Hände eines Demenzkranken werden gehalten.
Alzheimer-Erkrankungen sind oftmals eine große Belastung für Patienten und Angehörige. Bildrechte: IMAGO / Martin Wagner

Welt-Alzheimer-Tag am 21. September Jede dritte Alzheimer-Erkrankung könnte vermieden werden

20. September 2022, 12:06 Uhr

Weltweit nehmen die Demenz-Fälle immer weiter zu, wobei Alzheimer am häufigsten vorkommt. US-Forschende haben nun herausgefunden, dass sich die Zahlen stark verringern ließen - wenn man bestimmte modifizierbare Risikofaktoren minimieren würde. Dazu gehören etwa körperliche Inaktivität, Rauchen oder auch Depressionen.

Alzheimer ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern, doch in so gut wie allen Fällen eine große Belastung für die Patienten und ihre Angehörigen. Am Welt-Alzheimer-Tag, der jährlich am 21. September begangen wird, soll die Öffentlichkeit auf diese Situation noch stärker aufmerksam gemacht werden. Bedeutung erhält die Krankheit auch durch die schiere Zahl der darunter Leidenden: Aktuell liegt sie weltweit bei 55 Millionen und wird bis 2050 voraussichtlich auf 139 Millionen steigen.

Viele neurologische Erkrankungen kein unabänderliches Schicksal

Dabei könnte ungefähr jede dritte Erkrankung vermieden werden, wie eine US-Studie ergeben hat. Dafür wurde am Beispiel des Bundesstaats Kalifornien untersucht, ob regionale Werte auch auf die gesamten USA und andere Nationen übertragen werden können. Hierfür wurden Daten aus der sogenannten BRFSS-Erhebung genutzt und für acht bekannte Demenz-Risikofaktoren (körperliche Inaktivität, Rauchen, Depression, niedriger Bildungsstand, Diabetes mellitus, Adipositas oder Bluthochdruck im mittleren Lebensalter und Schwerhörigkeit) der Anteil der Erkrankten ermittelt, der auf den jeweiligen Faktor zurückzuführen ist.

Dabei ergaben sich sowohl für Kalifornien als auch die gesamten USA als die wichtigsten Risikofaktoren: niedriger Bildungsstand, Adipositas im mittleren Lebensalter und körperliche Inaktivität bzw. Bewegungsmangel. Insgesamt gingen in Kalifornien 28,9 Prozent der Demenzen zu Lasten einer Kombination von Risikofaktoren, verglichen mit 36,9 Prozent in den gesamten USA. Da es sich bei diesen Faktoren um sogenannte modifizierbare handelt, also sie nicht etwa mit der Genetik zu tun haben, ließen sie sich durch Präventionsprogramme prinzipiell vermeiden.

"Wir wissen, welche schädlichen Wirkungen eine ungesunde Lebensweise auf das Herz-Kreislauf-System und das Krebsrisiko hat – dass sie aber auch die Gesundheit unseres Gehirns so dramatisch beeinflussen, ist auch in Deutschland noch allgemein nicht bekannt", erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). "Viele neurologische Erkrankungen sind kein unabänderliches Schicksal, sondern lassen sich verhindern", betont dazu Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

Bessere Früherkennung per Protein

Einen wichtigen Schritt bei der Früherkennung von Alzheimer haben zudem Forschende des Uniklinik Halle zusammen mit Kollegen aus Ulm gemacht. Die Experten identifizierten dafür das Protein Beta-Synuclein, das bei einer erhöhten Konzentration im Blut zu strukturellen Veränderungen in bestimmten Gehirnbereichen führt. Die genutzte Methode kommt ohne die oft schmerzhafte Entnahme von Nervenwasser aus und mit ihr kann zwischen Alzheimer und anderen Formen der Demenz unterschieden werden.

Prof. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle.
Prof. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik Halle. Bildrechte: Universitätsmedizin Halle

"Beta-Synuclein ist ein präsynaptisches Protein, also ein Bestandteil der Nervenenden", erklärt der Direktor der Hallenser Uniklinik Prof. Markus Otto. "Es wurde bereits angenommen, dass die Veränderung an diesen Nervenenden im Gehirn mit der Gedächtnisstörung zusammenhängt. Deswegen haben wir uns darauf konzentriert, hier einen Nachweis im Blut zu finden. Aufgrund der Ergebnisse vermuten wir, dass bei Alzheimer als Erstes strukturelle Veränderungen der Synapsen auftreten."

Die Forschenden untersuchten in ihrer Studie insgesamt 374 Patienten aus dem Netzwerk für frontotemporale Demenzen (FTLD). Alzheimer zeigt sich normalerweise im Verlust der Hirnsubstanz (Atrophie) im Schläfenlappen, bei anderen Demenzformen sind dagegen Bereiche des Stirnlappens betroffen. In der Untersuchung wurde die kognitive Leistungsfähigkeit der Probanden analysiert und das Volumen der Hirnareale per Magnet-Resonanz-Tomografie bestimmt. "Hier zeigte sich, dass eine sehr gute Korrelation zwischen den für die Alzheimer-Erkrankung typischen Atrophiemustern im Schläfenlappen und dem Anstieg des Proteins Beta-Synuclein im Blut besteht", so Prof. Otto. Die bisher verwendeten Biomarker hätten diesen Zusammenhang nicht gezeigt. Die Erkenntnisse ließen sich schon jetzt in die Praxis übertragen, etwa bei den jährlich durchgeführten Visiten.

pm/cdi

0 Kommentare