert Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäude-Klima e.V. (FGK) die Vorschläge aus der Wissenschaft. "Insofern disqualifiziert sich das System selbst. Ein Nachweis über die Luftwechselrate fehlt ebenso wie Angaben zum Volumenstrom." Der FGK verweist in seiner Mitteilung auf einen hessischen Sachverständigen, der die Lüftung für inakzeptabel hält, da sie nicht den geltenden Regelwerken entspreche und für öffentliche Gebäude und Schulen nicht zulässig sei.

(ens)

12 Kommentare

meerwind7 am 25.10.2022

Der Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäude-Klima e.V. Günther Mertz hat sich hier äußerst unprofessionell geäußert. Statt einen Riesenumsatz für das eigene Gewerbe zu generieren, für alle Schulen Lüftungen einzufordern, meinetwegen mit professionelleren Materialien und Bauweisen, geht er stur auf Opposition. Vielleicht ist er ein verdeckter "Corona-Leugner"?

Nun haben Gesellschaft und Kultusministerien zwar beschlossen, dass die Schulen nicht mehr wegen Corona geschlossen werden sollen, haben aber weitestgehend nichts investiert, um das auch auf gesunde Weise zu ermöglichen. Schüler* und Lehrer* bleiben aber auch im dritten Winter ohne wirksamem Gesundheitsschutz. Kräftiges Lüften wie im vorigen Winter ist wegen Gaskrise auch nicht mehr so angesagt.

Am besten erscheint mir eine Kombination aus einer Entlüftungsanlage wie im Artikel beschrieben mit einer raumbezogenen Wärmerückgewinnung wie z.B. "Fresh-r On-the-Wall".

Ultrahoodie am 09.04.2021

Jeder kennt es, draußen ist es kalt und verschneit und dann öffnen sich die Automatischen Glastüren eines Kaufhausen unserer Wahl. Beim öffnen macht sich ein Stürmischer Lärm bemerkbar und wir schreiten durch eine unsichtbare Wand aus Luft, die einem die Haare zerzaust...
Der vertikale Torluftschleier, altbekannt aber in Vergessenheit. ´
Da meines Verständnisses, die Aerosole sich ohnehin durch die körpereigene Vortemperierung in Richtung der Decke bewegen ließe sich so ein System doch Sicherlich auch Horizontal ausrichten. Durch Zwei zusammen geschaltete Lüfter könnte der Volumenstrom so angepasst werden das eine Verwirbelung möglichst nicht stattfindet und das System was Frischluft Eingang und Ausgang betrifft sich selbst reguliert.

Könnte jemand ne Studie Draus machen xD
Mfg euer Dietmar

wellenreiter am 09.11.2020

Überall in den Schulgebäuden gibt es warme Flure, die auch geheizt sind. Unterricht mit geöffneten Klassenzimmertüren ist mittlerweile auch in vielen Schulen üblich. Die durch die Lüftungsanlage abgeführte verbrauchte Luft kann so ersetzt werden. Zumindest wäre es ein Versuch wert, in jeder Schule mal einen Prototypen aufzubauen. Vorausgesetzt der Hausmeister macht kein Theater und kommt mit allen möglichen Einwänden wie: "wegen Brandschutz darf kein Plastik unter den Decken hängen".