Schwellenwert-Grafik des Autor:innen-Teams Kristin Kieron, Clemens Haug, Inka Zimmermann, Florian Zinner, Zahl 2023 und Text Das MDR Klima-Update
Kristin Kielon, Clemens Haug, Inka Zimmermann, Florian Zinner Bildrechte: MDR WISSEN

MDR KLIMA-UPDATE | 29. Dezember 2023 … ähm, dürfen wir kurz?

Ausgabe #121

29. Dezember 2023, 10:58 Uhr

So, das Klima-Jahr 2023 ist durch. Zeit, kurz innezuhalten – und ganz persönlich zu resümieren.

Guten Tag, wir möchten uns in diesen eher ruhig programmierten Tagen noch mal kurz bei Ihnen melden. Keine Klima-Depeschen, keine Klima-Orakel, nicht mal eine Zahl der Woche. Aber irgendwie ist zwischen den Jahren ja immer die Zeit zum Resümieren. Kann wehtun, kann schön sein – ist aber sicherlich eine gute Idee, solange es nicht in Grübeln ausartet.

Wir versuchen, nicht allzu schlimm zu grübeln und schicken Ihnen auf diesem Wege unsere Gedanken zum Klima-Jahr 2023. Und freuen uns über die Ihrigen. Schreiben Sie uns wie immer gern!

Danke, dass Sie 2023 mit an Bord waren. Und danke für Ihren Rundfunkbeitrag.

Alles Gute für das neue Jahr!

Kristin Kielon

MDR AKTUELL Autorin Kristin Kielon
Bildrechte: MDR

Es war ein Jahr, in dem mir sehr oft sehr heiß war. Zum einen aufgrund der zeitweise recht hohen Temperaturen, aber auch wegen der vielen wenig erbaulichen Nachrichten aus der Klimaforschung. Wenn der DWD konstatiert, dass wir die Komfortzone verlassen, kann man schon mal ins Schwitzen kommen. Oder beim Lesen des Syntheseberichts des Weltklimarats zur 6. Berichtsperiode für das Klima-Update Ende März. Das war zwar nicht mein erster IPCC-Bericht, aber ich habe mich wohl mit keinem vorher so intensiv auseinandergesetzt wie mit diesem. Aber in Erinnerung geblieben ist mir auch eine versöhnliche, optimistische Botschaft: Jedes Zehntel Grad zählt! Und damit zählt auch jede Tonne – ach was, jedes Gramm Treibhausgasemissionen, das wir einsparen können. Das ist für mich eine Erkenntnis, die auch die Selbstwirksamkeit befördert hat – also quasi den Glauben daran, dass wir sehr wohl auch als Individuum etwas tun können, obwohl die Politik die großen Schritte einleiten muss. Ich habe also meinen Alltag verändert, bin E-Auto gefahren oder Nachtzug und habe deutlich klimafreundlicher eingekauft. Das ist nicht weltbewegend, aber es hat sich gut angefühlt. Und das soll Klimaschutz ja auch, sich gut und sinnvoll anfühlen, damit mehr Menschen mitmachen. Denn das Jahr hat mir auch gezeigt, dass das Problembewusstsein da ist. Der Protest gegen die ungenügenden Schritte der Politik war laut und unbequem. Und auch wenn das „Wie“ von Protestaktionen sicher diskutabel ist, wichtiger erscheint mir doch, dass es sie überhaupt gab.

Illustration einer Person, die mit Schirm im Starkregen auf einem Stein sitzt und auf einen kargen Baum und durch Dürre geschädigten Boden blickt
Bildrechte: Sophie Mildner

Clemens Haug

Clemens Haug
Bildrechte: MDR Wissen

Meine Klima-Erkenntnis des Jahres hatte ich Ende November, als ich mich bei einem Seminar mit einem Kollegen unterhielt, der schon seit den Neunzigerjahren regelmäßig über die UN-Klimakonferenzen berichtet. Seine Perspektive auf diesen nun schon 28 Jahre dauernden Verhandlungsprozess war viel positiver als ich erwartet hatte. Klar, die Fortschritte kommen nicht so schnell wie es notwendig wäre. Aber immer noch treffe sich tatsächlich die gesamte Welt, um zu verhandeln. Und sie mache Fortschritte dabei. Der Climate Action Tracker zeige deutlich, wie sich die prognostizierte Erwärmung mit jedem neuen Abkommen reduziert habe. Dann sagte der Kollege noch, dass sich in Deutschland fast niemand darüber bewusst sei, dass es das erste Erneuerbare Energien-Gesetz war, das Wind- und Solarkraft weltweit bezahlbar gemacht hat. Nur durch diese Förderung konnte die Herstellung von Photovoltaik und Windturbinen so optimiert werden, dass sie nun so konkurrenzfähig sind, dass sogar in den USA während des politischen Widerstands der Trump Regierung mehr Windräder und Solarpaneele aufgestellt wurden als je zuvor. Das Gespräch mit dem Kollegen hat mir Hoffnung gemacht. Vielen Dank, Werner Eckert.

Inka Zimmermann

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
Bildrechte: MDR

Dieses Jahr war quasi mein erstes Jahr als „Klima-Journalistin“. Und anfangs war ich voller Euphorie: Es gibt so viele neue Technologien, die uns dabei unterstützen können, den Klimawandel aufzuhalten. Trillionen kleine Schrauben, an denen wir drehen können. Meine persönliche Lieblingsschraube: unser Kompost. Während die Produktion von Biomasse an sich ein kontroverses Thema ist, erzeugen wir mit unseren Lebensmittelabfällen schon jetzt tonnenweise wertvolle Biomasse. Allerdings wird er oft nicht getrennt – und wenn nur ein Prozent „Fehlwürfe“ enthalten sind, können 97 Prozent des Biomülls nicht mehr weiterverwendet werden. Dabei könnte der Müll beispielsweise in einem Blockheizkraftwerk ein kleines Städtchen beheizen. Trotzdem sind nicht alle Haushalte ans Kompostnetz angeschlossen. Und natürlich wird Biomüll alleine das Klima nicht retten, aber ich habe mich in diesem Jahr häufig gefragt, warum wir solche Mini-Schrauben, die wenig Investition bedürften, nicht immer nutzen. Wäre nicht jetzt der Punkt gekommen, alle verfügbaren Mittel einzusetzen? Aber, und das hat aus meiner Sicht auch die UN-Klimakonferenz in Dubai zum Jahresabschluss verdeutlicht: Wir reden zwar nicht mehr darüber, OB wir etwas gegen den Klimawandel unternehmen müssen, sondern immerhin schon über das WIE – aber davon, alle verfügbaren Mittel mit voller Kraft für den Erhalt unseren Planeten zu nutzen, sind wir noch weit entfernt. Mein Wunsch fürs neue Jahr ist daher: mehr kleine, aber effektive Lösungen. Und mehr Mülltrennung <3

Florian Zinner

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
Bildrechte: MDR

Mein erster Impuls war ja, dass der Klimaschutz 2023 wieder nicht aus dem verehrten Knick gekommen ist und wir in diesem Jahr lieber öffentlichkeitswirksam über die Protestkultur im Klimaschutz verhandelt haben als über den viel wichtigeren Klimaschutz selbst. Aber dann dachte ich so, dass ich es mir mit diesem mürrischen Mindset auch irgendwie zu einfach mache. Zwar mag es einem in der Nase krabbeln beim Gedanken an Europas Bürokratieapparat – aber immerhin hat man hierzu"lande" inzwischen das Gefühl, dass es beim Kampf gegen den Klimawandel sowas wie eine Mentalität des Ärmelkrempelns gibt. In bundesdeutschen Maßstäben würde ich 2023 sogar als Jahr der klimagerechten Mobilität bezeichnen. Mit dem (nur ein ganz kleines bisschen zu viel zerredeten) Deutschlandticket gibt es zwischen Westerland, Neiße und dem Kaiserstuhl erstmals sowas wie eine halbwegs bezahlbare Mobilitätsflatrate, die die Kultur der Tarifzonen-Waben-Dingens in gerade einmal ein paar Monaten Verkehrsdiplomatie überwunden hat und klimafreundliche Mobilität für Millionen ermöglicht. Gleichzeitig wurde an höchster Stelle erkannt, dass wir uns für den Zustand der deutschen Eisenbahn schämen sollten, aber nicht länger schämen wollen. Und das gilt sogar noch in Zeiten eines ebenfalls zum Schämen gelöcherten Bundeshaushalts (Jetzt mal Hand aufs Herzl aller Beteiligten: Musste das sein?). 2023 war aber auch das Jahr, in dem Klimagerechtigkeit weitestgehend gesiegt hat. Und die Feststellung niet- und nagelfest gemacht wurde, dass diejenigen für Klimaschäden finanziell haften müssen, auf deren Kappe sie gehen. Die COP in Dubai war freilich kein Duracell-Häschen des Klimaschutzes, aber am Ende kam mehr raus, als Unken zu rufen vermochten. Trotzdem: Wir sind von den Klimazielen astronomisch weit entfernt und das, was 2023 passiert ist, reicht bei Weitem nicht. Denn wir wollen es uns mal nicht zu einfach machen.


Eine Sache noch …

Wir freuen uns über Verstärkung – an Bord ist ab 2024 die Journalistin Katja Evers. Damit Sie sich schon mal bekannt machen können, hier ein paar Zeilen, die uns Katja aus ihrer Wahlheimat Norwegen geschickt hat.

Junge Frau mit langen, braunen Haaren gelben Mantel, lacht und blickt mit leicht gesenktem Kopf in Kamera
Bildrechte: MDR

Ich bin Katja Evers! Kulturreporterin, Wissenschaftsjournalistin, großer Fan komplexer Fragen und nein, nicht verwandt mit Horst Evers. Auch nicht verschwägert! Geht auch gar nicht, denn Horst Evers heißt eigentlich Gerd Winter! Ein schöner Name, nur ist der Winter in meinem Kopf mittlerweile auch unweigerlich mit der pampig dreckigen Masse auf unseren Straßen verbunden. War da früher nicht mal Schnee? Jahrelang habe ich an meinen Erinnerungen gezweifelt, mittlerweile ist es aber mit Daten belegt: Es fällt weniger und das, was da ist, schmilzt schneller wieder weg!  Nicht nur dadurch ist Weihnachten für mich nicht mehr dasselbe! Unseren Baum konnte ich schon vor ein paar Jahren nicht mehr ansehen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Und braucht es wirklich das ganze Geschenkpapier? Im Moment lebe ich in Norwegen – ein Land, in dem die Welt noch in Ordnung ist! Hier gibt es Schnee und Bäume im Überschuss, grünen Strom durch Wasserkraft. Friede, Freude, Pannekake! Nicht ganz! Seit ich hier lebe, sehe ich mehr und mehr, wie auch viele Norweger alles andere als klimafreundlich leben. Aber dazu im neuen Jahr mehr …


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