Große Fragen in zehn Minuten Könnten wir ewig leben?

25. Oktober 2022, 12:53 Uhr

Die Menschheit ist eine geniale Spezies: Wir schauen bis ans Ende des Universums, beginnen zu verstehen, was in unserem Erbgut verborgen ist und fliegen zu anderen Himmelskörpern. Es scheint für uns keine wirklichen Grenzen zu geben, bis auf den Tod am Ende jeden Lebens. Der ist unabwendbar. Man könnte auch sagen, der Tod oder das Sterben müssen, ist die größte Niederlage, die größte Demütigung für uns Menschen. Was würden wir darum geben, nicht sterben zu müssen, ewig zu leben?

Große Fragen in zehn Minuten

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Glücklich erscheinder Mensch, auf seinem Kopf sitzt ein Schmetterling.
Ist Dankbarkeit gesund? Bildrechte: MDR
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Große Fragen in zehn Minuten Ist Dankbarkeit gesund?

Ist Dankbarkeit gesund?

Dankbarkeit hilft uns, das Leben zu genießen.
Dieses Gefühl macht uns nicht nur zufrieden und gelassen, sondern ist auch noch gesund.

Mo 29.04.2024 14:32Uhr 10:38 min

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Portrait von Marylin Monroe im Comic-Stil mit virtuellen Vermessungshilfslinien
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Podcast-Host Karsten Möbius mit einer futuristischen "body modification" im Gesicht
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Vor allem aus dem Silicon Valley, wo alles möglich scheint, kommt die Idee, dass Nicht-Sterben Müssen wirklich funktionieren könnte. Ray Kurzweil, der Leiter der technischen Entwicklung von google sagt: Die Unsterblichkeit ist nah! Und damit ist er nicht allein. Bioinformatiker Aubrey de Grey, ein Guru der These der Unsterblichkeit, verkündet, dass der erste Mensch, der tausend Jahre alt wird, schon lebt. Das klingt super! Ist aber, wenn man Forscher fragt, die sich Tag für Tag in Laboratorien mit dem Alltag der Unsterblichkeit  beschäftigen, mehr Wunsch als realistische Vision.

Visionen aus Angst vor dem eigenen Tod?

Mann mit Bart bis zum Bauchnabel
Zukunftsvisionär Aubrey de Grey geht davon aus, dass Menschen 1.000 Jahre alt werden können Bildrechte: IMAGO/piemags

Christoph Englert ist Professor für molekulare Genetik am Leibniz Institut für Alternsforschung in Jena. Er sagt das, was einige vielleicht schon vermuten: "Wir Mittelalter-Männer können uns mit dem Problem, das wir irgendwann mal sterben müssen, nicht abfinden und erfinden irgendwelche Firmen und stecken unglaublich viel Geld rein. Es ist immer das gleiche Muster, egal, ob Ray Kurzweil, Jeff Bezos, Aubrey de Grey: Alternde Herrschaften, zu denen ich auch gehöre, die sich denken: 'Hey! Jetzt muss ich mal was tun, weil ich eigentlich nicht weg will!'" Aber genau aus solchen Motivationen sind Ideen und Technologien entstanden, die niemand für möglich hielt. Was geht also, was geht nicht, was ist Spinnerei und was realistische Vision? Was ist Größenwahn aus dem Silikon Valley, was können Millionen oder Milliarden Dollar möglich machen, um alternde Tec-Milliardäre und dann vielleicht auch den Rest der Menschheit unsterblich zu machen?

Unsterbliche Menschen? Niemals!

Im Moment gibt es nichts, aber auch gar nichts, was uns Hoffnung auf Unsterblichkeit machen könnte, sagt Sebastian Grönke vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln und verweist auf den Stand der Dinge: Anhand von Tiermodellen, Fliegen, Würmern, Mäusen, sieht man, dass sich die Lebenszeit deutlich verlängern lässt. Das geht unter Laborbedingungen, sagt Grönke, aber er sagt auch: "Es gibt noch keine einzige Behandlungsmöglichkeit für Menschen, die nachweislich zeigen könnte, dass man die Lebenszeit auch verlängern kann." Bezogen auf die Lebenszeitverlängerung von Tierorganismen sagt er: "Man spricht davon etwa 30 bis 50 Prozent länger leben. Aber man ist ganz weit davon entfernt, dass man die Tiere unsterblich machen könnte."

Wenn die körpereigene Zell-Müllabfuhr schwächelt

Wir müssen also kleinere Brötchen backen. Leben verlängern ist ja schließlich der erste Schritt für ewiges Leben. Ewiges Leben ist übrigens nicht mal das Ziel der Alternsforschung. Leben verlängern ist eher so ein Nebenprodukt.

Mann mit grafischer Wirbelsäule und Schmerzpunkten
Seneszente Zellen sorgen für Krankheiten wie Osteoporose Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Eigentlich geht es bei der Alternsforschung darum, altersbedingte Krankheiten zu bekämpfen. Besonders von Interesse sind dabei sogenannte Seneszenten-Zellen, auch Zombie-Zellen genannt. Das sind Zellen, die ihre besten Zeiten hinter sich haben und sich nicht mehr teilen können. Also: Ab in den Müll damit. Das Problem dabei: Mit zunehmendem Alter schwächelt auch die Müllabfuhr. Etwa ab 40 Jahren werden diese Restmüllbestände nur noch lückenhaft entsorgt, immer mehr bleiben im Körper und fangen im übertragenen Sinne dann irgendwann an zu stinken, geben ihre schlechten Vibes weiter. Sie sondern nämlich Botenstoffe ab, die für altersbedingte Probleme und Krankheiten sorgen, zum Beispiel für Demenz, Osteoporose oder Diabetes. Für die Forschung also klare Sache: Die seneszenten Zombie-Zellen müssen weg!

Weg mit den ollen Zellen. Allerdings hat die Müllbeseitigung einen hohen Preis

Doch was sagt die Forschung dazu? Christoph Englert aus Jena: "Man kann beim Menschen die seneszenten Zellen nicht einfach genetisch entfernen. Aber man kann versuchen, sogenannte small molecules, also kleine Moleküle, Pharmaka zu entwickeln, die exakt diese seneszenten Zellen attackieren und töten, weil die sich über bestimmte Signale zu erkennen geben. Die kann man nutzen und sagen: 'Ok, da docken wir was an und bringen die Zelle um'." Vom Ansatz her nicht schlecht findet, Englert. "Klingt gut, funktioniert auch nicht schlecht. Das Problem ist, dass die Wirkstoffe den Chemotherapeutika bei der Krebsbehandlung ähneln. Das heißt, sie sind eigentlich hochgiftig und haben extreme Nebenwirkungen." Das mit sich machen zu lassen, wird man sich sicher zweimal überlegen, denn so richtig ausgereift ist die Nummer noch nicht.

Es gibt aber noch etliche andere Ideen, mit denen man das Leben verlängern möchte: 

  • In den USA etwa wurde ein Unternehmen gestoppt, dass Senioren junges Blut-Plasma für 8.000 Dollar pro Liter verkaufen wollte. Schließlich hatten Wissenschaftler im Labor mit dem Blut einer jungen Maus Organe einer alten Maus verjüngen können.

  • Aufsehenerregend war auch der Selbstversuch einer Frau namens Elizabeth Parrish. Aufsehenerregend deshalb, weil die 50-Jährige eher aussieht wie 30.  Für sie liegt das ganz klar an einem Medikament ihres eigenen Start-Ups BioViva. Das soll Kopierfehler der DNA bei der Zellteilung verhindern.

  • Und dann gibt es noch die spektakuläre Yamanaka-Methode. So spektakulär, dass es dafür einen Nobelpreis gab. Schließlich gelang es dem Japaner Shinya Yamanaka Zellen zu reprogrammieren, sie zurückzudrehen auf ihren Ursprung. So wurde aus einer menschlichen Hautzelle wieder eine embryonale Stammzelle. Spektakulär ist das alleine deshalb, weil man davon ausging, dass genau das eben nicht gehen kann.

Einfach die Zellen zurück auf null drehen?

Nun Christoph Englert, worauf warten wir eigentlich noch? "Wenn Sie den ganzen Organismus nehmen und alles reprogrammieren, dann sind diese Mäuse nach kurzer Zeit tot. Sie bringen dann auch das Gen Myc ein, ein starkes Onkogen. Das heißt, die Mäuse bekommen alle Tumore. Es gibt auch Daten, die zeigen, dass Neurone nicht reprogrammierbar sind und sich gegen Reprogrammierung wehren.

Eine ältere Frau
Altern ist ein komplexer Prozess. Bildrechte: imago/Hans Blossey

Altern ist am Ende doch kein Schalter, den man umlegen kann oder vier Yamanaka-Faktoren, die man dazu geben kann und dann altern wir einfach nicht mehr und sind unsterblich. Es scheint, als sei Altern ein göttliches Prinzip? Sebastian Grönke sieht das so: "Die Alterung ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem viele Prozesse gleichzeitig ablaufen. Das heißt, man wird wahrscheinlich nicht durch einen einzigen Eingriff das Altern komplett stoppen können, sondern man muss wahrscheinlich viele Ansätze parallel fahren, um die Alterungsprozesse zu unterbinden oder zu verlangsamen."

Check-up für Menschen?

Alterungs-Guru und Bioinformatiker Aubrey de Grey aus dem Silicon Valley bedient immer gerne den Vergleich mit dem Auto. Er geht davon aus, dass wir künftig regelmäßig zu Check-ups in die Werkstatt müssen. Dann wird hier ein Schräubchen gedreht oder auch der Motor ausgetauscht. So könnte der Mensch dann 1.000 Jahre alt werden, ist sich de Grey sicher.

Ein Kfz-Mechaniker arbeitet an einem ausgebauten Motor.
Ist der Mensch am Ende einfach nur ein Auto mit austauschbaren Ersatzteilen? Bildrechte: imago/Science Photo Library

Alternsforscher Christoph Englert aus Jena dagegen stehen die Haare zu Berge: "Der Vergleich ist wirklich ganz, ganz, ganz, ganz schlecht. Der Mensch ist kein Auto, weil er eine extrem wichtige Dimension völlig vernachlässigt. Zum einen die Interaktion der genetischen Grundlagen, die wir in jeder Zelle in uns tragen. Das tut ein Auto schon mal nicht. In jedem unserer Bestandteile steckt die gesamte Information für alles drin. Und wir entwickeln uns unter bestimmten Umweltbedingungen. Menschen sind das Produkt unserer Gene und unserer Umweltbedingungen, unter denen wir uns entwickelt haben und leben. Diese Interaktion zwischen Genen und Umwelt ist relativ wichtig. Sie ist total unverstanden. Sie ist völlig unter-erforscht, weil uns momentan noch Ansätze für dieses komplexe Wechselspiel fehlen. Eine Dimension, die dem Auto völlig fehlt. Wir sind mit Sicherheit etwas völlig anderes als nur eine Maschine. Da hört der Parallelismus einfach auf. Das ist völliger Quatsch."

Das Leben und das Altern scheinen zusammen zu gehören. In uns altert so ziemlich alles, nicht nur die Zellen: Moleküle, wie Proteine und Zucker, der Inhalt unserer Zellen, Organe, Gewebe, alles altert. Und dann hängt im Körper auch noch alles zusammen. Sebastian Grönke mit einem Beispiel: "Wenn eine bestimmte Diät Mäuse langlebiger macht, kann es durchaus sein, dass durch diese Diät die Aktivität von mehr als 3.000 Genen in einem bestimmten Organ verändert sind. Das sind Prozesse, die viele zelluläre Prozesse gleichzeitig betreffen."

Älter als 120 werden wir nicht!

Bevor wir nicht begriffen haben, was da alles wie zusammenhängt, wird es sicher nichts mit der Unsterblichkeit. Ohnehin wird es die biologisch nicht geben, sagen Alternsforscher Grönke und Englert: Man wird noch ein paar Jahre rausholen können, dann werden wir so um die 120 Jahre. Für mehr gibt es zu viele limitierende Faktoren.

Wege zur Unsterblichkeit

Gibt es nicht doch einen anderen Weg zum ewigen Leben, vorbei an der Biologie hin zur Technologie? Raymond Kurzweil setzt seine Hoffnung auf Nanobots. Winzige Roboter, die permanent alles in unserem Körper auf Vordermann bringen. Sind wir dann aber nicht wieder beim Autovergleich? Die Firma Nectome dagegen bietet ihrer Kundschaft schon jetzt an, sich kurz nach dem Tod einfrieren zu lassen. Irgendwann in naher oder ferner Zukunft will man dann das Gehirn scannen, auf einen Computer übertragen und so die Person wieder auferstehen lassen. Leben wir dann einfach virtuell weiter? Wer weiß ...

Aktuell sieht Alternsforscher Christoph Englert einen einzigen Weg der Unsterblichkeit: "Es gibt natürlich eine Art unsterblich zu werden. Die einzige, die es gibt und die es jemals geben wird, ist, indem Sie sich reproduzieren. Sie kriegen Kinder, die kriegen Enkel und die kriegen Enkel. Somit bleiben Sie unsterblich. So sind wir über die nächsten Generationen mit allen bisherigen Generationen verbunden, bis zum ersten Menschen. Insofern bleiben Teile von uns, Gene von uns, unsterblich. Das ist die einzige Art, wie es geht."

Großeltern sitzen mit ihren Enkeln an einem Gartentisch.
Reproduktion: Das Rezept zur Genweitergabe und indirektem ewigen Leben... Bildrechte: imago/Westend61

4 Kommentare

dimehl am 13.10.2022

Ich hoffe doch.
Früher sind die Menschen an Krankheiten gestorben, die heute heilbar sind.
Warum sollte nicht eines Tages die Krankheit Sterben auch heilbar sein ?

Shantuma am 12.10.2022

Wieder einmal fehlt der philosophische Aspekt.

Was wäre unser Antrieb, wenn wir "ewig" Leben könnten?

Würde ewiges Leben nicht auch ewige Arbeit bedeuten?

Uvm.

Ja, solche Fragen sollte man sich im Wissens-Bereich durchaus stellen. Blanke, herzlose Wissenschaft gibt es schon viel zu lange.

Uborner am 12.10.2022

Man kann nur hoffen dass wir den Tod niemals überlisten können.